Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Titel des Wettbewerbsbeitrags
Kurzfassung des Wettbewerbsbeitrags
Alkoholkranke Menschen suchen laut Suchtbericht der Stadt Leipzig mit 62,7% am häufigsten die Suchtberatungsstellen in Leipzig auf. Verschiedene Gründe tragen dazu bei, dass Betroffene durchschnittlich sehr spät, nach Jahren der Suchtkarriere, die Hilfe von Beratungsstellen suchen. Davor liegt ein langer Leidensweg mit einer Vielzahl gesundheitlicher und sozialer Problemlagen.
Auffallend ist, dass Alkohol zunehmend im öffentlichen Raum konsumiert wird.
Analog der positiven Erfahrungen der Straßensozialarbeit mit Jugendlichen, hat die Stadt Leipzig ein Modellprojekt für die erwachsene Betroffene entwickelt. Die Personen werden an den Stellen aufgesucht, an denen sie sich zum Alkoholkonsum treffen – insbesondere vor verschiedenen Kaufhallen und Haltestellen im Stadtgebiet. Es soll eine frühzeitige Vermittlung in Hilfesysteme erreicht werden. Gleichzeitig soll das Projekt positive Auswirkung auf den öffentlichen Raum haben.
Bislang bestand ein solches Modellprojekt noch nicht und wirkt beispielgebend für die Großstädte in Sachsen und darüber hinaus.
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Konzept: "Von der Straße ins Leben" – Mobile Streetwork für erwachsene Suchtkranke im öffentlichen Raum
Präambel
Öffentliche Straßen und Plätze werden von verschiedenen Gruppen genutzt. Durch die differenzierten persönlichen Bedürfnis- und Interessenslagen können sich für die Nutzer Konkurrenzsituationen entwickeln. In dem Moment, wo Wohnungslose, Suchtmittelabhängige und "auffällige" Jugendliche die gewünschte "Ordnung" im Gemeinwesen stören, wird der Ruf nach Vertreibung der "Störer/innen", aber auch der Wunsch nach professioneller Hilfe für Menschen die Probleme haben laut. Verhaltensweisen wie Lärmen, Schreien, Verunreinigung oder auch Alkoholkonsum im öffentlichen Raum lösen bei einem Teil der Bevölkerung individuelle Bedrohungsängste, Unsicherheiten und Ärger aus. Die Erfahrungen zeigen, dass allein repressive Maßnahmen durch Ordnungsämter oder Polizei das Problem nicht lösen, sondern eine Vertreibung nur zu einer Verlagerung in anderen Stadtteilen führt.
Entstehung und Finanzierung
Im Jahr 2007 hat die Leipziger Ratsversammlung beschlossen, ein Modellprojekt Aufsuchende Straßensozialarbeit für Alkoholkranke zu initiieren. Die konzeptionelle Entwicklung erfolgte unter der Moderation der Suchtbeauftragten in einem Arbeitskreis, der Träger der Suchthilfe, der Wohnungslosenhilfe, des Sozialamtes, des Ordnungsamtes, der Polizeidirektion und medizinischer Einrichtungen einbezogen hat.
Parallel dazu erfolgte eine Situationsanalyse Ordnungsamt (Erfassung von so genannten "Trinkerplätzen", Anzahl der sich durchschnittlich dort aufhaltenden Personen und Problemlagen für das Umfeld. Gleichzeitig wurde eine Bestandsaufnahme der sozialen Hilfeeinrichtungen vorgenommen. Im Ergebnis wurde deutlich, dass die vorhandenen Angebote überwiegend nach der klassischen Komm-Struktur arbeiten. Das Projekt soll die Versorgungslücke bei niedrigschwelligen Angeboten für alkoholkranke Menschen schließen.
Seit 2009 erhält der Leipziger Westen mit dem Stadtentwicklungsgebiet Leipzig - Lindenau/Plagwitz EFRE-Fördermittel durch den Freistaat Sachsen. Damit kann die integrierte Stadtteilentwicklung in den Ortsteilen Lindenau, Altlindenau, Neulindenau und Plagwitz fortgeführt werden. Neben dem Handlungsschwerpunkt Infrastruktur/Städtebau sieht die Verwaltungsvorschrift des Freistaates Sachsen für das Programm EFRE – Nachhaltige Stadtentwicklung 2007 -2013 auch nicht-investive Maßnahmen vor. Das Projekt war ein Bestandteil des Handlungsfeldes "Bürgergesellschaft" als wesentliche Interventionen für eine integrierte Stadtteilentwicklung. Eine Bürgerbefragung im Jahr 2007 hatte den Bedarf im Fördergebiet unterstrichen.
Das Projekt wurde zunächst im Rahmen dieser Fördermittel als Modellprojekt für das Fördergebiet gemeinsam mit dem Amt für Stadtentwicklung und Wohnungsbauförderung erprobt. Das Projekt wurde ausgeschrieben und der SZL Suchtzentrum gGmbH übertragen.
In Auswertung der Ergebnisse wird das Projekt seit 2012 über das Gesundheitsamt finanziert und kann damit auch auf andere Stadteile ausgeweitet werden.
Zieldefinition
Die Stadt Leipzig entwickelt, analog der positiven Erfahrungen der Straßensozialarbeit mit jugendlichen Problemgruppen, ein Modellprojekt "Von der Straße ins Leben – Aufsuchende Hilfen für suchtkranke Menschen im öffentlichen Raum" (Alkohol). Erwachsene Betroffene sollen an den Stellen aufgesucht werden, an denen sie sich zum Alkoholkonsum treffen, z. B. vor Supermärkten und Haltestellen im Stadtgebiet.
Es soll eine frühzeitige Vermittlung in Hilfesysteme erreichen und langfristige gesundheitliche und soziale Folgen für die Betroffenen verhindern. Gleichzeitig wird sich das Projekt positiv auf die Entwicklung des öffentlichen Raum auswirken und zu einer Entspannung für alle Nutzer beitragen, indem Bewohner/innen, Geschäftsleuten und Kunden ihr Lebensumfeld an "sozialen Problemzonen" wieder subjektiv sicherer erleben.
Die Ziele des Projektes sind in strategischen, sozialpolitische, suchtspezifische und ordnungspolitische kategorisiert.
Strategische Ziele
- Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls für die Bewohner/innen und Verbesserung der gegenseitigen Akzeptanz, des gegenseitigen Respekts und der Toleranz von unterschiedlichen Nutzergruppen und deren Lebenslagen
- Erwirken eines sozial verträgliches "Nebeneinander" aller Gruppen im öffentlichen Raum
- Schnelle, bedarfsorientierte Erstintervention (Hilfe) für die betroffenen Menschen
- Schadensminimierung auf sozialer, psychischer und physischer Ebene
- Vermittlung an weiterführende Einrichtungen, für eine umfassende, individuelle und bedürfnisgerechte Versorgung der Klientel
Sozialpädagogische Ziele
- Kontaktaufnahme und Aufbau einer Beziehung im Rahmen nachgehender Sozialarbeit
- Erstberatung vor Ort und Vermittlung zu anderen Fachdiensten
- Motivation zur Annahme von Hilfen der Wohnungslosen- und/oder Suchtkrankenhilfe bzw. anderer flankierender/weiterführender Hilfen
- Vermittlung bei Konflikten im Umfeld der "Trinkplätze"
- Motivation zur sinnvollen Freizeitgestaltung bzw. Tagesstruktur
- Förderung der Selbstverantwortung
Suchtspezifische Ziele (nach Schwoon 1992):
- Sicherung des Überlebens
- Verhinderung von schweren körperlichen Beeinträchtigungen
- Verhinderung sozialer Desintegration
- Einsicht in die Grunderkrankung, Motivation zur Trinkmengenreduzierung und Ermöglichung längerer Abstinenzphasen
- Akzeptanz des eigenen Behandlungs- bzw. Hilfebedarfs und Vermittlung zu weiterführenden suchtspezifischen Angeboten
- Entwicklung von Alternativen zum Suchtmittelmissbrauch
Ordnungspolitische Ziele
- Verbesserung der Ordnung und Sicherheit im Stadtteil
- Rückgang von Vandalismus und Verunreinigung
- Rückgang der Delikte
- Rückgang des Beschwerdeaufkommens
Zielgruppen
Das Projekt richtet sich an Männer und Frauen, die auf öffentlichen Plätzen Alkohol konsumieren und eine Alkoholabhängigkeit oder Missbrauchsverhalten aufweisen, keine oder nur einen beschränktem Zugang zu den Hilfesystemen haben und deren Lebensumstände von vielfältigen besonderen sozialen Schwierigkeiten geprägt sind. Anwohner/innen und Geschäftsinhaber/innen sind als indirekte Zielgruppe benannt, die mit diesen Menschen in Konflikt stehen bzw. sich ängstigen und verunsichert sind. Die Betreuung von Jugendlichen mit unterschiedlichen Problemlagen wird weiter über Projekte der Jugendhilfe realisiert.
Das Team
Das Team setzt sich aus zwei Sozialarbeiter/innen bzw. Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnen zusammen, die Berufserfahrung aus den Bereichen Sucht und Drogen, Wohnungslosigkeit, Casemanagement mitbringen und folgende fachliche Qualifikationen aufweisen: Studium der Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Mediation.
Das Team arbeitet nach den Prinzipien der Allparteilichkeit, der Niederschwelligkeit, der Transparenz und der geschlechtssensiblen Grundhaltung.
Einsatzorte und Einsatzzeiten werden den aktuellen Bedürfnissen der Zielgruppen und der aktuellen Entwicklungen im Stadtteil angepasst. Die Mitarbeiter/innen der Teams werden bei allen öffentlichen Einsätzen am Logo: "Aufsuchend-Sozial-Kompetent" erkennbar sein. Die Einsatzzeiten werden Montag bis Sonntag bedarfsorientiert festgelegt. Die wöchentliche Stundenzahl ist dabei auf 3/4 mobile Arbeit und 1/4 Bürozeit verteilt. Das Team ist mit Fahrrädern und Mobiltelefonen ausgestattet.
Konfliktregelung (Kommunikation) im öffentlichen Raum
Die Mitarbeiter/innen haben keine ordnungspolitischen Kompetenzen. Ihr Ziel ist es, durch sozialarbeiterische und kommunikative Kompetenz akute Konflikte zu regeln und mittelfristig ein tolerantes "Nebeneinander" zu erreichen. Haltungen und Regeln, die für ein tolerantes Nebeneinander notwendig sind, werden an die Beteiligten kommuniziert. Die Konsequenzen der Regelverletzungen werden vermittelt. Bei kritischen oder gewalttätigen Situationen wird die Polizei zugezogen. Die Verständigung der Polizei, sowie alle anderen unterstützenden Maßnahmen, werden allen Beteiligten transparent, eindeutig und klar mitgeteilt.
Interventionen
In Notfällen (Alkoholvergiftung, Verletzungen durch Gewalt oder Verwahrlosung) sind die Mitarbeiter/ innen in der Lage Erste Hilfe zu leisten und informieren die Rettungsleitstelle. Bei Verdacht auf psychiatrische Problemlagen wird der SpD2 oder in Kooperation mit der Polizei die/der Polizeiamtsärztin/ Polizeiamtsarzt zur Diagnoseabklärung und Veranlassung der weiteren Schritte hinzugezogen.
Kooperation und Vernetzung
Unter Vernetzung werden Tätigkeiten verstanden, die dem Aufbau und der Erhaltung von Kommunikations- und Informationsstrukturen, dem Nutzen von Synergieeffekten, gemeinsamer Lobbyarbeit und dem Abbau von Konkurrenz zwischen verschiedenen Institutionen, Trägern und politisch Verantwortlichen dienen. Transparenz und Information über strukturelle, soziale wie ordnungspolitische Maßnahmen sind ein Teil der Faktoren zur Verbesserung der subjektiven Sicherheit im öffentlichen Raum. Um mittel- bis langfristig die Kooperationen zu festigen, ist es unabdingbar, arbeitsfeldübergreifende Vernetzungsinitiativen und professionelle Strukturen der Zusammenarbeit zu implementieren.
Damit dieser Dialog zwischen den Partner/innen den Output nachweislich verbessern kann, sind auch formale Strukturen (offizieller Arbeitsauftrag, Regelung der Organisation, Informationsweitergabe an relevante Stellen) ein wichtiger (Erfolgs-) Faktor.
Das Team arbeitet eng vernetzt mit den trägerinternen Angeboten (Tagestreff der SZL, Ambulant betreutes Wohnen für alkoholkranke Menschen, Arbeits- und Beschäftigungsprojekte der SZL). In den Einsatzgebieten sind Einrichtungen und Institutionen tätig, die sich mit unterschiedlichen Schwerpunkten der beschriebenen Problemlage widmen. Soziale Einrichtungen, Ordnungsamt, Polizei, Mitarbeiter/innen von Sicherheitsfirmen etc. versuchen durch unterschiedliche Maßnahmen, eine Verbesserung der Situationen in den Regionen zu erreichen. Im Rahmen der externen Vernetzung hält das Team laufend Kontakt mit allen vor Ort tätigen Einrichtungen und Institutionen (Informationsaustausch, Maßnahmenplanung, Dienstplanabstimmung) und nimmt an bestehenden Vernetzungstreffen teil. Ein wichtiges Instrument ist dabei der Qualitätszirkel (s. Evaluation).
Evaluation
Das Modellprojekt wurde hinsichtlich der Implementierungsprozesse und seiner Wirksamkeit evaluiert. (HTWK Leipzig).
Der Erfahrungs- und Informationsaustausch, sowie die strategische Abstimmung notwendiger Maßnahmen erfolgt über einen interdisziplinären Qualitätszirkel. Das fortlaufende Monitoring dient der Qualitätssicherung und der kontinuierlichen Verfolgung und Überprüfung der Zielstellungen. Es gewährleistet eine regelmäßige Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Akteuren, trägt zur Festigung und Vertiefung der Zusammenarbeit verschiedener Anbieter bei und ermöglicht letztlich eine bessere Vermittlung der Betroffenen im Hilfesystem. Der Qualitätszirkel tagt einmal im Quartal.
Im Qualitätszirkel sind nachstehende Vertreter/innen beteiligt:
- Suchtbeauftragte
- SZL Suchtzentrum gGmbH
- Quartiersmanagement (vertretend für die AG Gemeinwesen)
- Vertreter der Wohnungslosenhilfe
- Verbund gemeindenahe Psychiatrie
- Bürgerpolizist
- Ordnungsamt
- Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung
- Vertreter/ -innen der Bürgervereine
- weitere nach thematischen Schwerpunkten
Eine jährliche Berichterstattung an die Suchbeauftragte ist gewährleistet und wird im jährlichen Suchtbericht der Stadt Leipzig integriert.
Erfüllung der Bewertungskriterien des Wettbewerbes.
Der Beitrag wird von der Stadt Leipzig eingereicht.
Der Beitrag:
- ist in eine kommunale Gesamtkonzeption zur Alkoholprävention eingebettet sind, (s. Anlage 1 Drogenpolitische Leitlinien, Die Leitlinien befinden sich derzeit in der Überarbeitung und wurden in der aktuellen Form den Gremien zur 1. Lesung vorgelegt. Insofern bitten wir von einer Veröffentlichung beigefügter Leitlinien abzusehen. Wir werden die aktuelle Fassung nach Beschlussfassung nachreichen können)
- basiert auf einer Ausgangs- und Bedarfsanalyse erstellt haben (s. Anlage Standortanalyse Ordnungsamt)
- hat Ziele detailliert festgelegt (s. Konzept)
- setzt Instrumente des Qualitätsmanagements und der Evaluation ein (über Qualitätszirkel und Evaluation durch die HTWK Leipzig)
- enthält innovative suchtpräventive Strategien,
- ist ganzheitlich angelegt und nimmt verschiedene Zielgruppen und unterschiedliche Orte des öffentlichen Raums oder verschiedene Settings in den Blick,
- kombiniert Maßnahmen der Verhaltens- und der Verhältnisprävention,
- bezieht Multiplikatoren, Eltern und Familien in die Alkoholprävention ein Vernetzung mit ASD bei Personen mit Kindern),
- ist geschlechtsspezifisch bzw. geschlechtersensibel ausgerichtet (Team 1 Mann, 1 Frau),
- bezieht die Zielgruppen partizipativ in Konzeption und Umsetzung ein,
- bindet Akteure ein, die sich nicht unmittelbar mit Alkoholprävention befassen (z.B. Veranstalter (Stadtteilfeste), Betreiber von Gaststätten oder Diskotheken, Sportvereine),
- umfasst eine verbindlich vereinbarte Akteursvernetzung und -kooperation,
- nutzt kommunale Einflussmöglichkeiten bei der Suchtprävention optimal
- sieht eine langfristige und nachhaltige Implementation alkoholpräventiver Strategien in der Kommune vor und setzt diese um,
- ist auf der kommunalpolitischen Ebene verankert wird dieser unterstützt (Vereinbarung),
- transferiert bereits bestehende und bewährte Projekte und Maßnahmen (Streetwork für erwachsene Drogenabhängige),
- leistet selbst einen Transfer in andere Kommunen (Anfrage der Stadt Dresden zum Konzept und Planung dieses an dortige SBB anzubinden).
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
C 1 Fragen zur gesamtkommunalen Einbindung des Wettbewerbsbeitrags
C 2 Fragen zur Konzeption und Ausrichtung des Wettbewerbsbeitrags
C3 Fragen zur Umsetzung des Wettbewerbsbeitrags
Amt für Stadterneurerung und Wohnungsbauförderung
Nur punktuell Streetwork Drogenabhängige
Geplant für andere Stadtteile