Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Titel des Wettbewerbsbeitrags
Kurzfassung des Wettbewerbsbeitrags
Neue synthetische Substanzen stellen für junge Menschen ein besonderes Risiko dar, da Wirkungsweisen und Risiken wegen mangelndem Bewusstsein und Informationsdefiziten oft unterschätzt werden. Die Gruppe der (potentiellen) Konsumierenden reicht weit über die bisherige Drogenszene hinaus. Für immer mehr junge Menschen stellen die Trend- und Feierdrogen einen Reiz dar, verknüpft mit großen Gefahren.
Auch bei Multiplikatoren ist mangelndes Wissen bzgl. dieser Substanzen die Regel. Die mudra-Drogenhilfe Nürnberg, die Polizei Nürnberg und der städtische Suchtbeauftragte haben sich zusammengeschlossen, um diesem Umstand entgegenzuwirken. Zentrales Ziel ist, junge Menschen für die Risiken der Substanzen zu sensibilisieren, um ihnen die Möglichkeit zu geben, reflektiert und risikobewusst Entscheidungen bzgl. des Konsums von Drogen treffen zu können. Neben der Behandlung der neuen Substanzen sowie einem abgestimmten Auftreten der Akteure, beschreibt auch die Sensibilisierung über glaubhafte Berichte von Peers und ehemaligen Drogenkonsumierenden ein innovatives und wichtiges Moment des Beitrags.
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Anlass für die Gründung des Kooperationsverbundes zwischen der Kriminalpolizei Nürnberg, der Stadt Nürnberg und der mudra-Drogenhilfe war zum einen die insgesamt steigende Nachfrage nach Informations- und Präventionsangeboten an Schulen, Ausbildungs- und Fördereinrichtungen etc., sowie ein steigender Bedarf an Schulungen für die Multiplizierenden.
Zum anderen stieg in den letzten Jahren die Bedeutung neuer synthetischer Substanzen wie Crystal Meth und „Legal Highs“ (NPS) bei jungen Menschen enorm. Insbesondere sog. Kräutermischungen finden in Nürnberg bei jungen Menschen eine weite Verbreitung und führten sehr häufig zu psychisch verwirrten Zuständen. Hinzu kommt, dass die sich ständig verändernde Zusammensetzung der Wirkstoffe sowie die schwankende Wirkstoffkonzentration schnell zu Überdosierungen führen und psychotische Symptome bis hin zu Herzkreislaufstörungen, Panikattaken und Lähmungen nach sich ziehen können. An den Folgen einer Überdosierung von Kräutermischungen verstarben in den letzten Monaten mindestens zwei junge Menschen in Mittelfranken.
Insbesondere die so genannten „Legal Highs“ werden aufgrund ihrer vermeintlichen Legalität und ihrer leichten Verfügbarkeit mit Harmlosigkeit assoziiert. Dies verleitet allzu leicht zu gravierenden Fehleinschätzungen über die Substanzen. Fehlendes oder falsches Wissen kann hier zu erheblichen gesundheitlichen Schädigungen und bis hin zu Todesfällen führen. Daher erachtet der Kooperationsverbund, politisch getragen vom Nürnberger Stadtrat, eine offensive Präventionsarbeit vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen als äußerst wichtig, um diesen gefährlichen Nicht-Wissen zu begegnen.
Eine der zentralsten Herausforderungen im Bereich der Neuen Psychoaktiven Substanzen (NPS) liegt damit in der Informationsverbreitung über die Risiken der Substanzen, um die Risikomündigkeit junger Menschen zum Konsum oder beim Konsum zu erhöhen. Vordergründiges Präventionsziel ist damit, wie in der kommunalen Gesamtkonzeption der Suchtprävention auch vorgesehen, die Förderung der Lebenskompetenz von jungen Menschen.
Informations- und Präventionsangebote zum Thema Sucht und Drogen allgemein sowie zu neuen synthetischen Substanzen leisteten in Nürnberg bisher sowohl die Präventionsstelle der Kriminalpolizei als auch die mudra-Drogenhilfe, dort v.a. das Trend – und Partydrogenprojekt enterprise 3.0. Um die Kompetenzen dieser beiden Fachstellen zusammenzubringen und Synergieeffekte effizient zu nutzen, aber auch um Lücken in der Angebotsstruktur zu vermeiden, wurden beide Angebote unter Mitarbeit des Suchtbeauftragten der Stadt Nürnberg gebündelt und damit eine bisher ungewohnte Kooperation geschmiedet. Die knappen Ressourcen werden damit effizienter eingesetzt und gerade die Unterschiedlichkeit der Präventionsansätze wird als Mehrwert genutzt. Liegt der Fokus auch auf den neuen synthetischen Substanzen, ist die Thematisierung legaler Suchtmittel in dem Angebot dennoch inkludiert, spielen sie doch in der Partyszene eine wichtige Rolle.
In der Folge wurde eine gemeinsame Konzeption zur Drogenprävention im Kooperationsverbund erstellt und am 10.04.2014 vom zuständigen Ausschuss der Stadt (Sozialausschuss) mit großer Zustimmung befürwortet.
Das erarbeitete Konzept ist als ein Baustein der Gesamtkonzeption der Suchtprävention der Stadt Nürnberg zu verstehen. Das Gesamtkonzept der Suchtprävention geht auf das vom Bundesministerium für Frauen und Jugend zwischen 1992 und 1995 geförderte Modellprojekt JUMP zurück. Die Verknüpfung von Jugend- und Suchthilfe ist spätestens seit dem Modellprojekt JUMP ein zentraler Bestandteil der Präventionsstrategie der Stadt Nürnberg. So arbeiten sowohl der Suchtbeauftragte des Sozialamtes und die Suchtpräventionsstelle des Jugendamtes als auch die Träger der Suchthilfe in enger Abstimmung vertrauensvoll miteinander. Der AK Sucht und viele weitere fachliche Arbeitskreise stärken diese Zusammenarbeit kontinuierlich.
Zielgruppe des hier vorgestellten Präventionsangebotes sind Schülerinnen und Schüler aller Schularten ab der 9. Klasse ebenso wie Auszubildende in Berufsschulen, Förder- und Ausbildungseinrichtungen sowie Jugend- und Jugendhilfeeinrichtungen. Bereits Konsumierende sollen ebenso angesprochen werden, wie junge Menschen, die bislang keine eigenen Erfahrungen mit neuen synthetischen Substanzen gemacht haben. Junge Menschen, die über einen riskanten Konsum hinaus bereits eine massive Abhängigkeit entwickelt haben, gehören nicht zur Zielgruppe, da in diesem Fall andere Angebote des Suchthilfesystems greifen müssen.
Darüber hinaus gehören zur Zielgruppe auch alle Personen, die beruflich oder in anderen Zusammenhängen in Kontakt mit jungen Menschen stehen und somit Multiplizierende sein können. Diesbezüglich Fortbildungen sind fester Bestandteil des Angebots. Neben Lehrkräften oder Ausbildenden in der schulischen oder beruflichen Bildung zählen zu den MultiplikatorInnen auch ehren- und hauptamtliche Fachkräfte in der offenen wie verbandlichen Jugendarbeit.
Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema NPS, auch durch das Gespräch mit dem Ex-User, im Rahmen der Multiplikatorenschulungen wird auch das Umfeld der jungen Menschen für die Thematik sensibilisiert und befähigt, kompetent mit Fragen rund um das Thema Sucht und „Partydrogen“ u.ä. umzugehen. Darüber hinaus werden die Multiplizierenden im Anschluss an die Schulung eher erkennen, ob ein junger Mensch konsumiert und kennen die Hilfsangebote in Nürnberg genau. Damit beinhaltet das Projekt neben der Verhaltensprävention auch die Strategie der Verhältnisprävention.
Weiterhin können auch junge Menschen selbst bspw. in ihrer Tätigkeit als Klassensprecherinnen und Klassensprecher Multiplizierende sein.
Methodisch gliedert sich das Angebot in mehrere Module, die jeweils spezifische Themenkomplexe zum Inhalt haben und durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam mit den Referenten bearbeitet werden:
Modul 1: Polizei
Legale Suchtstoffe: Tabak, Alkohol, Medikamente
Illegale Drogen
Inhalte:
- Vorstellung Prävention Polizei
- Basiswissen legale Suchtstoffe
- Jugendschutz, Rahmengesetze
- Umgang in Einrichtungen
- Strafbares Verhalten
- Rechtsfolgen (z.B. Führerschein)
Modul 2: mudra-Drogenhilfe
Illegale Suchtstoffe
Trenddrogen/NPS/Crystal-Meth
Inhalte:
- Basiswissen illegale Suchtstoffe
- Spezifische „Trenddrogen“, Crystal-Meth
- Ätiologie, Suchtentstehung, -dynamik
- Zeitgeist und Drogenkonsum
- Umgang und Hilfe
- Handlungsmaxime für Angehörige und Helfer
- Pädagogische Interventionsstrategien
- Suchthilfesystem
- mudra, Arbeitsansatz, Angebote
Modul 3: Exuser/Peers
Suchtbiografie
Inhalte:
- Authentischer Lebens- und Suchtverlauf
- Ursachen und Dynamik der Abhängigkeit
- Wege aus der Abhängigkeit
- Belastung soziales Umfeld
Modul 4: Mediziner/in
Medizinische & Psychiatrische Aspekte
Inhalte:
- Intensivmedizin, Gefahren der akuten Vergiftung
- Akute Gefahren durch Kombination mit weiteren Substanzen
- Organische Langzeitschäden, Psychiatrische Folgen
Die operative Phase des Projektes startete im Herbst 2015. Es fanden bisher zwei Veranstaltungen für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren (Drogenkontaktlehrer/innen der Nürnberger Mittelschulen, Mitarbeiter/innen des Jugendamtes/Allgemeinen Sozialen Dienstes der Stadt) sowie bereits weitere mit Jugendlichen/jungen Erwachsenen statt.
Die Veranstaltungen mit den Multiplizierenden wurden nach dem modulhaften Konzept durchgeführt, mit den Jugendlichen wurden die Module mit ihren Inhalten in modifizierter Form umgesetzt. Die Module 2 und 3 wurden hier bevorzugt eingesetzt, ergänzt durch Inhalte aus Modul 1 und die zeitweise Einbeziehung eines Vertreters der Polizei.
Ersten Rückmeldungen von Teilnehmenden zufolge ist das Konzept insgesamt stimmig und effektiv, allerdings wurde auch auf Schwachpunkte hingewiesen (z.B. zu viel Input, der in seiner Komplexität nur schwer zu verarbeiten ist). Die Anregungen werden aufgenommen, an einer Verbesserung in Inhalten und im Ablauf wird gearbeitet.
Das Präventionsangebot wird von Prof. Dr. Wolstein von der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg wissenschaftlich begleitet. Das Angebot soll hinsichtlich seiner Effizienz und Wirksamkeit untersucht werden. Die Evaluation beinhaltet auch Rückmeldungen der Teilnehmenden, deren Kritik teilweise direkt in die Konzeption eingearbeitet werden kann. Die wissenschaftliche Begleitung soll auch die Übertragbarkeit auf andere Kommunen gewährleisten.
Der maßgebliche Innovationsgehalt des Angebotes liegt zum einen in dem Fokus auf bislang nur rudimentär einbezogener Suchtmitteln. Hier gilt es, Wissenslücken zu den Substanzen, ihren Wirkungen, Risiken und Gefahren zu schließen und damit die Konsumkompetenz zu stärken und das Mißbrauchsverhalten bis hin zur Entstehung einer Abhängigkeit zu vermeiden. Die in der Region Nürnberg stark zugenommene Verbreitung von Crystal Meth und neuen psychoaktiven Substanzen ist hierfür der zentrale Ausgangspunkt.
Zum anderen beschreitet das Präventionsangebot mit einer ungewöhnlichen Kooperation neue Wege. Obwohl die Kooperationspartner (Polizei, kommunale Verwaltung, Drogenhilfe) die gleichen Ziele verfolgen (könnten), verstehen sie sich bezogen auf ihren Auftrag doch immer wieder als Gegenspieler. Die lang gepflegte Tradition in Nürnberg eines harmonischen Zusammenspiels von freien und öffentlichen Trägern spiegelt sich ebenso wie das gute Verhältnis dieser zur Polizei wieder.
Die Einbeziehung von Peers ergänzend zu professioneller Expertise ist überzeugend, effizient, zielführend und zukunftsweisend, da über die Erfahrungen von Menschen, die selbst von Suchtproblemen betroffen waren oder sind, Zugänge und Glaubwürdigkeit geschaffen wird.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
C 1 Fragen zur gesamtkommunalen Einbindung des Wettbewerbsbeitrags
C 2 Fragen zur Konzeption und Ausrichtung des Wettbewerbsbeitrags
C 3 Fragen zur Umsetzung des Wettbewerbsbeitrags
das zugrunde liegende Konzept (siehe Anlage "Konzept des vorgestellten Projektes NPS - Ausschussvorlage")