Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Titel des Wettbewerbsbeitrags
Kurzfassung des Wettbewerbsbeitrags
Die meisten der im Krankenhaus behandelten Kinder und Jugendlichen hatten exzessiv in Parks, auf Spielplätzen oder an anderen öffentlichen Orten getrunken. Sie tranken meistens Spirituosen und gaben an, den Alkohol selbst beschafft zu haben.
Seit 2009 werden im Landkreis Osnabrück Testkäufe durchgeführt. Das Ergebnis zeigte, dass in 50-75% der Fälle Destillate an Minderjährige verkauft wurden. Diese Tatsachen verdeutlichen, wie schwierig es für die Mitarbeiter im Einzelhandel ist, konsequent die im Jugendschutzgesetz geregelten Alkoholabgabebestimmungen durchzusetzen. Langfristige Änderungen sind mit politischen Gesamtstrategien, verwaltungsrechtlich verbindlichen Regelungen, innovativer Weiterentwicklung durch Aufgreifen von Ideen und Erfahrungen im gemeinsamen Wirken im Netzwerk, gemeinsamen und geregelten Verfahren und finanzieller Förderung möglich. Das zeigt dieser Beitrag auf.
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Hintergrund, Bedarf und Entwicklung der Projektidee
Trotz der Erfolge in der präventiven Arbeit ist der exzessive Konsum von Alkohol weiterhin bei Kindern und Jugendliche höchst attraktiv. Insbesondere das so genannte "Komasaufen" ist weit verbreitet. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die stationär aufgrund einer Alkoholvergiftung behandelt werden müssen, ist in den vergangenen Jahren stetig und besorgniserregend gestiegen (vgl. stat. Statistisches Bundesamt Deutschland 2011: bei den 10-20-Jährigen von 9.500 in 2000 auf 26.428 in 2009; das ist ein Anstieg von 178% in neun Jahren). Erstmalig scheint nun die Zahl der Alkoholintoxikationen zu stagnieren, allerdings auf einem enorm hohen Niveau. In der Region Osnabrück wurden in 2006, 2011, bis 08/2012 im Rahmen des HaLT Projektes 80, 73 und 78 Kinder und Jugendliche ermittelt, die stationär im Christlichen Kinderhospital Osnabrück und den Niels-Stensen-Kliniken Marienhospital Osnabrück behandelt wurden.
Die Hintergründe und Erklärungen für diesen Anstieg sind vielfältig und nicht ausschließlich mit einem veränderten Konsumverhalten unter jungen Menschen zu erklären. Eine der gesellschaftlichen Erklärungen ist die leichte Verfügbarkeit und der günstige Preis.
Um dem beschriebenen Trend entgegen zu wirken, führt der Caritasverband Osnabrück seit 2004 das Projekt HaLT – Hart am LimiT durch, ein Frühinterventionsprojekt zur Prävention von Alkoholmissbrauch unter Kindern und Jugendlichen. Es besteht mit der Umsetzung des reaktiven Bausteins ein stetiges Gesprächsangebot für vergiftete Jugendlichen und deren Eltern. Darüber hinaus werden Trainings, Projekttage, Präventionsveranstaltungen in Schulen und Freizeiteinrichtungen, Sprechstunden für Schüler, Elternarbeit, Lehrerfortbildungen und Multiplikatorenschulungen etc. durchgeführt. Die Inhalte und Methoden haben sich an den Bedarfen der Jugendlichen orientiert und wurden stetig weiterentwickelt.
Aus diesen Ansätzen heraus wurden im proaktiven Baustein des HaLT-Projektes der Jugendschutz- die Kontrolle - und die Schulungen konsequent weiter entwickelt und durchgeführt, wie die Schulungen des Einzelhandels und die Schulungen der Auszubildenden im Einzelhandel.
Ergänzend zum Leistungsvertrag der zwischen dem Landkreis Osnabrück und den ausführenden Leistungserbringern der freien Wohlfahrtspflege seit 2001 besteht, konnte eine weitere Leistungsvereinbarung zwischen dem Landkreis, Fachdienst Gesundheit und dem Caritasverband geschlossen werden (Anlage) um die Maßnahmen im Rahmen von HaLT- Hart am Limit weiter zu befördern. Im proaktiven Baustein werden die bereits entwickelten vielfältigen Maßnahmen auf kommunaler Ebene beschrieben, die eine konsequente Umsetzung des Jugendschutzes bei Veranstaltungen im Handel, die Sensibilisierung von Verkaufspersonal, auch der Auszubildenden, von Eltern, Lehrkräften und eine breit angelegte Öffentlichkeit umfassen. Neben der Sensibilisierung und der damit einhergehenden Übernahme von Verantwortung zum Thema steht die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Einhaltung des Jugendschutzes und der vom Alkohol ausgehenden gesundheitlichen Gefahren im Vordergrund.
Das Zusammenwirken der Kooperationspartner und ein verlässliches Netzwerk sind für das Gelingen der Maßnahmen von großer Bedeutung. Die Umsetzung der Maßnahmen erfolgt über die Koordinierung und Abstimmung in der Steuerungsgruppe des Gesundheitsdienstes für den Landkreis, im Sozialpsychiatrischen Verbund, Arbeitskreis Sucht, in den kriminalpräventiven Räten der Kommunen und im kommunalen HaLT- Netzwerk. Hier werden gemeinsam mit den Mitgliedern die Bedarfe ermittelt, durchgeführte Veranstaltungen und Maßnahmen bewertet, Evaluationsergebnisse geprüft, Konzepte weiterentwickelt und Kooperationen erweitert. Das HaLT -Netzwerk besteht aus Vertretern der Verwaltung und Politik des Landkreises Osnabrück, Kinderkrankenhauses und Kinderhospitals, der Niedersächsischen Landesschulbehörde und einzelner Schulen, Einrichtungen der Jugendpflege, der Jugend- und Suchthilfe, Polizei, Stadt Osnabrück, Unternehmerverband Einzelhandel, DEHOGA, Veranstalter und Sponsoren.
Zur Förderung des konsequenten Jugendschutzes entschied sich der Landkreis 2009 zur Durchführung von Testkäufen. In einer zentralen Veranstaltung im Kreishaus wurden die Bürgermeister der Kommunen mit dem Verfahren und den Schulungsangeboten vertraut gemacht. Seither versuchen jugendliche Testkäufer/innen im Alter bis 18 Jahren, hochprozentige alkoholische Getränke in Supermärkten, Tankstellen und Getränkemärkten zu kaufen. Die Testkäufer/innen sind Fachoberschüler/innen der Verwaltung oder Polizeischule und Jugendliche aus den Kommunen, die von der Jugendpflege vorgestellt werden. Sie werden auf ihren Einsatz sorgfältig von Vertretern der Jugendpflege und den Ordnungsämtern vorbereitet, geschult und während der Ausführung begleitet. Die Vertreter der kommunalen Ordnungsämter führen mit ihnen die Testkäufe in Zusammenarbeit mit der Polizei durch. In den einzelnen Kommunen werden seither regelmäßig Testkäufe zur Überprüfung durchgeführt, ob sich die Verkäufer und Verkäuferinnen an die gesetzlich vorgeschriebene Regelung halten, Jugendlichen unter 16/18 Jahren keinen Alkohol zu verkaufen.
Die Testkäufe werden besonders vor großen kommunalen Ereignissen und Festen durchgeführt, um hier besonders zu sensibilisieren. In allen Städten und Gemeinden des Landkreises finden regelmäßig, regional durchaus sehr unterschiedliche Festivitäten statt, die oft von starkem Alkoholkonsum, insbesondere bei Jugendlichen geprägt sind. Zum Beispiel in der Region Osnabrück sind dieses der "Karneval- Ossensamstag", der 1. Mai, sogenannte "Scheunenfeten", Schützenfeste und "Abi- und Zeugnisfeiern". Vor und während dieser Feste gilt es, die Öffentlichkeit für das Thema des exzessiven Alkoholkonsums bei Kindern und Jugendlichen zu sensibilisieren und die Gesellschaft zum "Hinsehen" zu motivieren. Damit sind die Testkäufe keine isolierten Maßnahmen, sondern stehen im Kontext von Maßnahmenpaketen. Über die regelmäßig stattfindenden Bürgermeisterkonferenzen werden die Verantwortlichen in den Kommunen zeitnah mit den aktuellen Informationen versorgt.
Laut Ordnungsämter in den Kommunen haben sich die Ergebnisse der Testkäufe im Vergleich zu den Vorjahren leicht verbessert, aber noch nicht bis zur vollen Zufriedenheit. Auf jeden Fall sind die Akteure, besonders die Ordnungsämter, dem brisanten Gesellschaftsthema gegenüber deutlich sensibler geworden. Sie kommen auf den Landkreis zu, um gemeinsam nach Lösungen und Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen.
Zunehmend fallen diejenigen Verkäufer/innen auf, die sich zwar den Ausweis der Jugendlichen zeigen lassen, aber dennoch den Alkohol verkauften. Oftmals nur ein Rechenfehler, wie sich im heraus stellt. Die Ausgabe von Alterskontrollscheiben durch den Landkreis wurde hier als sehr hilfreich und erleichternd erfahren, da mit dem taggenauen Einstellen ein Nachrechnen in dem oft hektischen Kassengeschehens nicht mehr erforderlich ist.
Das Verfahren - Hand in Hand
Der Verstoß gegen die jugendschutzrechtlichen Bestimmungen wird von der betroffenen Kommune dem Landkreis angezeigt. Der Verstoß stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann. Da sich die Beteiligten in dem Gespräch im Anschluss an dem Testkauf in der Regel einsichtig zeigen, bietet der Landkreis in einem Schreiben den Verzicht auf ein förmliches Ordnungswidrigkeitsverfahren an, wenn die Betroffenen an einer Schulung zu den Regelungen des Jugendschutzgesetzes teilnehmen.
Die Fachambulanz für Suchtprävention und Rehabilitation des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Osnabrück bietet regelmäßig 4x im Jahr eine entsprechende dreistündige Schulung an. Die Teilnehmer entrichten einen eigenen Betrag in Höhe von 20,00 Euro. Nach Inanspruchnahme der Schulung reicht der Teilnehmer die Bescheinigung beim Landkreis ein, der damit das Verfahren beendet. Falls kein Teilnahmebeleg vorliegt, ist mit einem Bußgeld in Höhe von 100,00 – 150,00 Euro zu rechnen.
Die Schulungen, besonders der Auszubildenden
An den Schulungen nimmt nicht nur das aufgefallene Verkaufspersonal teil, sondern ebenfalls Interessierte, die das Zertifikat erlangen möchten. Der Unternehmerverband schreibt seine Mitglieder regelmäßig zu dem Thema an und teilt ihnen die Schulungstermine in den Mitgliedsorganen mit.
Auch das Angebot der betrieblichen Schulungen wird regelmäßig offeriert und von größeren Unternehmen in Anspruch genommen. Kleinere Unternehmen schätzen eher die zentral angebotenen Schulungen für die Entsendung ihrer Mitarbeiter. Die Resonanz zu den Schulungen war so positiv, dass das Angebot auch auf den Landkreis Emsland ausgeweitet wurde und dort ebenfalls regelmäßig vorgehalten wird.
Nicht nur der Einzelhandel, sondern auch die Auszubildenden im Einzelhandel erfahren zum Thema Jugendschutz und Alkoholabgabe ein Schulungsangebot. Die Auszubildenden können sich somit bereits im Unterricht mit den Jugendschutzregelungen intensiv auseinandersetzen. Sie erfahren rechtliche Kenntnisse, die ihnen Sicherheit bieten. Die jugendlichen Auszubildenden sind häufig im gleichen Alter wie die jugendlichen Käufer, das erfordert in der konkreten Situation Handlungskompetenz und Sicherheit im Tun. Die Schulungen werden an allen Berufsbildenden Schulen in Stadt und Landkreis Osnabrück, die den Unterricht für die Auszubildenden im Einzelhandel durchführen regelmäßig angeboten. In 2012 waren das 10 Klassen mit 250 Schüler und Schülerinnen. Die 171 Schüler und Schülerinnen der Berufsbildenden Schule "Am Pottgraben" kamen aus 41 Betrieben. Die Schulung erfolgt im ersten Ausbildungsjahr. Aktuell schlägt einer der Schuldirektoren vor, die Kenntnisse im dritten Ausbildungsjahr noch einmal in Erinnerung zu rufen und die inzwischen gesammelten Erfahrungen der Auszubildenden zu erfragen. Ziel der gemeinsamen Bearbeitung und Reflexion ist die weitere Vertiefung der Kenntnisse und die Erweiterung der Handlungskompetenzen.
Die Schulungen werden von geschulten Präventionsfachkräften des Caritasverbandes gemeinsam mit den Präventionsbeauftragten der Polizei durchgeführt. Im Vorfeld wurden 7 Kollegen und Kolleginnen der Polizei auf diese Aufgabe durch den Caritasverband vorbereitet. Diese Zusammenarbeit hat sich außerordentlich bewährt, da hier die Akteure der Testkäufe ihre direkten und regionalen Erfahrungen und Erkenntnisse einbringen können.
Qualitätssicherung und Evaluation der Ergebnisse
Die Schulungen der Auszubildenden sind mit einem umfänglichen Fragebogen evaluiert worden, die Ergebnisse liegen vor (Anlage). Die Fachambulanz ist darüber hinaus nach Din EN ISO 2008-2001 und AZAV zertifiziert.
Zu dem Angebot der Schulungen werden die Abgabestellen von alkoholischen Getränken regelmäßig aufgesucht und auf die Verpflichtung zur Einhaltung des Jugendschutzgesetzes und auf die Möglichkeit des Schulungsangebots hingewiesen. Hier erfolgt eine besondere Unterstützung durch den Kriminalpräventiven Räte in den Kommunen.
Beschäftigten im Einzelhandel werden außerdem eigens entwickelten Flyer, Handkärtchen, sorry cards (Anlage), Plakate etc. zur Verfügung gestellt, die gezielt beim Hinterfragen der Kaufberechtigung von Alkoholika und Rauchwaren unterstützen. Die Unterlagen beinhalten Tipps und Ratschläge, wie z.B. der Verkauf ablehnen werden kann.
Die Schulungskonzepte
Viele Geschäfte unterstützen ihr Verkaufspersonal mittlerweile mit Aushängen, Warntönen, Bekanntmachungen, Flyern und anderen Aktionen, um die Umsetzung des Jugendschutzes zu vereinfachen. Doch "das Fragen nach dem Ausweis" und anschließendes konsequentes Handeln muss die Verkaufskraft selber ausführen. Diese Hürde, verbunden mit der ungewissen Reaktion des Gegenübers und evtl. leichten Unsicherheiten zur gesetzlichen Grundlage, führen noch immer zur Nichteinhaltung des JuSchG. Hierbei können Selbstsicherheit durch Übung und ein Repertoire von verschiedenen Handlungs- und Deeskalationsstrategien, sowie genaue Kenntnis des JuSchG helfen. Wichtig ist, dass Jeder und Jede sich eigene Strategien und Formulierungen zurechtlegt, die zur eigenen Person und Charakter passen. Denn nicht Jeder und Jede ist beispielsweise der Typ für einen spontanen, witzigen und gleichzeitig mit konsequenten Handlungen verbundenen Vortrag an der Kasse, der über die Inhalte des Jugendschutzgesetzes aufklärt.
Unterstützend werden typische Problemsituationen im Einzelhandel bei der Alkoholabgabe an Jugendliche diskutiert und Lösungsvorschläge erarbeitet.
Was kann man zum Beispiel macht, wenn man durch das Fenster eine Gruppe offensichtlich Minderjähriger beobachtet, die einen bereits Volljährigen zum Alkoholkauf in das Geschäft vorschicken? Eine häufige Situation, wie Verkäufer und Verkäuferinnen erklären. Zum einen kann der Verkauf verweigert werden, zum anderen kann sich das Kassenpersonal auch Name und Anschrift des Käufers notieren und erfüllt so seine Sorgfaltspflicht.
Es soll ein sicherer, selbstbewusster und konsequenter Umgang mit dem Jugendschutzgesetz im Handel gefördert und das Verantwortungsbewusstsein geschärft werden.
Das Personal im Einzelhandel kann damit einen wichtigen Beitrag leisten, um den riskanten Alkoholkonsum von Kindern und Jugendlichen im Vorfeld zu verhindern.
Das heißt im Einzelnen:
- für das Thema sensibilisieren (Verantwortung für sich und andere übernehmen)
- das Bewusstsein für eine konsequente Umsetzung des JuSchG im Handel schärfen
- Inhalte des § 9 JuSchuG (Alkoholabgabe) transparent und verständlich machen, mögliche Folgen bei Nichteinhaltung bewusst machen
- Erarbeitung und Erprobung von Handlungsmöglichkeiten zur Umsetzung des JuSchG, besonders auch in Konfliktsituationen, mit Hilfe von Übungen
- Aufzeigen und Erlernen von Deeskalationstechniken in gemeinsamen Übungen,
- der gezielte Einsatz von Informationsmaterialien (Alterskontrollscheiben und sorry cards, Anlagen)
Die Teilnehmer erhalten ein Handout zum Thema und ein Zertifikat (Anlage). Flyer und Informationsmaterialien ergänzen die Unterlagen. Die Teilnahmebescheinigung reicht der Teilnehmer selbständig beim Fachdienst Jugend des Landkreises ein und beendet damit das ordnungsrechtliche Verfahren.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
C 1 Fragen zur gesamtkommunalen Einbindung des Wettbewerbsbeitrags
C 2 Fragen zur Konzeption und Ausrichtung des Wettbewerbsbeitrags
Verkaufsstätten
C3 Fragen zur Umsetzung des Wettbewerbsbeitrags
Leistungsvereinbarung, HaLT Netzwerk
Innovative Weiterentwicklung im HaLT Netzwerk Niedersachsen, regionale Ideen aus den Präventionsräten
Schulungskonzepte, Checklisten, Anschreiben, das gesamte Bußgeld-/Ahndungs-)Verfahren