Stadt Bielefeld

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Foto von der Preisverleihung durch Gernot Kiefer (GKV-Spitzenverband) an die Stadt Bielefeld © BZgA, Foto: Christoph Petras/pr bild
Preisverleihung durch Gernot Kiefer (GKV-Spitzenverband) an die Stadt Bielefeld © BZgA, Foto: Christoph Petras/pr bild

Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation

Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick

Einwohnerzahl 333.7861
Bundesland Nordrhein-Westfalen
Titel des Beitrags walk in – ein Waldkinderprojekt für Kinder aus suchtbelasteten Familien
Schwerpunkt des Beitrags Gruppenangebot für max. acht Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren aus suchtbelasteten Familien. Einmal pro Woche können die Kinder für drei Stunden durch das Spielen im Wald neue Erfahrungen machen, die von ihrem täglichen, teilweise belasteten Leben abweichen. Zusätzlich werden Ferienangebote, Eltern-Kind-Angebote und reine Eltern-Angebote durchgeführt.
Kontakt Thomas Niekamp
Stadt Bielefeld
Sozialdezernat
Sucht- und Drogenhilfekoordinator
Niederwall 23
33597 Bielefeld
Tel.: +49 521 51-6279
E-Mail: Thomas.Niekamp@bielefeld.de
1 Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden den folgenden Quellen entnommen: Gemeindeverzeichnis-Online sowie "Daten aus dem Gemeindeverzeichnis.Kreisfreie Städte und Landkreise nach Fläche, Bevölkerung und Bevölkerungsdichte. Statistisches Bundesamt, 2019". Beide Quellen beziehen sich auf den Stichtag 31.12.2018.

Anlass und Ausgangssituation

Ausgehend von der Zahl der drogenabhängigen Personen in Bielefeld leben nach vorsichtigen Schätzungen ca. 250 minderjährige Kinder mit mindestens einem von illegalen Drogen abhängigen Elternteil in der Stadt. Für die Abhängigen steht ein sehr gut funktionierendes und aufeinander abgestimmtes Hilfesystem zur Verfügung. Kinder aus suchtbelasteten Familien stehen dagegen nicht explizit im Fokus des Drogenhilfesystems. Infolge der Suchtkrankheit der Eltern müssen Kinder in diesen Familien häufig Funktionen übernehmen, die üblicherweise den Erziehungsberechtigten obliegen. So kümmern sie sich um jüngere Geschwister, übernehmen Aufgaben im Haushalt und sind für die Eltern emotionale Stützen. Für Kinder suchtkranker Eltern besteht in weit höherem Maße als bei ihren Altersgenossen die Disposition, selbst drogenabhängig zu werden oder eine psychische Krankheit zu entwickeln. Sie haben außerdem ein weit höheres Risiko, Beziehungen mit Suchtmittelabhängigen einzugehen. Der Bedarf der Kinder an Aufmerksamkeit, Zuwendung und Geborgenheit ist groß, da auch in ihrem Leben die Sucht der Bezugspersonen bestimmend ist und häufig wenig Raum für ihre eigene kindgerechte Entwicklung bleibt.

Konzeption und Ziele

Ziel des Projekts „walk in“ ist es, die Resilienzen der Kinder aus Risikofamilien zu stärken und neue Strategien und Handlungswege im Umgang mit ihrer Alltagssituation zu finden. In der Projektkonzeption steht der Gedanke im Vordergrund, den Kindern durch den Erlebnisort „Wald“ vielfältige Möglichkeiten zum Spielen und Entdecken, zum Lernen und Bewegen zu zeigen und so ein Gegengewicht zum städtischen Spiel- und Lebensraum anzubieten. Wichtige Bausteine sind gemeinschaftliche Aktionen wie singen, erzählen, Feste feiern, aber auch Pflege und Ernte im selbst angelegten Gemüsebeet oder das Erlernen des achtsamen Umgangs mit der Natur, Tieren und im Miteinander.

Vorgehen und Umsetzung

In einer Projektphase von 2009 bis 2012 wurde das Projekt „walk in“ getestet und evaluiert und ist seitdem Bestandteil des Suchtpräventionskonzeptes der Stadt Bielefeld. Die Begegnung mit der Natur soll als eine Alternative zu den Erlebnissen mit Computer, Spielkonsole und Fernseher erfahren werden. Die Kinder werden nachmittags zu Hause oder von der Schule abgeholt und nach Beendigung der Aktivitäten wieder in die Familien gebracht. Tür- und Angel-Gespräche sowie Familienwochenenden mit den Eltern werden genutzt, um deren Erziehungskompetenzen zu stärken.

Inzwischen haben 90 Kinder am Angebot teilgenommen, und die Nachfrage ist nach wie vor sehr hoch. Die pädagogische Betreuungsstelle wird durch die Mittel der Stadt im Rahmen ihrer Suchtpräventionsarbeit finanziert, Sachmittel werden durch Spenden aufgebracht.

Begründung der Prämierung

Die Stadt schafft ein Angebot für die besonders vulnerable Gruppe der Kinder aus suchtbelasteten Familien. Diese Kinder sind gefährdet, selbst eine Suchterkrankung zu entwickeln, sie machen vielfach Erfahrungen, die sie überfordern, und erleben kaum Kindheit. Das Projekt „walk in“ holt Kinder aus suchtbelasteten Familien aus ihrem Alltag heraus und ermöglicht ihnen, stabile Beziehungen zu anderen Personen – Gleichaltrigen sowie Erzieher*innen – durch regelmäßige gemeinsame Erfahrungen aufzubauen. Das Konzept „Waldspaziergang“ erscheint geeignet, langfristig Vertrauen zu neuen Bezugspersonen zu schaffen, die geeignete Hilfe und Unterstützung anbieten können.

Zugleich können die Erziehungsberechtigten angesprochen werden. Durch das Abholen und Bringen der Kinder bieten sich regelmäßige Möglichkeiten, „Tür- und Angel-Gespräche“ zu führen und darüber einen niedrigschwelligen Kontakt zu den Eltern herzustellen. Ergänzend werden Familienwochenenden angeboten, so dass vielfältige Gelegenheiten entstehen, die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken. Das Projekt ist längerfristig angelegt, so dass die Möglichkeit besteht, kontinuierlich mit der Zielgruppe der Kinder, aber auch ihren Eltern zu arbeiten. Durch ein niedrigschwelliges Angebot entstehen nachhaltige Strukturen, die ihren festen Platz in der Suchtpräventionsarbeit der Stadt Bielefeld haben.

Zum Originalwettbewerbsbeitrag der Stadt Bielefeld.