Stadt Dessau-Roßlau

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Foto der Preisträgerinnen und der Auslober des Wettbewerbs, ©BZgA, Foto: Christian Hahn, Berlin
Foto der Preisträgerinnen und der Auslober des Wettbewerbs, ©BZgA, Foto: Christian Hahn, Berlin

Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation

Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick

Einwohnerzahl 83.0611
Bundesland Sachsen-Anhalt
Titel des Beitrags "Du fühlst Dich wie ein Splitter …" Crystal Meth - Aufklärung und Prävention in Dessau-Roßlau
Schwerpunkt des Beitrags Die Stadt Dessau-Roßlau hat seit 2010 ein Projekt zur Crystal-Meth-Prävention mit mehreren aufeinander aufbauenden Teilprojekten entwickelt.
Einzelprojekte
  1. DVD-Aufklärungsfilm "Du fühlst Dich wie ein Splitter …" - Interviews mit Crystal-Meth-Konsumenten in Dessau-Roßlau
  2. Crystal-Methodenkoffer zur Crystal-Prävention
  3. Bewegung ist Belebung - Turnhallenprojekt für Crystal-Konsumenten und andere
Kontakt Susen Thielemann
Stadt Dessau-Roßlau
Koordination von Prävention und Jugendschutz
Zerbster Straße 4
06844 Dessau-Roßlau
Tel.: + 49 340 204-1951
E-Mail: susen.thielemann@dessau-rosslau.de

1 Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden der folgenden Quelle entnommen: Bertelsmann Stiftung: Wegweiser Kommune, www.wegweiser-kommune.de (Abruf April 2016); die Zahlen beziehen sich auf den Stand vom 31.12.2014.

Anlass und Ausgangssituation

Seit 2010 beschäftigt sich die Koordinierungsstelle für Prävention und Jugendschutz der Stadt Dessau-Roßlau ausgehend von ersten Impulsen und Rückmeldungen durch Streetworker und Suchtberatungsstellen mit der Problematik Crystal Meth. Dabei wurde sehr schnell klar, dass sich die Crystal-Problematik - nicht zuletzt aufgrund der relativen Nähe Dessau-Roßlaus zur tschechischen Grenze und damit zu den Wegen des Crystal-Handels - in der Stadt etabliert und Handlungsbedarf besteht. Diese Einschätzung wurde durch die erst zögerlich und dann rasch ansteigenden Beratungszahlen für Crystal-User bestätigt.

Konzeption und Ziele

Die chemische Formel von Crystal-MethVor diesem Hintergrund wurde Crystal-Prävention zunächst ganz allgemein als Thema in die regelmäßig fortgeschriebene Präventionskonzeption der Stadt eingebunden. Nach und nach wurde auf diesen ersten Überlegungen aufbauend ein Projekt zur Crystal-Prävention mit mehreren Bausteinen entwickelt, die im Beitrag als Einzelprojekte vorgestellt werden. Mit dem Projekt und seinen Bausteinen werden insbesondere folgende Ziele verfolgt:

  • Information und Aufklärung von Fachleuten und Bürgerinnen und Bürgern über Crystal-Konsum und seine Folgen,
  • Entwicklung von methodischem Material zur Crystal-Prävention,
  • Schaffung von Kontaktmöglichkeiten für Crystal-Konsumenten zum Streetwork-Bereich.

Vorgehen und Umsetzung

Projektarbeit zu CrystalMethDie folgenden Bausteine des Projekts zur Crystal-Meth-Prävention wurden nach und nach und aufeinander aufbauend und abgestimmt von der Koordinierungsstelle für Prävention und Jugendschutz gemeinsam mit dem Streetwork-Bereich der Stadt Dessau-Roßlau entwickelt.

  • DVD-Aufklärungsfilm "Du fühlst Dich wie ein Splitter …": Interviews mit Crystal-Meth-Konsumenten in Dessau-Roßlau: Mit diesem Kurzfilm mit und über Crystal-Konsumenten sollten vor allem zwei Ziele erreicht werden. In erster Linie ging es darum, die Crystal-Konsumenten einzubinden und zur Reflexion anzuregen. Darüber hinaus dient der Film dazu, Erwachsene in Dessau-Roßlau über Crystal Meth und dessen Konsum zu informieren und aufzuklären. Das Video wird bei Weiterbildungen (u.a. schulinterne Lehrerfortbildungen, Weiterbildungen von Polizei, Justiz und medizinischem Personal in Allgemeinpraxen) eingesetzt, um ungewöhnliche Verhaltensmuster und Anzeichen im Zusammenhang von Crystal als solche zu erkennen und einordnen zu können. Ermöglicht wurde der Film durch die jahrelange Beziehungsarbeit einer Streetworkerin; diese Arbeit schaffte die Vertrauensbasis dafür, dass die Crystal-Konsumenten sich - anonym - vor der Kamera äußerten.
  • Crystal-Methodenkoffer zur Crystal-Prävention: Im "Crystal-Methodenkoffer" sind verschiedene Präventionsansätze mit entsprechenden Materialien zusammengestellt. Zu den Materialien zählen unter anderem Themenkärtchen zum Crystal-Konsum, die von ehemaligen und aktuellen Crystal-Konsumenten in mehreren intensiven Einzelworkshops unter Anleitung einer Streetworkerin erarbeitet wurden. Je nach Zielgruppe kommen die verschiedenen Materialien zum Einsatz. Für jede Zielgruppe gibt es ein spezielles Manual innerhalb des Koffers. Mit dem Koffer soll das gesamte Lebensumfeld von Crystal-Konsumenten, potenziellen Crystal-Konsumenten sowie gefährdeten Jugendlichen angesprochen werden. Zielgruppen sind daher Lehrerinnen und Lehrer, Pädagoginnen und Pädagogen, weitere Fachleute, Erziehungsberechtigte und Jugendliche.
  • Bewegung ist Belebung - Turnhallenprojekt für Crystal-Konsumenten und andere: Das selektive Präventionsangebot "Bewegung ist Belebung" richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die mit Drogen in Kontakt kommen können, die mit Drogen experimentieren und die Drogen missbräuchlich konsumieren. Die Projektidee besteht darin, den Betroffenen ein sportliches Angebot zu unterbreiten und ihnen so wieder zu mehr Aktivität zu verhelfen. Die selektive präventive Intervention zielt auf die Verhinderung des Suchtmittelkonsums durch Stärkung von Schutzfaktoren wie Selbstwertgefühl und Problemlösungskompetenz sowie durch Unterstützung im richtigen Umgang mit Risikofaktoren, wie z.B. einem Umfeld, in dem Drogen konsumiert werden. Im Projekt sollen die Betroffenen auf spielerische Weise wieder lernen, Verantwortung zu übernehmen, ihren Körper wieder wahrzunehmen, ihr Körperbewusstsein zu stärken und neues Durchhaltevermögen zu entwickeln. Für die Ausgestaltung des Projektes wird die Turnhalle auf dem Gelände einer Suchtberatungsstelle genutzt. Der Standort bietet auf diese Weise die Möglichkeit, den Zugang zur Beratungsstelle niedrigschwellig zu gestalten.

Begründung der Prämierung

Projektarbeit zu CrystalMethDer Beitrag ist in verschiedener Hinsicht innovativ: Mit Crystal Meth konzentriert sich der Beitrag auf einen Suchtstoff, der bislang bei suchtpräventiven Aktivitäten noch wenig in den Blick genommen wird. Mit den filmisch aufbereiteten Interviews von Crystal-Meth-Konsumenten wurde ein neuer Zugangsweg zur Zielgruppe entwickelt. Gleichzeitig werden mit der Einbeziehung von Crystal-Meth-Konsumenten in das Filmprojekt neue Wege zur Beteiligungsförderung beschritten. Schließlich werden mit medizinischem Personal in Allgemeinarztpraxen und Gefängnispersonal Akteure eingebunden, die eher selten in Suchtpräventionsansätze einbezogen werden.

Besonders zu würdigen ist die spezifische Ausrichtung des Beitrags auf unterschiedliche Zielgruppen. Bei der Zielgruppe Eltern ist als Schwerpunkt Information und Sensibilisierung angestrebt. Bei den Fachleuten, die vermehrt mit Konsumenten von Crystal in Berührung kommen, aber bisher eher weniger bei der Prävention bedacht wurden (z.B. Gefängnispersonal und Arzthelferinnen), liegt der Schwerpunkt ebenfalls auf Informationen, aber auch auf Erkennen und im Rahmen der jeweiligen Aufgaben angemessenem Handeln. Für die Prävention in Schulen wurde als Schwerpunkt das Entwickeln von Materialien anvisiert, um die Jugendlichen zur Reflexion über Crystal-Konsum anzuregen.

Auch das Prozesshafte des Beitrags ist beeindruckend: Das Präventionsprojekt erlebte eine Weiterentwicklung von der bloßen Information (Einzelprojekt 1) hin zur methodisch unterstützten Prävention (Einzelprojekt 2) bis zum niedrigschwelligen Angebot für "User" und "Usernahe" Personen (Einzelprojekt 3).

Das Crystal-Meth-Präventionsprojekt ist in ein flankierendes Netzwerk von ordnungsrechtlichem Jugendschutz mit dem Ordnungsamt und dem Netzwerk für Kindergesundheit mit dem Gesundheitsamt sowie in die Konzeption zur Koordination von Prävention und Erzieherischem Kinder- und Jugendschutz der Stadt Dessau-Roßlau eingebunden.

Hervorzuheben ist der Transfergehalt des Beitrags: Der Aufklärungsfilm "Du fühlst Dich wie ein Splitter …" wurde allen Fachstellen zur Suchtprävention des Landes Sachsen-Anhalt zur Verfügung gestellt, zudem wurde ein Manual zum Umgang mit dem Film entwickelt.

 

Zum Originalwettbewerbsbeitrag der Stadt Dessau-Roßlau.