Ausgangslage:
Mit der GR-DS Nr. 80 vom 18.04.2012 wurde ein Konzept aus ordnungsrechtlichem Handeln verabschiedet, das durch Elemente der aufsuchenden Arbeit/ Streetwork ergänzt wird. Zum 01.07.2012 hat die ARGE Sucht mit der Verwaltung einen Kooperationsvertrag sowie eine Kooperationsvereinbarung (siehe Anlage) über die Vernetzung des KOD mit dem Streetwork (KOS) abgeschlossen. Zeitnah mit dem Tätigkeitsbeginn des KOD nahmen zwei 50%-Fachkräfte Kontakte mit den Szenen auf. Diese sind bei den Suchthilfeträgern Caritas Heilbronn-Hohenlohe und dem Verein für Jugendhilfe Böblingen e.V. angestellt.
Zielsetzung:
Ziel ist es, einen Zugang zu den jeweiligen Szenen und Zielgruppen zu erreichen sowie eine nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität der Szenegänger zu bewirken. Ferner sollen einzelne Personen, die in die Szenen bzw. Gruppen "abzugleiten" drohen, wieder in die Gesellschaft integriert werden. Zudem soll das subjektive Sicherheitsempfinden der Mitbürger und Geschäftsleute und der soziale Frieden in der Heilbronner Innenstadt gewahrt bzw. verbessert werden. Mit einer Kooperationsvereinbarung wird die Zusammenarbeit zwischen dem Ordnungsamt und den Trägern Caritas Heilbronn-Hohenlohe und Verein für Jugendhilfe Böblingen e.V. geregelt.
Streetwork/ Aufsuchende Arbeit von offenen Szenen:
- Es geht um eine spezifische Form der aufsuchenden, psychosozialen und gesundheitsbezogenen Dienstleistung. Die Streetworker orientieren sich an den Arbeitsprinzipien der Freiwilligkeit, Niederschwelligkeit, Akzeptanz, Vertraulichkeit und Geschlechterdifferenzierung.
- Durch direkte Kontaktaufnahme, Einzelfallhilfe und Gemeinwesenorientierte Arbeit werden Beziehungen zu benachteiligten Personen aufgebaut, um den individuellen Hilfebedarf zu erschließen und langfristig Veränderungsprozesse in deren Lebenssituationen auszulösen.
- Um den vielfältigen und komplexen Problemsituationen der Szenegruppen und der einzelnen Personen gerecht zu werden, ist eine gelingende und zielführende Vernetzung mit anderen Hilfesystemen von entscheidender Bedeutung. Durch Initiierung von Fallkonferenzen wird hierzu institutionsübergreifend über die Einzelfälle beraten.
- Eine Dokumentation zu den Einsätzen und Maßnahmen mit Angaben zu Ort, Zeit, Szene, Herkunft, Erkenntnisse, Maßnahmen, etc. wird derzeit aufgebaut.
Kommunaler Ordnungsdienst (KOD):
Mit dem Einsatz eines KOD in Heilbronn als eigenständige städtische Aufgabe mit dem Schwerpunkt Innenstadt soll auch das subjektive Sicherheitsempfinden für alle Menschen im öffentlichen Raum mittels einer Präsenz von Ordnungskräften nachhaltig verbessert werden. Die Verfolgung von Straftaten obliegt weiterhin der Landespolizei. Der Einsatzbereich des KOD erstreckt sich auf das gesamte bebaute Stadtgebiet mit Schwerpunkt Innenstadt. Je nach Wochentag differiert der Einsatzzeitrahmen für den KOD und erstreckt sich bei einer Vollbesetzung in der Nacht auf Samstag und Sonntag bis 01:00 Uhr. Zu seinen schwerpunktmäßigen Aufgaben zählt
- die Ordnungspräsenz insbesondere an sogenannten Brennpunkten,
- der Vollzug der polizeilichen Umweltschutzverordnung der Stadt Heilbronn,
- der Jugendschutz und
- die Wahrnehmung von Überwachungsaufgaben aus den Bereichen Straßenverkehr, Gewerbe und Gaststätten.
Kooperation KOD und Streetwork:
Die Zusammenarbeit zwischen dem kommunalen Ordnungsdienst und den Streetworkern hat zum Ziel, auftretende Konfliktsituationen frühzeitig zu benennen und zeitnah lösungsorientierte Maßnahmen zu ergreifen, um eine weitere Verfestigung der Konflikte zu vermeiden. Es findet grundsätzlich kein gemeinsames Auftreten mit dem KOD in der Öffentlichkeit statt; die Austauschgespräche zwischen dem KOD, den Streetworkern und der Polizei erfolgen im Hintergrund. Im AK "Miteinander in der City" wird ebenso über die Erfahrungen der Streetworker und des KOD vierteljährig berichtet. Die Einsatzorte und Einsatzzeiten werden je nach aktuellen Auffälligkeiten, Lagebild und Erkenntnissen gemeinsam festgelegt. Darüber hinaus wird die Umsetzung des KOD und Streetwork eng vom Ordnungsamt und Amt für Familie, Jugend und Senioren begleitet.
Erfahrungsbericht der beiden Streetworker
Anfang Juli 2012 nahmen die beiden Streetworker ihre Arbeit im Rahmen ihrer geteilten Vollzeitstelle auf. Die Einsatzzeiten sind im Tandem werktäglich zu unterschiedlichen Tageszeiten, um möglichst viele Szenegänger erreichen zu können: Randzeiten ab 8:00 Uhr morgens und bis ca. 20:00 Uhr abends. Über den Sommer wurde verstärkt bis in den Abend gearbeitet. Die hauptsächlichen Einsatzorte sind die Kernstadt mit den Szenebrennpunkten Fontäne, Theaterplatz und Stadtgarten sowie die Bahnhofsvorstadt und das Gebiet an der Rosenbergbrücke. Eines der Ziele der Streetworker war es, zunächst Informationen über die Szenen und Szenentreffpunkte zu gewinnen und diese in den regelmäßigen Treffen mit den KOD-Mitarbeitern abzugleichen sowie ergänzende Informationen über Verhalten und Auffälligkeiten auszutauschen. Hier zeigte sich, dass sich die Beobachtungen innerhalb des KOS weitgehend deckten. Parallel zu der Informationsgewinnung wurden von den Streetworkern erste tragfähige Kontakte zu verschiedenen Szenegängern in unterschiedlichen Gruppierungen aufgebaut.
Die Streetworker dokumentieren nach Möglichkeit direkt nach Verlassen eines Szeneplatzes Zeit und Ort, zentrale Eindrücke wie Gruppengröße und Zusammensetzung und wesentliche Gesprächsinhalte. Ergänzend werden Daten in einen Excel-Auswertungsbogen übertragen. Hieraus lassen sich bereits erste Ergebnisse herauslesen.
Die Zahl der Erstkontakte beläuft sich bis Mitte September auf rund 130. In dieser Zeit führten die Streetworker knapp 200 Einzelgespräche. Dazu zählen neben der Kontaktaufnahme Krisengespräche, Motivationsgespräche, Präventionsgespräche oder auch Weitervermittlungsgespräche an bestehende Hilfsangebote. In den Gesprächen zeigte sich, dass häufig ein großer Rede- und Mitteilungsbedarf vorhanden ist. Ein Teil der personenbezogenen Arbeit bestand in der Unterstützung im Umgang mit Ämtern und Behörden sowie in der Begleitung zu anderen Institutionen: Arzt, Krankenkasse, Migrationsdienst, Mitternachtsmission, Frauen- und Kinderschutzhaus und Aufbaugilde. Die zugrunde liegenden Problemfelder reichten vom Szeneausstieg, Ausstieg aus Prostitution, Wohnungsverlust und Obdachlosigkeit, ernsthaften Gesundheitsproblemen, Arbeitslosigkeit bis hin zu Gewalt in der Beziehung und Vergewaltigung.
Als erste Bedarfseinschätzung der Streetworkarbeit lässt sich durchgängig in jedem Szenetreffpunkt ein problematischer oder missbräuchlicher Konsum von Suchtmitteln feststellen. Eine erste Grobeinschätzung zum Suchtmittelkonsum der 130 Personen lässt sich der unten stehenden Graphik entnehmen, diese bezieht sich ausschließlich auf das primäre Suchtmittel und geht noch nicht auf den Mischkonsum der Personen ein. Aktuell sind elf Personen ohne festen Wohnsitz. Feststellen lässt sich weiterhin eine medizinische Unterversorgung bei vielen Szenegängern, insbesondere bei den Personen ohne festen Wohnsitz. Während sich Bedarfsäußerungen szenetypisch an der Fontäne überwiegend um kurzfristige Entgiftungstermine und Beratungsgespräche/ Therapieanschlüsse drehen, stehen am Stadtgarten vorwiegend die Lebensbereiche Job, Schule, Ausbildung und Freizeitgestaltung im Vordergrund.
Neben der Vermittlung an die Suchtberatungsstellen ist eine Anbindung von Drogenkonsumenten an den Kontaktladen gelungen, die diese niederschwellige Einrichtung bisher nicht aufgesucht haben. Die Besucherzahlen im Kontaktladen sind seit Juli deutlich angestiegen. Neben der Szenearbeit haben die Streetworker Kontakte mit relevanten Hilfsangeboten geknüpft sowie Gespräche mit Gastronomen und Anwohnern an Brennpunkten geführt. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Streetworkarbeit durch möglichst konstante Präsenz und niederschwellige Kontaktarbeit in den verschiedenen Szenegruppen gut angenommen wird (siehe Anlage: Bilder, Statistik).
Ergebnis/Ausblick
Die Verwaltung bewertet den bisherigen Einsatz des KOD und des Streetworks positiv.
Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Umsetzung des Konzeptes für den KOD und das Streetwork war zunächst die Zusammenarbeit zwischen den beiden Bereichen zu entwickeln. Es hat sich frühzeitig gezeigt, dass zwischen dem Kommunalen Ordnungsdienst und der Streetworkarbeit eine gute Zusammenarbeit entwickelt hat, trotz der unterschiedlichen Professionen. Zudem fand im Juli 2012 ein Informationsaustausch im Arbeitskreis "Miteinander in der City" statt, an dem neben Vertretern der ARGE Sucht und der Verwaltung auch Polizei, Stadtinitiative und Aufbaugilde beteiligt waren.