Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Das Frankfurter Programm gegen Alkopops und Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen ist eine konzertierte, übergreifende Aktion, die wesentliche Akteure der Suchtprävention und des Jugendschutzes zusammenführt. Es beinhaltet insbesondere die Aufklärung über Gefahren des Alkoholkonsums bei Heranwachsenden, die konsequente Umsetzung des Jugendschutzgesetzes, Beratungsmöglichkeiten und ein breites Bündel an Präventionsmaßnahmen.
Frankfurter Programm gegen Alcopops und Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen
1. Problemlage
(1) Alkoholkonsum bei Kindern und Jugendlichen
In der Europäischen Schülerstudie zu Alkohol und anderen Drogen (ESPAD) zeigte sich bei den untersuchten 9. und 10. Klassenstufen in Deutschland mit 85% ein erschreckend hoher Prozentsatz an aktuellem Alkoholkonsum. Neben Bier spielen dabei zunehmend vorgemischte Getränke mit Spirituosen (Alkopops) eine erhebliche Rolle. In den letzten 30 Tagen vor der Befragung gaben fast 9% der Jugendlichen einen häufigen Konsum (mindestens bei 10 Gelegenheiten) von Alkopops an. Bis zum Alter von 14 Jahren waren bereits 50% der Schülerinnen und Schüler zumindest einmal betrunken, bis zum Alter von 16 Jahren 80%. Bei der Analyse der Trinkmuster zeigt sich auch, dass Mädchen am häufigsten Alkopops trinken. Durch den sehr frühzeitigen, regelmäßigen Konsum von Spirituosen (in den Mischgetränken) werden von Experten erhebliche Risiken im Hinblick auf die Entwicklung akuter und chronischer langfristiger Störungen gesehen.
Abbildung 1: 30-Tage-Frequenz des Alkoholkonsums verschiedener Getränkesorten für Jungen und Mädchen (ESPAD-Studie 2004, IFT München)
Abbildung 2: Rauscherfahrung in den letzten 30 Tagen (ESPAD-Studie 2004, IFT München)
Der Jahresbericht des Centre for Drug Research der Universität Frankfurt am Main über die Drogentrends (MoSyD) aus 2003 zeigt ebenso, dass nahezu alle 15-18jährigen Schüler bereits Erfahrungen mit Alkohol gemacht haben. Das durchschnittliche Einstiegsalter liegt bei 12,8 Jahren, bis zum 13. Lebensjahr haben bereits 56% einmal Alkohol getrunken. Dabei steigt bis zum 17. Lebensjahr die Häufigkeit des Angetrunken- und Betrunkenseins sowie die Anzahl der konsumierten Gläser (siehe Abbildung 3). Demnach trinken bereits 17% der 16jährigen mehr als 10 Mal im Monat Alkohol, und 78% derjenigen, die Alkohol trinken, waren mindestens 1 Mal im Monat betrunken (entspricht ca. 51% aller 16jährigen Frankfurter Schüler),18% derjenigen, die Alkohol trinken, waren pro Monat mehr als 2 Mal betrunken (ca. 12% der 16jährigen insgesamt)! Im bundesweiten Vergleich (ESPAD-Sudie, siehe Abb. 2) liegen die Zahlen für Trunkenheit bei Frankfurter Schülern somit um mindestens 10% höher (Abbildung 4).
Abbildung 3: Konsumhäufigkeit (letzter Monat) (MoSyD 2003)
Abbildung 4: Trunkenheit (letzter Monat), bezogen auf diejenigen mit Alkoholkonsum im letzten Monat (MoSyD 2003)
Diese Zahlen sind alarmierend, der Trend eines auch weiterhin zunehmenden Alkoholkonsums hält offenbar an.
(2) Modedrinks: Alcopops und Premix-Getränke
Premixgetränke
Dieser Begriff steht für alle alkoholischen Mixgetränke, die Bier, Wein oder Branntwein enthalten und mit andere Getränken – insbesondere süßer Limonade – fertig gemixt verkauft werden.
Für diese Getränke gilt:
- Sie werden mit viel Süße auf junge Konsumenten zugeschnitten (besonders attraktiv für Mädchen!)
- Sie werden mit einem enormen finanziellen Aufwand beworben
- Der Alkoholgehalt wird durch die Süße und Geschmacksstoffe verdeckt
- Der verdeckte Alkoholgenuss ist suchtfördernd
- Es werden bewusst Kunden angesprochen, die überhaupt nicht Zielgruppe für Alkoholwerbung sein dürfen – Kinder und Jugendliche.
Alcopops
So wurden zunächst nur branntweinhaltige Limonaden bezeichnet, die unter einem bestimmten Markennamen extensiv und aggressiv beworben werden. Inzwischen hat sich dieser Begriff zum Sammelbegriff aller überwiegend süßen Premixgetränke, gleich ob mit Spirituosen, Wein oder Bier durchgesetzt. Der Alkoholgehalt der meisten Getränke beträgt ca. 5 - 6%.
Laut einem Situationsbericht der WHO in Deutschland stehen Alcopops bei 11-15jährigen ganz oben auf der Beliebtheitsskala, insbesondere bei Mädchen. 4-5 Alcopops werden im Durchschnitt konsumiert; bei einer durchschnittlichen Menge von ca. 2 Gläsern Schnaps pro Flasche entspricht dies demnach 8-10 Gläsern Schnaps. Die Abgabe branntweinhaltiger Getränke – auch Mixgetränke wie Alcopops – ist an Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nach dem Jugendschutzgesetz verboten. Lokale Untersuchungen des Präventionsrates in Frankfurt haben jedoch gezeigt, dass nahezu jede 2. Verkaufsstelle sich nicht an das Abgabeverbot hält.
(3) Jugendschutzgesetz
Der § 9 des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) regelt die Abgabe von alkoholischen Getränken an Kinder und Jugendliche:
"(1) In Gaststätten, Verkaufsstellen oder sonst in der Öffentlichkeit dürfen
1. Branntwein, branntweinhaltige Getränke oder Lebensmittel, die Branntwein in nicht nur geringfügiger Menge enthalten, an Kinder und Jugendliche ,
2. andere alkoholische Getränke an Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren
weder abgegeben noch darf ihnen der Verzehr gestattet werden.
.....
(3) In der Öffentlichkeit dürfen alkoholische Getränke nicht in Automaten angeboten werden. ....."
Demnach dürfen branntweinhaltige Alcopops nur an Personen abgegeben werden, die mindestens 18 Jahre alt sind.
2. Ziele
(1) Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere auch der Eltern, über die Gefahren des Alkoholkonsums von Kindern und Jugendlichen
(2) Konsequente Umsetzung des Jugendschutzgesetzes in Frankfurt am Main, insbesondere bezüglich der Abgabe von Alcopops
(3) Prävention des Alkoholmissbrauchs und Verzögerung des Einstiegs in den regelmäßigen Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen
(4) Beschränkungen der Abgabe von Alcopops und anderen alkoholhaltigen Premixgetränken sowie anderen speziell für Kinder und Jugendliche konzipierten alkoholhaltigen Nährmitteln (z. B. alkoholhaltige Brause).
3. Strategie
(1) Informationskampagnen
- An alle Frankfurter Schulen wurden Plakate und Informationsblätter zum Jugendschutzgesetz verteilt (Geschäftstelle des Präventionsrates)
- Supermärkte, Kioske, Tankstellen, Getränkeläden und Gaststätten wurden und werden in Zukunft weiterhin in unregelmäßigen Abständen aufgesucht, teilweise unter Beteiligung der Polizei, des Ordnungsamtes, des Jugendamtes und Mitgliedern der kommunalen Präventionsräte mit dem Ziel, das Verkaufspersonal und die Geschäftsleitungen über die Vorschriften des Jugendschutzes und dessen Umsetzung in die alltägliche Praxis zu informieren, insbesondere beim Dialog mit minderjährigen Kunden/Konsumenten. Dabei sollten auch strukturelle Schwachstellen und Defizite erkannt werden (ist in 11 Stadteilen erfolgt und wird 2005 fortgesetzt). (Geschäftstelle des Präventionsrates, Stadtgesundheitsamt in Zusammenarbeit mit Trägervereinen der Suchthilfe)
- Veranstalter werden über die Pflichten des Jugendschutzgesetzes informiert und an ihre Verantwortung zur Mitwirkung appelliert. Dies erfolgte durch ein Begleitblatt im Erlaubnisverfahren (seit Oktober 2004 durch das Ordnungsamt). Bei großen Veranstaltungen (Museumsuferfest) werden durch das Service Center Veranstaltungen in Informationsgesprächen mit den Standbetreibern die Rechtspflichten noch einmal reflektiert. Ebenso erhält jeder, der im Rahmen von Veranstaltungen einer gaststättenrechtlichen Genehmigung bedarf, das Jugendschutzgesetz ausgehändigt. In einem Schreiben an den Vorsitzenden des Stadtverbandes der Vereinsringe wurde appelliert, bei Stadtteil - und Vereinsfesten generell auf den Ausschank von Alcopops oder Premixgetränke zu verzichten. (Geschäftstelle des Präventionsrates, Stadtgesundheitsamt, Ordnungsamt)
- Plakataktion auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt 2004 (Stadtgesundheitsamt und Verein Jugendberatung und Jugendhilfe JJ e.V.)
- Verteilen von Informationsmaterial und Informationskampagnen mit Info-Ständen und Beratungsangebot an Schulen auf dem Pausenhof (Polizei, Präventionsrat, Stadtgesundheitsamt in Zusammenarbeit mit freien Trägervereinen)
- Gemeinsame Informationsaktionen auf Volksfesten und anderen öffentlichen Festveranstaltungen, z. B. Museumsuferfest (Stadtgesundheitsamt, Geschäftstelle des Präventionsrates und Verein Jugendberatung und Jugendhilfe e.V.)
- Suchtbriefkasten zur Internet-Information und Kommunikation: www.suchtbriefkasten-frankfurt.de (Stadtgesundheitsamt)
- Erstellung und Verteilung von Broschüren für Jugendliche, Lehrer und Eltern zum Thema Alkohol/Sucht und zu Alcopops (Stadtgesundheitsamt)
- Verteilung des Jugendschutzgesetzes an alle Frankfurter Schulen, Freizeiteinrichtungen für Kinder- und Jugendlichen, ebenso an Kindertagesstätten (Jugend- und Sozialamt).
- Erstellen und Verteilen von Flyern zu Alcopops an Frankfurter Tankstellen und Kiosken (Jugend- und Sozialamt).
- Erstellung einer zeitgemäßen Internetseite für Jugendlichen zu allen Fragen rund um das Thema Alcopops www.DROP-ALCO-POPS.com (Jugend- und Sozialamt).
(2) Beratung von Einzelpersonen und Organisationen
Einzelpersonen und Organisationen (z. B. Schulen) erhalten auf Wunsch eine Beratung oder Informationen (z. B. Vorträge, Suchtbriefkasten) zum Thema Alkohol und Alcopops. (Stadtgesundheitsamt, externe Organisationen, z. B. Verein Jugendberatung und Jugendhilfe (JJ) e. V.)
(3) Sonderprojekte (Bsp. HaLT)
Das Bundesmodellprojekt "Hart am Limit" (HaLT) trägt der Tatsache Rechnung, dass in den letzten Jahren eine stark zunehmende Zahl von Kindern und Jugendlichen mit Alkoholvergiftungen in Krankenhäuser eingewiesen werden. Dort werden sie von Sozialarbeitern aufgesucht, die eine Beratung für die betroffenen Kinder bzw. Jugendliche und deren Eltern anbieten und ggf. eine Vermittlung in weitere Hilfemaßnahmen organisieren (reaktiver Teil). Außerdem soll über regionale, massenmediale oder gruppenorientierte Aktivitäten ein stärkeres Bewusstsein für die spezifischen Risiken des Alkoholkonsums und dessen kurz- wie langfristigen Folgen geschaffen werden (proaktiver Teil). In Frankfurt am Main hat das Projekt im November 2004 begonnen, der reaktive Teil wird in Zusammenarbeit mit dem Bürgerhospital, den Frankfurter Rettungsdiensten, dem Verein Jugendberatung und Jugendhilfe e. V. (JJ) und dem Stadtgesundheitsamt durchgeführt, der proaktive Teil wird vom Stadtgesundheitsamt in Zusammenarbeit mit dem Verein JJ durchgeführt.
(4) Kommunale Satzungen, Vorschriften und Selbstbindungen
In der Stadt Frankfurt am Main besteht ein Alkoholverbot auf allen Spielplätzen.
Die Stadt Frankfurt am Main macht keine Verträge mit Sponsoren, die mit Alkopops in Verbindung stehen (z.B. Partys mit dem Namen eines Premix-Getränkes)
(5) Kontrollmaßnahmen
In enger Abstimmung wird die Polizei in Zusammenarbeit mit städtischen Dienststellen auf Volksfesten (Museumsuferfest u.a.) verstärkt unangekündigte Jugendschutzkontrollen durchführen.
(6) Regionale Vernetzung
Im Jahre 2004 hat die Geschäftsstelle des Präventionsrates das Regionale Handlungsprogramm Alkopops in Zusammenarbeit mit den Städten und Landkreisen der Region erarbeitet und einvernehmlich verabschiedet. Es gibt den Akteuren der Suchtprävention und des Jugendschutzes wichtige Handlungsempfehlungen und wird durch die Regionalkonferenz Sicherheit + Prävention fortgeschrieben.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
Dezernate Gesundheit, Brandschutz, Wirtschaft und Recht; Dezernat Soziales und Jugend;Dezernat Planung und Sicherheit
Maßnahmen bei Konzessionsvergabe, Testkäufe, Unterstützung von Gewerbetreibenden durch Informationsbroschüren, Infoplakaten/Schilder
Aktionstage an Schulen,Stadteilbegehungen,Veranstaltungskontrollen,sozialpädagogische Betreuung von Kindern mit Alkoholvergiftung
Präventionsrat der Stadt Frankfurt und Ju-gendberatung und Jugendhilfe
Gesundheitsamt und Präventionsrat
Gesundheitsamt und Präventionsrat
HLS und DHS, BZGA, Krebsforschungszentrum Heidelberg
- Siehe Frankfurter Programm gegen Alkopops und Alkohohlkonsum Jugendlicher
- HALT (Bundesprojekt) reaktiver Anteil
- HALT (Bundesprojekt) proaktiver Anteil, Aktionen auf Großveranstaltungen
- Heroinstudie (Bundesprojekt) – Verringerung von Alkoholkonsum im Rahmen der Sucht
- Vom Stadtgesundheitsamt entwickelte Broschüren zum Thema Alkohol und Sucht (Anlagen)
In Vorbereitung mit dem Rhein Main Jobcenter
Aktionen und Aufklärungsarbeit in Schulen