Freie Hansestadt Bremen

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Foto von der Preisverleihung durch Prof. Dr. med. Heidrun Thaiss (BZgA) an die Freie Hansestadt Bremen © BZgA, Foto: Christoph Petras/pr bild
Preisverleihung durch Prof. Dr. med. Heidrun Thaiss (BZgA) an die Freie Hansestadt Bremen © BZgA, Foto: Christoph Petras/pr bild

Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation

Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick

Einwohnerzahl 569.3521
Bundesland Bremen
Titel des Beitrags Wilde Bühne e.V. Bremen, Theaterstücke zu den Themen Risiko und Grenzerfahrung
Schwerpunkt des Beitrags Theaterpädagogisch basierte Suchtprävention für die Zielgruppe Jugendliche. Mit einem thematisch vielfältigen Angebot an interaktiven Theaterstücken werden Probleme und Entscheidungssituationen von Jugendlichen dargestellt, die in Zusammenarbeit mit dem Publikum reflektiert und im Hinblick auf alternative Verläufe weiterentwickelt und durchgespielt werden. Die Wilde Bühne e.V. besteht aus ehemals von Sucht betroffenen Schauspielerinnen und Schauspielern.
Einzelprojekte „Dein Spiel am Limit“ – Ein interaktives Theaterstück zu den Themen „Risiko“ und „Grenzerfahrung“.
Kontakt Dr. Oliver Peters
Freie Hansestadt Bremen
Landesinstitut für Schule
Referent in der Gesundheit und Suchtprävention
Am Weidedamm 20
28215 Bremen
Tel.: +49 431 361-8314
E-Mail: opeters@lis.bremen.de

1 Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden den folgenden Quellen entnommen: Gemeindeverzeichnis-Online sowie "Daten aus dem Gemeindeverzeichnis.Kreisfreie Städte und Landkreise nach Fläche, Bevölkerung und Bevölkerungsdichte. Statistisches Bundesamt, 2019". Beide Quellen beziehen sich auf den Stichtag 31.12.2018.

Anlass und Ausgangssituation

In Bremen ist die kommunale Suchtprävention bereits seit den 1990er-Jahren im Referat Gesundheit und Suchtprävention des Landesinstituts für Schule (LIS) angesiedelt. Damit wurde die Suchtprävention bewusst von der Suchtberatung getrennt und im Bildungsressort verortet. Dies sichert gute Zugänge zu Schulen und damit zur Zielgruppe Schülerinnen und Schüler sowie zu Multiplikatoren.

Das Referat setzt in Schulen vor allem auf lebenswelt- und lebenskompetenzorientierte Projekte, die die Zielgruppen ganzheitlich und auf ihre jeweiligen Problemstellungen bezogen erreichen. Die Wilde Bühne e.V. – ein Theaterensemble ehemals drogenabhängiger Menschen – ist vom Referat beauftragt, Teile dieser Projekte umzusetzen, und ist in ausgewiesenen Projekten Bestandteil der Projektarbeit.

Grundlage für die konzeptionelle Entwicklung der Theaterprojekte ist eine regelmäßige Bedarfsanalyse zu suchtpräventiven Maßnahmen, die das LIS erstellt. Hier werden die Ergebnisse z.B. der Schulbus-Studie Bremen (Erhebung von Konsummustern substanzbezogener und nicht substanzbezogener Drogen in Bremen) und Erkenntnisse aus der Arbeit der unterschiedlichen Gremien zu Sucht- und Jugendfragen zusammengetragen (z.B. Arbeitskreis Mediensucht, Arbeitskreis Suchtprävention, Koordinierungsausschuss Sucht, Fachausschuss Sucht). Zusätzliche Informationen über einzelne, besonders die Suchtprävention betreffende Problemlagen erhält das LIS durch die enge Vernetzung mit den Bremer Schulen.

Konzeption und Ziele

Im Auftrag des Landesinstituts für Schule, Referat Gesundheit und Suchtprävention, bietet die Wilde Bühne e.V. mehrtägige Präventionsveranstaltungen für Schüler*innen (ab 7. Klasse) sowie einzelne interaktive Theaterstücke zum Thema Suchtmittelmissbrauch an. Zu den Präventionsveranstaltungen zählen u.a. das Projekt „Design Your Life“ (Projekt zu Suchtprävention, Lebenskompetenz, Gesundheit und Lifestyle für Schulen, Berufsschulen, Auszubildende der Stadtwerke Bremen und Tagungen) sowie Sonderaufführungen zu spezifischen Themen wie Spielsucht, exzessiver Mediengebrauch und Essstörungen. Zu den interaktiven Theaterstücken zählt u.a. das Stück „Dein Spiel am Limit“.

Das Ziel ist es, die Jugendlichen zu motivieren, auf Krisensituationen nicht eskapistisch zu reagieren, sondern verschiedene Handlungsoptionen und unterschiedliche Hilfsangebote zu erkennen sowie situationsabhängige Lösungsansätze zu entwickeln.

Vorgehen und Umsetzung

Die Stücke der Wilden Bühne e.V. fokussieren typische Konfliktsituationen von Jugendlichen. Zusammen mit den Schüler*innen werden der sich durch familiäre Krisen, Einfluss der Bezugsgruppe oder Gruppenzwang ergebende Konsum gesundheitsschädigender Substanzen und weitere suchtaffine Verhaltensmuster problematisiert. Zur inhaltlichen Ausgestaltung der interaktiven Theaterstücke stehen verschiedene Themenschwerpunkte zur Wahl, unter anderem die Themen Alkohol, Alkohol und Gewalt, Alkohol und Gruppendruck, Cannabis, selbstverletzendes Verhalten, Geschwindigkeitsrausch durch illegale Autorennen und Hirndoping zur Leistungssteigerung in der Schule. Die Kurzgeschichten werden von Schauspieler*innen der Wilden Bühne e.V., die ehemals selbst von Sucht betroffen waren, inszeniert.

Nach den einzelnen Szenen sind die Schüler*innen aufgefordert, in den Spielverlauf einzugreifen. Dabei sollen nicht nur die Entscheidungen des Protagonisten eines Stücks überdacht, sondern auch das Verhalten von Eltern oder Freunden ersetzt werden (systemischer Ansatz). Dadurch sollen die Jugendlichen dazu motiviert werden, in Konfliktsituationen nicht nur sich selbst zum Gegenstand der Konfliktsituation zu machen und die Schuld für die Entwicklung von schädigenden Konsum- und Verhaltensmustern beim Einzelnen zu suchen, sondern sich eingebunden in ein System zu erleben, das Unterstützung und Hilfe leisten kann (Empowerment).

Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Veranstaltungen erfolgen vor Projektbeginn, unmittelbar danach sowie mit mehrwöchigem Abstand Abfragen des Konsumverhaltens der Schüler*innen. Außerdem werden die Zahlen der teilnehmenden Schüler*innen, ihr Feedback zu den Veranstaltungen sowie die Einschätzung der Lehrkräfte zur Wirkung der Projekte erhoben. Im Ergebnis zeigt sich, dass die Arbeit der Wilden Bühne e.V. die Haltung der Jugendlichen in den meisten Fällen verändert und zu einer Reduzierung des Konsums von Suchtstoffen beiträgt. Zudem findet einmal im Jahr ein gemeinsamer Termin zwischen dem Referat Gesundheit und Suchtprävention und der Wilden Bühne e.V. zur Auswertung der Aktivitäten des Theatervereins statt.

Die Konzepte der einzelnen Projekte sind in den letzten Jahren von Mitarbeiter*innen des Referats Gesundheit und Suchtprävention in enger Kooperation und unter Einbeziehung ihrer fachlichen Qualifikation mit der Wilden Bühne e.V. entwickelt worden.. Ebenso bezieht die Wilde Bühne e.V. die suchtpräventive Fachkompetenz des Referats Gesundheit und Suchtprävention in die Konzeption und Entwicklung ihrer Stücke ein.

Ein Kooperationsvertrag mit dem Referat Gesundheit und Suchtprävention am Landesinstitut für Schule (LIS) regelt, in welchem Umfang die Wilde Bühne e.V. mit diesem und weiteren Stücken die suchtpräventiven Ziele des LIS umsetzt. Das Referat Gesundheit und Suchtprävention übernimmt anteilig durch Zuschüsse aus dem Haushalt der Suchtprävention die finanzielle Absicherung der Arbeit der Wilden Bühne e.V. und erarbeitet zusätzlich Kooperationsverträge mit Krankenkassen. Die Wilde Bühne e.V. ist Bestandteil der regelmäßigen Koalitionsverhandlungen in Bremen. Daher gilt die Kooperation als mittelfristig gesichert und längerfristig sehr wahrscheinlich.

Begründung der Prämierung

Das Referat Gesundheit und Suchtprävention am Landesinstitut für Schule (LIS) setzt den Auftrag der Bürgerschaft, Schulen suchtpräventiv inhaltlich zu fördern und zu beraten, auch mit lebenswelt- und lebenskompetenzorientierten Projekten um, die die Zielgruppen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ganzheitlich und auf ihre jeweiligen Problemstellungen bezogen erreichen. Für diese Arbeit leistet die Wilde Bühne e.V. einen wichtigen Beitrag. Durch die eigene Sucht-Betroffenheit der Schauspieler*innen der Wilden Bühne e.V. hat die theaterpädagogische Arbeit eine authentische Wirkung auf Jugendliche und einen starken Vorbildcharakter.

Die Arbeit basiert auf einer fundierten Bedarfsanalyse, nämlich der Auswertung von Studien und den Erkenntnissen aus der Arbeit der unterschiedlichen Gremien zu Sucht- und Jugendfragen. Zudem bekommt das Institut durch seine gute Vernetzung in die Bremer Schullandschaft zuverlässige Informationen über aktuelle Probleme der Suchtprävention. So kann sehr nah an den Themen der Zielgruppen festgelegt werden, welche Fragen und Suchtformen thematisiert und welche Wirkungen bzw. Veränderungen im Verhalten der Zielgruppe Jugendliche erreicht werden sollen.

Der partizipative Charakter der Präventionsmaßnahme ist besonders hervorzuheben. Die direkte Beteiligung der Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Verlauf und der Ausgestaltung der inszenierten Geschichte fördert eine intensive Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema. So wird die Zielgruppe gefordert, eigene Ideen in die Improvisationstheaterstücke einzubringen und die Rahmenbedingungen und das Verhalten anderer Einflusspersonen und -faktoren zu reflektieren. Auf diese Weise werden die Stärkung der Selbstwirksamkeit und die Förderung von Lebenskompetenzen mit der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Spielregeln und Hilfsangeboten verknüpft, also Verhaltens- und Verhältnisprävention angesprochen.

Die Wirksamkeit der entwickelten Theaterformate wird nach jeder Inszenierung überprüft. Die Rückmeldungen der Schüler*innen und Lehrkräfte ermöglichen eine kontinuierliche Anpassung der Formate. Zwischen dem Referat Gesundheit und Suchtprävention und der Wilden Bühne e.V. gibt es in allen Phasen der Projektumsetzung eine intensive Zusammenarbeit. So wird gewährleistet, dass das größtmögliche Fachwissen in die suchtpräventiven Maßnahmen einfließt und deren hohe Qualität sichert. Die kontinuierlich steigende Nachfrage nach den Angeboten der Wilden Bühne e.V. belegt den Erfolg der Arbeit.

Der Stellenwert der Wilden Bühne e.V. in der suchtpräventiven Arbeit zeigt sich auch darin, dass sie Bestandteil der neu entwickelten Konzeption des Referats Gesundheit und Suchtprävention ist, die 2020 vorliegen wird. Durch einen gesonderten, alle Leistungen umfassenden Kooperationsvertrag wird die Arbeit der Wilden Bühne e.V. für den suchtpräventiven Auftrag in Bremen gesichert. Das Referat Gesundheit und Suchtprävention sorgt für eine teilweise finanzielle Absicherung der Arbeit durch Zuschüsse aus dem Haushalt der Suchtprävention und erarbeitet zusätzlich Kooperationsverträge mit Krankenkassen. Die Kooperation mit der Wilden Bühne e.V. ist Teil der Koalitionsverhandlungen in Bremen, auch dies verdeutlicht die Relevanz und starke politische Unterstützung dieses Akteurs in der suchtpräventiven Arbeit Bremens.

Zum Originalwettbewerbsbeitrag der Freien Hansestadt Bremen.