Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Titel des Wettbewerbsbeitrags
Kurzfassung des Wettbewerbsbeitrags
Das Programm "Alles Sucht - oder was?" richtet sich an Förderschüler*innen der 6. bis 8. Klassen. Die Zusammenarbeit mit den Schulklassen erfolgt kontinuierlich in regelmäßigen Terminen à 90 Minuten und beinhaltet die Auseinandersetzung mit Grundlagen zum Thema Sucht, mit Verhaltenssüchten und Abhängigkeit von legalen und illegalen Substanzen. Die Gefahren und Risiken der einzelnen Substanzen werden aufgezeigt und diskutiert und Konsumreflexionen durchgeführt. Im Verlauf des Projektes werden mit den Schüler*innen individuelle Challenges wie bspw. Verringerung der Medienzeit oder mit dem Rauchen aufzuhören, vereinbart, kontinuierlich überprüft, ausgewertet und angepasst.
Jedes Schuljahr endet mit einer Aktion, in der die Schüler*innen ihre Lern- und Arbeitsergebnisse selbst präsentieren und personalisierte Ausweise (Klasse 6: bronze, Klasse 7: silber, Klasse 8: gold) erhalten.
In einem von den Teilnehmenden jährlich ausgefüllten Auswertungsbogen erhielt das Projekt bisher eine Durchschnittsnote von 1,2.
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Anlass und Ausgangssituation
Bereits vor der Entstehung des Projektes kooperierten Träger der Jugendhilfe für vereinzelte Veranstaltungen mit den Lernförderschulen der Stadt Leipzig. In der gemeinsamen Reflexion dieser Angebote wurde deutlich, dass für diese Zielgruppe andere Angebote nötig sind. Nach eingehender Recherche stellte sich heraus, dass es deutschlandweit nur sehr wenige suchtpräventive Projekte für Lernförderschüler*innen gibt.
Nach ausführlicher Hospitation im Fach "Soziales Lernen" einer Lernförderschule mit genauer Beobachtung, welche Form von Angeboten gewinnbringend ist und welche besonderen Bedarfe es (bspw. in Bezug auf die Lesefähigkeit und notwendige Wiederholungen) gibt, wurde das Projekt im Jahr 2016 neu entwickelt und die Materialien aus anderen Projekten angepasst.
Konzept, Ziele, Zielgruppen
Die Zielgruppe des Projektes sind Lernförderschüler*innen von der 6. bis zur 8. Klassenstufe. Pro Klassenstufe finden sechs bzw. sieben Veranstaltungen in den Schulen statt. Das Projekt ist beim freien Träger Diakonisches Werk Innere Mission Leipzig e.V. angegliedert und wird von den Fachkräften des Projektes Drahtseil durchgeführt. Es ist ein kontinuierliches Projekt, das an festen Kooperationsschulen auf Basis Kooperationsvereinbarungen stattfindet. Aktuell nehmen 125 Schüler*innen teil.
Ziele des Projektes sind die Vermittlung von grundlegendem Wissen zu Substanzen, Verhalten und Abhängigkeit und und die Reflexion des Konsumverhaltens sowie die verantwortungsbewusste Veränderung von Konsummustern. Weiterhin sollen die Bereitschaft zum Erstkonsum und/ oder Missbrauch von Drogen und/oder riskantem Verhalten gesenkt werden sowie Lebenskompetenzen gefördert werden.
Das Konzept fußt auf folgenden Theorien:
- Risiko- und Schutzfaktorenmodell, Resilienzperspektive
- Theorie des geplanten Verhaltens und sozial-kognitive Lerntheorie
- Sozialer-Einfluss-Modell
Vorgehen und Umsetzung
Die einzelnen Programmeinheiten werden durch Mitarbeitende von Drahtseil vor Ort in den jeweiligen Schulen mit den Schüler*innen sowie ihren Lehrkräften umgesetzt. Im Laufe der Veranstaltungen zu je 90 Minuten nimmt die Bearbeitungstiefe fortlaufend zu.
In der 6. Klasse erarbeiten die Teilnehmenden in sechs Veranstaltungen u.a. erste Wissensgrundsteine zum Begriff Sucht allgemein und zu Verhaltenssüchten. Ein Schwerpunkt liegt bei der Prävention exzessiven Medienkonsums und der Stärkung der Medienkompetenz der Schüler*innen. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Themen Gesunde Ernährung und Essstörungen (nach Bedarf findet hier eine geschlechtsspezifische Trennung der Gruppe statt). Zum Abschluss werden in Kleingruppen Plakate zu verschiedenen, von den Teilnehmenden selbst gewählten Themen gestaltet und diese nach der dazugehörigen Präsentation und der feierlichen Übergabe der Bronzeausweise im Schulhaus aufgehängt.
In der siebten Klasse wird im Verlauf von sieben Veranstaltungen das Thema legale Drogen (Nikotin & Koffein) in den Vordergrund gerückt. Die Auseinandersetzung beinhaltet auch eine Konsumreflexion. Die inhaltlichen Themen werden mit Hilfe von interaktiven Projekten (z.B. Radiobeitrag, Comics, Simple Show) wiederholt. Zum gemeinsamen Abschluss wird ein Spiel gespielt und eine Präsentation erarbeitet, zu der die Erziehungsberechtigten und andere Bezugspersonen eingeladen sind, und die Silber-Ausweise werden feierlich übergeben.
Die Schüler*innen der 8. Klassen setzen sich über acht Veranstaltungen hinweg hauptsächlich mit den Substanzen Alkohol und Cannabis auseinander. Hierbei werden die Gefahren und Risiken der einzelnen Substanzen aufgezeigt und diskutiert und wiederum wird eine Konsumreflexion durchgeführt. Zum Abschluss des Schuljahres präsentieren die Teilnehmenden ihr erworbenes Wissen in Form einer Schulaktion (Pausenaktion, Quiz, etc.) für die 6. Klassen. Für ihre erbrachten Leistungen erhalten sie zuletzt den goldenen Ausweis.
Mit Beginn des Projektes erhalten die Schüler*innen ein Arbeitsheft, in dem während der Projekteinheiten sowie in den Zeiten zwischen den Veranstaltungen angeleitet durch die Lehrkräfte und Schulsozialarbeitenden gearbeitet wird. Ein Maskottchen namens Trudi (von althochdeutsch "trud" für "stark") führt durch die drei Jahre und hilft den Teilnehmenden sich in dem Heft zu orientieren. Das Arbeitsheft dient der Sicherung der Arbeitsergebnisse, der Wiederholung, der fortlaufenden Beschäftigung mit den Programmthemen und der Identifikation der Teilnehmenden mit dem Projekt – Faktoren, die die Wirkung des Programms sichern und stärken sollen.
Für Lehrkräfte und Schulsozialarbeitende wird ein pädagogisches Begleitheft zur Verfügung gestellt.
Ergebnisse und Erreichtes
Verschiedene größere und kleinere Resultate sind zu benennen: Zum einen werden mit den Schüler*innen während der Durchführung individuelle Challenges wie beispielsweise die Verringerung der Medienzeit oder mit dem Rauchen aufzuhören, vereinbart, welche kontinuierlich, in der Anfangsrunde jeder Einheit, überprüft, ausgewertet und angepasst werden.
Zudem gibt in jeder Schule einen Briefkasten, in welchen die Schüler*innen Zettel mit Fragen einwerfen können, die in den Zeiten zwischen den Projekteinheiten aufkommen und welcher zu Beginn jeder Projekteinheit geöffnet wird.
Einmal im Jahr erhalten die Teilnehmenden einen Auswertungsbogen, der als Grundlage für die Anpassung und Überarbeitung des Programms dient. Bisher wurde das Angebote mit einer Durchschnittsnote von 1,2 bewertet. Nach jeder Veranstaltung finden Auswertungsgespräche mit den Lehrkräften statt.
Eine umfassende Evaluation erfolgte mit Hilfe von ehrenamtlichen Mitarbeitenden im Rahmen einer Bachelorarbeit sowie einer Facharbeit zum Abschluss der Erzieherausbildung.
Des Weiteren findet eine jährliche Überarbeitung des Projektes inklusive einer Überarbeitung des Arbeitsheftes und der Anpassung der Themen an gesellschaftliche Entwicklungen (z.B. neue Apps, Kettenbriefe, etc.) statt. Im Zuge dieser Überarbeitung wurde das Alter der Zielgruppe dieses Jahr von vormals 7. bis 9. Klasse auf die nun angesprochenen 6. bis 8. Klassen heruntergesetzt (aus diesem Grund entsprechen die Musterausweise im Anhang auch nicht den hier angegebenen Klassenstufen).
Angeregt durch die Kooperation passten die Schulen ihre Hausordnungen in Bezug auf den Konsum von koffeinhaltigen Getränken an.
Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit wurde das Projekt in verschiedenen Arbeitskreisen der Stadt Leipzig vorgestellt, was ebenso Aufmerksamkeit und Interesse für das Thema schafft wie der Artikel, welcher in der Leipziger Volkszeitung erschien.
Bewertungskriterien
Die Stadt Leipzig definiert ihr suchtpräventives Vorgehen im "Konzept der Leipziger Sucht- und Drogenpolitik." Das aktuelle Konzept wurde 2014 verabschiedet und formuliert den Anspruch bedarfs- und zielgruppengerechte Angebote für Schülerinnen und Schüler vorzuhalten. Da die Bedarfe für ein spezifisches Angebot für Lernförderschulen erst nach Verabschiedung des Konzeptes deutlich wurden, ist das Programm "Alles Sucht – oder was?" aktuell nicht explizit benannt. Im Rahmen der anstehenden Überarbeitung des Konzeptes wird das Angebot Eingang in die gesamtstädtische Konzeption finden. Der Anbieter des Programms, das Projekt Drahtseil beim Diakonischen Werk Innere Mission Leipzig e. V. wird gefördert durch das Amt für Jugend, Familie und Bildung.
Die initialen Bedarfe wurden von Seiten der Fachkräfte der Lernförderschulen angezeigt. Eine stadt- und deutschlandweite Suche nach ähnlichen Projekten blieb ergebnislos, es wurde nur das Präventionsprojekt für expansives Problemverhalten (PeP) ausfindig gemacht, welches jedoch veraltet ist und nicht mehr angewandt wird. Zusätzlich wurde nach einer deutschlandweiten Statistik bezüglich des besonderen Bedarfs im Bereich der Lernförderschulen gesucht, welche jedoch nicht existiert. Ausgehend von Berichten von Schulsozialarbeitern und Lehrkräften über Schüler*innen aus suchtbelasteten Familien und dahingehend vorhandenen Statistiken (bspw. über Fälle von FASD), ergibt sich ebenfalls ein Bedarf.
Der konkreten Programmentwicklung gingen eine Ausgangs- und Bedarfsanalyse im Rahmen einer ausführlichen Hospitation im Fach "soziales Lernen" einer Lernförderschule sowie Gespräche mit Lehrkräften und Schulsozialarbeiter*innen voraus.
Das Programm hat eine ganzheitliche und umfassende Ausrichtung:
- Es läuft kontinuierlich und fortführend vom 6. bis zum 8. Schuljahr.
- Durch die verschiedenen Aktionen am Ende des Schuljahres (Plakatgestaltung, Schulhofaktion etc.) ist die gesamte Schule eingebunden.
- Die Kooperationsvereinbarung definiert die Parameter für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
- Die Lehrkräfte und Schulsozialarbeitenden sind aktiv einbezogen, nehmen an den einzelnen Programmeinheiten teil und betreuen die Bearbeitung von Aufgaben zwischen den Terminen.
- Zu den Abschlussveranstaltungen sind die Erziehungsberechtigten eingeladen.
- Es behandelt verschiedene für die Zielgruppe relevante Themen, wie Sucht allgemein, gesunde Ernährung, Essstörungen, legale Substanzen (einschließlich Koffein) und Cannabis.
- Es beinhaltet Elemente der Lebenskompetenzförderung.
"Alles Sucht – oder was?" zielt vorrangig auf verhaltenspräventive Wirkung, hat aber darüber hinaus auch verhältnispräventive Wirkdimensionen: Durch die Kooperationsvereinbarungen werden die Bedingungen für eine erfolgreiche suchtpräventive Zusammenarbeit definiert. Inhalte aus dem Programm finden Eingang in das Fach Soziales Lernen und verändern dieses. Die Arbeitsergebnisse werden im Schulhaus und vor anderen Schülerinnen und Schülern präsentiert. Die Schulen überarbeiten ihre Hausordnungen, etc.
Die Schüler*innen werden bei der Konzeption und Umsetzung des Programms aktiv mit einbezogen. Zum einen erhalten sie einmal jährlich einen Fragebogen zur Beurteilung des Projektes – auf den Ergebnissen baut sich die Anpassung des Projektes durch die Mitarbeitenden von Drahtseil auf. Zum anderen finden zum Ende des Schuljahres in jeder Klassenstufe Aktionen statt, welche die Schüler*innen selbst gestalten. In Klasse sechs ist dies die Erstellung eines Plakats mit selbstständiger Themenwahl wie beispielweise "Gründe, warum ich gerne rauchfrei bleiben möchte", im 7. Schuljahr gestalten die Schüler*innen interaktive Projekte, wobei sie sowohl das Thema, als auch die Medienform (bspw. Video, Comic, Simple Show etc.) selbst entscheiden. In der 8. Klasse erfolgt dann die Umsetzung eines Projektes, wobei die Schüler*innen die Art des Angebotes (bspw. Schulhofaktion, Ausstellung etc.) sowie inhaltliche Schwerpunkte selbstständig festlegen.
Das Programm "Alles Sucht – oder was?" ist in mehrfacher Hinsicht innovativ:
- Es ist ein modernes Angebot für Schüler*innen mit besonderen Lernschwierigkeiten.
- Einbindung der gesamten Schule durch die Schul-öffentliche Präsentation von Arbeitsergebnissen.
- Maßschneiderung des Angebotes auf die Bedürfnisse von Förderschüler*innen: kontinuierliche Durchführung mit vielen Wiederholungen, Arbeitsheft in einfacher Sprache zur Sicherung der Arbeitsergebnisse und fortlaufenden Auseinandersetzung mit dem Projekt durch den Wechsel zwischen Programmeinheiten und fächerübergreifender Weiterarbeit im Arbeitsheft.
- Lehrkräftebegleitheft zur Einbeziehung der Pädagog*innen und Sicherung der Qualität.