Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Betriebliche Suchthilfe der Stadt Regensburg
Allgemeines
- Die "Betriebliche Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe der Stadtverwaltung Regensburg" – kurz "Betriebliche Suchthilfe der Stadt Regensburg" genannt – wurde 1997 auf der Grundlage einer Dienstvereinbarung zwischen dem Oberbürgermeister und dem Gesamtpersonalrat der Stadt Regensburg eingerichtet und als Dienststelle der Personalverwaltung mit einer zunächst nebenamtlichen, ab dem 1. Januar 2000 hauptamtlichen Suchthelferin etabliert.
- Der unmittelbare Wirkungskreis umfasst alle Beschäftigten der Stadt Regensburg (im Jahresdurchschnitt etwa 3100 Personen) und seit August 2003 die ca. 350 Beschäftigten des Theaters Regensburg. Seit März 2004 betreut die Betriebliche Suchthelferin der Stadt zusätzlich und im Rahmen einer eigenen Betriebsvereinbarung die ca. 800 Angestellten der Sparkasse Regensburg, deren Gewährträger die Stadt Regensburg ist.
- Die mittelbare Wirkung erstreckt sich vor allem auf die Angehörigen der o.g. Beschäftigten so-wie auf Personenkreise, die in besonderen Veranstaltungen von der Betrieblichen Suchtberaterin über die Suchtgefahren informiert werden.
- Arbeitsschwerpunkt der Betrieblichen Suchthilfe ist – nach Klientenzahl im Jahresdurchschnitt gerechnet – zu ca. 70% Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit.
Konzept der Betriebliche Suchthilfe
- Die Betriebliche Suchthilfe arbeitet nach dem Motto "Helfen statt Kündigen". Die Dienstvereinbarung zur Suchthilfe sieht vor, dass jede(r) von Suchtmittelmissbrauch betroffene und durch Fehlverhalten im Dienst auffällig gewordene Beschäftigte die Hilfsangebote der Suchthilfestelle in Anspruch nehmen kann und dies auch erwartet wird, um ggfs. eine rechtlich mögliche verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden.
- Die Kernaufgabe der Betrieblichen Suchthilfe besteht darin, konkrete Unterstützung zu leisten bei der Wiederherstellung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit und der Wiedereingliederung des/der Betroffenen in die geregelte Erwerbstätigkeit. Mittel zum Zweck ist dabei der "konstruktive Leidensdruck" des drohenden Arbeitsplatzverlustes, der den Betroffenen dazu bewegen kann, seine Situation als Missbraucher/Abhängige(r) zu erkennen, freiwillig Therapieangebote wahrzunehmen und sich auf ein Leben ohne Suchtmittelmissbrauch umzustellen.
- Die Betriebliche Suchthilfe wirkt durch Motivation zur Therapie und durch Organisation des Therapieprozesses verhaltenspräventiv auf die einzelnen Klienten: Um wieder vollwertig in das Arbeitsverhältnis eingegliedert werden zu können, müssen die Klienten erfolgreich an einer Therapiemaßnahme teilnehmen bzw. ihren missbräuchlichen Alkoholkonsum nachweisbar beenden.
- Die allgemein als sinnvoll und wichtig anerkannte Tätigkeit der Betrieblichen Suchthilfe verbessert in der Belegschaft das Problembewußtsein hinsichtlich des Alkoholkonsums. Dadurch wirkt sie verhaltenspräventiv auch auf diejenigen Beschäftigten, die einen riskanten Alkoholkonsum pflegen, ohne bisher "auffällig" geworden zu sein.
- Die kontinuierliche Aufklärung des Personals auf allen Ebenen über die Suchtgefahren allgemein und den Alkoholmissbrauch im besonderen ist fester Bestandteil des Suchthilfekonzepts.
- Unterstützt wird die verhaltenspräventive Wirkung der Betrieblichen Suchthilfe durch einige verhältnispräventive Maßnahmen:
- Alkoholkonsum während der Dienstzeit ist generell untersagt,
- kein Ausschank von alkoholischen Getränken in der Betriebskantine,
- Getränkeautomaten in den Gebäuden der Stadtverwaltung enthalten keine alkoholischen Getränke,
- Aufstellung von Behältern mit kostenlosem Trinkwasser,
- auf städtischen Veranstaltungen werden immer auch nichtalkoholische Getränke angeboten,
- bei der Auswahl von Präsenten wird die mögliche Gefährdung der Beschenkten berücksichtigt
Organisation der Betrieblichen Suchthilfe
- Die Betriebliche Suchthilfe ist fester Bestandteil der internen Verwaltung mit eigenem Budget und wird von einer ausgebildeten Suchthelferin im Vollzeit-Angestelltenverhältnis durchgeführt, die als ehemalige, therapierte Alkoholabhängige über sehr gute Kenntnis der Suchtgrundlagen, der Hilfsmöglichkeiten und der Motivationspsychologie verfügt.
- Organisatorisch ist die Betriebliche Suchthelferin der Personalverwaltung zugeordnet. Sie ist in ihrer Fachlichkeit weisungsfrei.
- Die Suchthelferin unterliegt, was die Beratungsarbeit mit Klienten betrifft, der Schweigepflicht, von der sie nur vom Klienten selbst entbunden werden kann.
- Für ihre Arbeit steht der Suchthelferin ein eigener, für die Klienten leicht erreichbarer Besuchs- und Beratungsraum mit separatem Außeneingang zur Verfügung. Die Räumlichkeit ist nicht nur mit der notwendigen Büroausstattung (PC, Fax- und Telefonanlage) ausgestattet, sondern auch in optisch angenehmer, besucherfreundlicher Weise gestaltet.
- Die Betriebliche Suchthelferin ist werktags zu den Bürozeiten nach Anmeldung persönlich erreichbar, für Akutfälle ist abends und am Wochenende die telefonische Erreichbarkeit sichergestellt.
- Unterstützt wird die Suchthelferin durch einen verwaltungsinternen Arbeitskreis, dem interessierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen angehören.
- Das Angebot der Betrieblichen Suchthilfe wird über regelmäßige Beiträge in der Hauszeitung "Intern", in einem Faltblatt, in turnusmäßigen Informationsveranstaltungen sowie in einer eigenen im Intranet verfügbaren Homepage kommuniziert.
- Die Arbeit der Betrieblichen Suchthilfe wird einmal jährlich in einem ausführlichen, schriftlichen Tätigkeitsbericht dargestellt.
Aufgaben der Betrieblichen Suchthelferin
- Organisation des gesamten Hilfsprozesses
- Informations- und Beratungsgespräche mit Betroffenen und Angehörigen, Führungskräften, Personalräten, Mitarbeitern
- Motivationsgespräche mit Betroffenen
- Vermittlung von außerbetrieblichen Hilfsangeboten und Therapiemöglichkeiten
- Betreuung der Betroffenen und Angehörigen während der Therapiezeit
- Nachsorge-Begleitung und Hilfe bei der beruflichen Wiedereingliederung der Betroffenen
- Rückfallgespräche mit Betroffenen und Angehörigen
- Kooperatives Handeln und Zusammenarbeiten mit allen Abteilungen und Personen, die in den jeweiligen Prozess involviert sind
- Mitwirkung an suchtpräventiven Maßnahmen, z.B. Teilnahme an Arbeitskreisen, Referate und Publikationen in internen und externen Medien
- Schulungsmaßnahmen für Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen
Unmittelbares suchttherapeutisches Arbeiten gehört nicht zu den Aufgaben der Betrieblichen Suchthilfe, sondern ist ausschließlich externen suchtmedizinisch und -psychologisch ausgebildeten Fachkräften vorbehalten, damit keinerlei Zweifel des Suchtpatienten an der absoluten Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht und am vollständigen Schutz seiner Krankheitsdaten entstehen kann.
Erfolg der Betrieblichen Suchthilfe
Betreuungsfrequenz der Betrieblichen Suchthilfe 1997-2005
Von Beginn der Betrieblichen Suchthilfe im Jahr 1997 bis zum Dezember 2005 wurden ca. 400 Beschäftigte der Stadt und des Theaters Regensburg (= ca. 11% der Beschäftigten insgesamt) von der Suchthelferin betreut, die Mehrzahl davon (ca. 280 Beschäftigte) wegen riskanten Alkoholkonsums und daraus folgender mangelhafter Arbeitsleistung oder Fehlverhalten im Dienst. Bei 263 von diesen 280 Klienten konnte durch die Betriebliche Suchthilfe wieder die volle berufliche Leistungsfähigkeit hergestellt werden. Nur 13 Klienten konnten in diesen fast 7 Jahren nicht mehr in den Arbeitsprozess eingegliedert werden. Dies entspricht einer Erfolgsquote von 94%.
Der rein rechnerische Nutzen der Betrieblichen Suchthilfe für die Stadt als Arbeitgeber beläuft sich – die Standardformel (siehe Tätigkeitsbericht 1998-2000) zugrunde gelegt – auf ca. 1.800 000 Euro.
Wichtiger als der rechnerische Nutzen ist freilich die Tatsache, dass die Betriebliche Suchthilfe der Stadt Regensburg 263 Menschen in einer tiefgreifenden persönlichen Krise nachhaltig geholfen hat – nicht nur durch den Erhalt des Arbeitsplatzes, sondern auch durch die Motivierung zu einer normalen Lebensführung ohne riskanten Alkoholkonsum.
Zusammenfassung der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Betrieblichen Suchthilfe
- Großes Problemlösungsinteresse in Verwaltungsleitung und Personalvertretung
- Fachlich fundierte und praktikable Dienstvereinbarung
- Die gesamten Lebensumstände der Klienten umfassendes Hilfsangebot
- Nachsorge für therapierte Klienten
- Niederschwelliger Therapieeinstieg ("Kontrolliertes Trinken", "Punktnüchternheit", Telefonberatung)
- Hohe Professionalität der Suchthelferin
- Adäquate, praxisorientierte Ausstattung der Suchthilfestelle
- Verschwiegenheitspflicht der Suchthelferin (Voraussetzung für die hohe Akzeptanz in der Belegschaft)
- Funktionierendes Netzwerk von Institutionen und Personen im Bereich der sozialen und medizinischen Betreuung
- Detaillierte, qualitätssichernde Berichterstattung
Die Betriebliche Suchthilfe der Stadt Regensburg ist bayernweit (noch) die einzige hauptamtlich eingerichtete Stelle für öffentlich Bedienstete. Ihr nachhaltiger Erfolg hat dazu geführt, dass im Rahmen der Amtshilfe Kommunen, Behörden und Schulen in der Region die konzeptionelle Unterstützung der Betrieblichen Suchthelferin erbeten und erhalten haben, um nach dem Vorbild der Stadt Regensburg eigene Suchthilfestellen einzurichten.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
Stadtverwaltung (Oberbürgermeister) und Gesamtpersonalrat
Betriebliche Suchthilfe
Sachgebiet Arbeitssicherheit, Betriebliche Gesundheitsförderung, Rechtsamt
Betriebliche Suchthilfe
Betriebsärztlicher Dienst, Fachkliniken, Suchtarbeitskreis Regensburg, Psycho-soziale Beratungsstellen, Integrationsamt der Regierung
Suchtarbeitskreis Regensburg
Arbeitskreis Betriebliche Suchtprävention Landescaritasverband München
- Betriebliche Suchthilfe (siehe Anlage)
- Gesundheitstag der Stadt Regensburg
Betriebliche Suchthilfe zur Verhinderung des Arbeitsplatzverlustes