Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Anlage 1
Tabakprävention im Ostalbkreis
I. Ausgangssituation
Der Ostalbkreis ist ein Flächenlandkreis im Osten Baden-Württembergs mit ca. 313.000 Einwohner/innen in 42 Städten und Gemeinden. Er war einer der ersten ländlich strukturierten Kreise, der zum 01. August 1992 im Rahmen des "Gesamtkonzepts Suchtprophylaxe Baden-Württemberg" die Stelle eines hauptamtlichen Beauftragten für Suchtprophylaxe eingerichtet hat. Aufgabe dieser Stelle war und ist es, Strukturen in allen pädagogischen Bereichen aufzubauen, die eine Implementierung und langfristige Auseinandersetzung mit der Thematik Suchtprävention gewährleisten. Hierbei gilt es, sich an den neueren Erkenntnissen moderner Suchtprävention zu orientieren. Insbesondere war es erforderlich, informations- bzw. aufklärungslastige Modelle durch Ursachen orientierte Lebenskompetenzmodelle zu ersetzen. Angestrebt (und in der Zwischenzeit auch verwirklicht) war die Kooperation mit allen Partnern im Landkreis, die sich mit dem Aufgabengebiet beschäftigt haben. Insbesondere zu nennen sind natürlich die Suchtberatungsstellen, aber auch Selbsthilfegruppen, Krankenkassen und die Polizei.
II. Strategien
6 Ziel von Suchtvorbeugung im Ostalbkreis ist eine möglichst umfassende Auseinandersetzung mit der Gesamtproblematik. Ausgehend von den Erkenntnissen der Suchtpräventionsforschung (siehe "Expertise zur Primärprävention des Substanzmissbrauchs") hat der Ostalbkreis vor elf Jahren einen Weg beschritten, der wegführt von einmaligen, Stoff orientierten "Abschreckungsveranstaltungen" hin zu einer Ursachen orientierten, Lebenskompetenz fördernden Primärprävention, die nach dem Motto "Kinder stark machen" eine möglichst umfassende Auseinandersetzung im Alltag möglichst aller pädagogischen Handlungsfelder - von der Familie über Kindergärten und Grundschulen hin zu weiterführenden Schulen und den Einrichtungen der offenen, verbandlichen und stationären Jugendarbeit - führen soll.
Einen ganz besonderen Wert legt die Landkreisverwaltung mit ihrem Beauftragten für Suchtprophylaxe darauf, Maßnahmen nicht "Top down" durchzusetzen, sondern gemeinsam mit allen relevanten Organisationen und Institutionen zu entwickeln. Nach aller Erfahrung kann durch diese Vorgehensweise eine äußerst hohe Akzeptanz bei allen Beteiligten erzielt werden.
In aller Regel werden sowohl strukturelle als auch kommunikative Maßnahmen verfolgt.
1. Kommunikativer Ansatz
Dieser zielt darauf ab, die Handlungskompetenzen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu stärken. "Kinder stark machen" ist hier genauso Motto wie "Starke Kinder brauchen starke Eltern" bzw. "Starkmachen – für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen". Umschrieben wird das Bestreben, die Zielgruppen jeweils zu befähigen, Probleme des Alltags aus eigener Kraft anzugehen und zu lösen, ohne hierzu in missbräuchliche Konsum- oder Verhaltensmuster zu verfallen. Unter dem Begriff "Kommunikative Maßnahme" verbergen sich demnach alle Fortbildungsveranstaltungen, Informationsveranstaltungen und Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, welche sich an die genannten Zielgruppen wenden. Mit eingeschlossen sind selbstverständlich Einheiten mit vorwiegend informativem Charakter: Trotz aller - vielerorts sogar beklagter - Informationsflut ist in fast allen Bereichen eine zum Teil erschreckende Unwissenheit über den Legalitätsstatus einzelner Drogen, die möglichen Gefährdungen für Körper und/oder Seele beziehungsweise auch von Alternativen zu konstatieren.
2. Strukturelle Maßnahmen
Setzt man die Gültigkeit des sogenannten Suchtdreiecks nach Feuerlein voraus, ist für eine erfolgreiche Suchtprävention die Durchführung struktureller Maßnahmen zwingend erforderlich. Für eine nachhaltige Wirkung auch der kommunikativen Maßnahmen ist dies eine absolute Notwendigkeit. Im Rahmen der Möglichkeiten wird deshalb versucht, eine langfristige Veränderung bestehender Verhältnisse zu bewirken. Dies soll an einigen kurzen Beispielen aufgezeigt werden:
- Die Pädagogik in Kindertageseinrichtungen ist sich einig, dass die Arbeit in "offenen" Gruppen einer gesunden Entwicklung von Kindern und einer Erhöhung der Lebenskompetenzen deutlich zuträglicher ist als die in "geschlossenen" Gruppen. Im Rahmen der Arbeitsgruppe "Kinder stark machen - Suchtvorbeugung im Kindergarten" wird das Bewusstsein der Kindergartenleitungen hierfür geschärft. Im Rahmen Praxis begleitender Maßnahmen kann langfristig die Veränderung der pädagogischen Konzeption eines Kindergartens erreicht werden.
- Offene Lernformen, Gruppenarbeit und die Durchführung von Projekten tragen zu einer erhöhten Kompetenz von Schülerinnen und Schülern bei. Die Arbeitsgruppe Schule mit Staatlichem Schulamt, Schulleitungen und Suchtpräventionslehrer/innen kann es erreichen, dass diese Lernformen verstärkt Einzug in den Schulalltag finden. Gleichzeitig kann erreicht werden, dass eine bauliche Umgestaltung von zum Beispiel Schul– und Pausenhöfen stattfindet.
III. Tabakprävention im Ostalbkreis
Eingebettet in dieses "Gesamtkonzept Suchtprophylaxe" im Ostalbkreis wurden in den vergangenen Jahren unterschiedliche Maßnahmen und Projekte speziell zur Tabakprävention durchgeführt. Allen Projekte ist eigen, dass sie
- mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern entwickelt wurden,
- flächendeckend im gesamten Landkreis durchgeführt wurden und
- alle sowohl strukturelle als auch kommunikative Elemente enthalten.
Wichtig ist den Verantwortlichen im Ostalbkreis die Feststellung, dass Tabakprävention nicht isoliert durchgeführt wird, sondern in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit den sonstigen Maßnahmen zur Suchtprävention zu sehen ist. Auch wurde immer Wert darauf gelegt, diese zusätzlichen Projekte zur Tabakprävention regelmäßig wiederkehrend durchzuführen: Dies kann für die vergangenen acht Jahre festgestellt werden. Im Folgenden werden die Einzelprojekte vorgestellt, die – ergänzend zu den primär- und sekundärpräventiven Konzepten – speziell für die Tabakprävention entwickelt und gemeinsam mit den Partnern auf kommunaler Ebene umgesetzt wurden.
1. "Platz für das echte - Rauchfreie Schule"
Das Projekt wurde 1994 gemeinsam mit der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK), den Suchtberatungsstellen, dem Staatlichem Schulamt und dem Suchtbeauftragten des Oberschulamtes entwickelt und im ersten Halbjahr 1995 umgesetzt. Ziel war es, weiterführende Schulen zu "rauchfreien" Schulen zu machen.
Voraussetzung hierfür war ein gemeinsamer Beschluss der Schulkonferenz - sprich: von Lehrer/innen, Schüler/innen und Eltern, wonach auf dem gesamten Schulgelände das Rauchen eingestellt wird. Hintergrund des Projekts war die Erkenntnis, dass die Manifestierung des Rauchverhaltens sehr häufig in der Schule stattfindet. Eine rauchfreie Schule kann dieses verhindern. Als Anreize wurden Geldpreise in Höhe bis zu 3.000,- DM ausgelobt.
An dem Projekt haben sich 13 von 100 weiterführenden Schulen im Landkreis beteiligt; erfolgreich in dem Sinne, dass der Beschluss der Schulkonferenz zustande kam, waren insgesamt acht Schulen. Während des Projektzeitraums erfolgte eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. An allen dreizehn Schulen wurde über den gesamten Zeitraum in Projekten Rauchen thematisiert.
2. Rauchfreies Landratsamt
Dieses Projekt wurde im Jahr 1997 entwickelt und umgesetzt. Zielsetzung hier war es, möglichst weite Teile des Verwaltungsgebäudes rauchfrei zu machen. Beteiligt waren neben der Personalleitung und der Personalvertretung auch das Gesundheitsamt und die gesetzlichen Krankenkassen.
Ausgangslage des Projektes war, dass im gesamten Verwaltungsgebäude jeder an jedem Ort die Möglichkeit hatte, zu Rauchen. Insbesondere Besucher/innen und nicht rauchende Mitarbeiter/innen fühlten sich hierdurch massiv beeinträchtigt. Aber auch Raucher/innen unter den Bediensteten fühlten sich zum Teil beeinträchtigt.
Das Projekt war in mehrere Phasen eingeteilt:
-
Vorbereitung
In einem Artikel in der internen Zeitschrift wurde dieses Projekt angekündigt. Die Bediensteten wurden darauf hingewiesen, dass die Akzeptanz und die Notwendigkeit im Rahmen einer schriftlichen Umfrage erhoben werden soll. Ein Rücklauf von über 70% der Fragebögen dieser Umfrage machte deutlich, dass- ca. 20 % der Bediensteten regelmäßig am Arbeitsplatz rauchen,
- sich über 70 % der Bediensteten massiv beeinträchtigt fühlen und
- über 90 % gegen ein Rauchverbot bzw. eine Einschränkung der Möglichkeiten keine Einwendungen haben.
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Konzipierung
Basierend auf diesen Ergebnissen wurde mit den Projektpartnern das Hand-lungskonzept ausgearbeitet. Es sah als Ergebnis den Entwurf einer Dienstvereinbarung vor, welche verbindlich regelt, wer künftig wo und wann noch rauchen kann. Die Maßnahme sollte durch eine Nichtraucher-Ausstellung und eine Plakatausstellung in der Anfangsphase begleitet werden. - Umsetzung
Die gesamte Maßnahme wurde wie geplant umgesetzt. Die Bediensteten der Verwaltung wurden schriftlich auf die neuen Regelungen hingewiesen. Das gesamte Projekt wurde im Rahmen einer gezielten Öffentlichkeitsarbeit der Bevölkerung (und damit auch der "Kundschaft") bekannt gemacht. Das "Rauchfreie Landratsamt" ist im Ostalbkreis seit 1997 Realität und hat Nachahmung in zahlreichen Verwaltungsgebäuden öffentlicher und privater Dienstleister gefunden.
3. Automatenfreie Ostalb
Dieses Projekt wurde in den Jahren 1998/99 durchgeführt. Es hatte zum Ziel,
- die freiwillige Selbstbeschränkung der Automatenaufsteller zu überprüfen und
- darüber hinausgehend - Zigarettenautomaten an für Kinder und Jugendliche besonders sensiblen Stellen wie Haltestellen für Schulbusse, besonders stark fregwentierte Schulwege und dergleichen mehr zu reduzieren.
Partner bei diesem Projekt waren neben den Kommunen und den Schulen auch die Automatenaufsteller: In vielen Fällen war die Entfernung der Automaten ohne deren Einverständnis nicht möglich.
Das Projekt wurde über die Tageszeitungen bekannt gemacht. Die Schulleitungen und die Schülermitverwaltungen wurden von der Landkreisverwaltung aufgefordert, möglichst umfassend solche "sensiblen" Standorte mitzuteilen.
Ergebnis der Aktion war der unmittelbare Abbau von zwanzig Außenautomaten. Ein weiterer Effekt ist darin zu sehen, dass bei Auftreten einer ähnlich gelagerten Problematik Automaten schnell und unbürokratisch von den Aufstellern entfernt werden. Seit der Durchführung dieses Projekts wurden jährlich mehrere zusätzliche Automaten entfernt.
4. Mädchen Sucht Junge
Dieses Projekt wurde von der Arbeitsgemeinschaft der Beauftragten für Suchtprophylaxe in Baden- Württemberg entwickelt und realisiert. Es ist als "Interaktives Ding in Sachen Sucht" gedacht und setzt sich geschlechtsdifferenziert mit den vier Suchtformen Nikotin, Alkohol, Illegale Drogen und Essstörungen auseinander. In jeweils zwei Zeitstunden können Jungen und Mädchen einer Klasse in getrennten Gruppen eines dieser Themen mit speziell ausgebildeten Fachkräften aus Jugendarbeit oder Suchthilfe bearbeiten. Das Projekt wurde im Ostalbkreis im November 2002 umgesetzt. Nahezu 1.000 Schüler/innen konnten sich im Projektzeitraum mit diesen Themen beschäftigen. "Nikotin" war insbesondere bei den Mädchen eines der Themen, welches eine außergewöhnlich hohe Beachtung erfuhr. Das Projekt sollte insbesondere die Motivation für das Aufnehmen des Rauchens verdeutlichen und gesündere Alternativen aufzeigen.
5. Be Smart, don't Start
Dieses Europa weite Projekt zur Förderung des Nichtrauchens wird im Ostalbkreis seit 1999 regelmäßig durchgeführt. Der Beauftragte für Suchtprophylaxe beim Landratsamt hat die Koordinierung dieses Projekts im Landkreis übernommen. Zu den Aufgaben gehört unter anderem,
- das Projekt intensiv zu bewerben,
- Unterstützung für teilnehmende Schulklassen und Lehrer/innen zu organisieren,
- Ausstiegsmöglichkeiten für Abbrecherklassen anzubieten und
- regionale Klassenpreise für erfolgreiche Schulklassen zu rekrutieren.
Im Ostalbkreis kann in den vergangenen Jahren ein kontinuierlicher Anstieg sowohl der teilnehmenden als auch der erfolgreichen Schulklassen festgestellt werden. Im vergangenen Schuljahr kam jede zehnte erfolgreiche Schule Baden-Württembergs aus dem Ostalbkreis. Die Vermittlung der Klassenpreise schuf zusätzliche Anreize, durch eine intensivere Beschäftigung mit der Thematik den Erfolg des Projektes noch zu verstärken.
6. Welt-Nichtrauchertag
Die Landkreisverwaltung hat es übernommen, seit 1998 jährlich zum Welt-Nichtrauchertag beispielhafte Initiativen vorzustellen. Hierbei wird ein großer Wert auf die Präsentation positiver Beispiele gelegt. So gehören hierzu insbesondere die Vorstellung rauchfreier Schulen, Betrieben mit einer modernen Vereinbarung zum Schutz der Nichtraucher oder auch "Rauchfreien Gaststätten".
7. Sonstiges
Im Zuge der allgemeinen Maßnahmen zur Suchtvorbeugung und der speziellen Tabakprävention haben sich auch weitere sehr erfreuliche Entwicklungen ergeben. So haben sich insbesondere zwei der drei großen Jugendhäuser im Landkreis zu rauchfreien Einrichtungen entwickelt. Einzelne Kommunen haben die Idee der Tabakprävention übernommen und sind dabei, eigene langfristig orientierte Konzepte zu entwickeln, die zu einer Reduzierung des Rauchens auf ihrem Gebiet führen sollen.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
Arbeitskreis Suchtprophylaxe, Vorstand
Landratsamt Ostalbkreis, Sozialdezernat
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Sozialdezernat
Städte und Gemeinden im Landkreis
Sozialdezernat
Projekte für bzw. Unterrichtseinheiten mit Schüler/innen oder anderen jugendlichen Zielgrup-pen werden grundsätzlich geschlechtsdifferenziert angeboten. Bei der Schulung von Multipli-kator/innen wird diesem Aspekt eine ganz besondere Bedeutung beigemessen. Klar ist, dass die Motivation sowohl für den Beginn insbesondere des Rauchens als auch die Beibehaltung des Konsums bei Jungen und Mädchen an unterschiedliche Bedingungen geknüpft ist. Dem entsprechend ist auch klar, dass in der Prävention und in der Beratung eine differenzierte He-rangehensweise für Jungen und Mädchen zwingend erforderlich ist. Dies wird im Ostalbkreis durch besonders geschulte Fachkräfte aus der Jugendarbeit und die Präventionsfachkräfte aus den Suchtberatungsstellen sicher gestellt. Nach Möglichkeit arbeiten immer Fach-Männer mit Jungen und Fach-Frauen mit Mädchen. Diese Erkenntnis hat ihren Niederschlag in dem Projekt „Mädchen Sucht Junge“ (s. Projektbeschreibung) gefunden, welches die Beauftragten für Suchtprophylaxe in Baden-Württemberg speziell zur geschlechtsspezifischen Suchtprä-vention entwickelt haben. Dieses Projekt wendet sich an 6. bis 9. Klassen aller Schularten. Jungen und Mädchen einer Klasse (Gruppengröße max. 15 Personen) können sich unter An-leitung besonders geschulter Fachkräfte in 2 Zeitstunden mit einem der Themen Essen, Niko-tin, Alkohol oder illegale Drogen auseinander setzen.
Das Landratsamt Ostalbkreis ist sich der Vorbildfunktion einer öffentlichen Verwaltung für die Umsetzung suchtpräventiver Maßnahmen und der Fürsorgepflicht sowohl für nicht-rauchende als auch rauchende Bedienstete bewusst. Wenn erreicht werden soll, dass Nicht-Rauchen in möglichst vielen Betrieben und Dienstleistungsunternehmen zur Normalität wird, kann eine Landkreisverwaltung mit einem Beauftragten für Suchtprophylaxe als Initiator für solche Maßnahmen nicht hinten anstehen. Unter anderem aus diesem Grund hat die Kreisverwal-tung in Form des „Rauchfreien Landratsamtes“ (s. Projektbeschreibung) bereits vor Jahren den Weg hin zu einem öffentlichen Gebäude beschritten, in welchem jede/r auf den Nikotin-konsum verzichtet.
Der Ostalbkreis verwendet in aller Regel Materialien der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen sowie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Darüber hin-aus finden Materialien der gesetzlichen Krankenversicherung Verwendung.