Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation
Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick
Einwohnerzahl |
Quickborn: 20.2891 |
Bundesland | Schleswig-Holstein |
Landkreis | Pinneberg |
Titel des Beitrags | Fachstellen "Kleine Riesen" |
Schwerpunkt des Beitrags | Angebot für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien |
Kontakt |
Volker Dentzin Sabine Kählert Andrea Hansen |
Anlass und Ausgangssituation
Die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die in Familien mit akuten Suchtproblemen aufgrund der Erkrankung eines oder beider Elternteile aufwachsen, wird bundesweit auf 2,65 Mio. geschätzt. Auf die Stadt Quickborn umgerechnet bedeutet dies etwa 600, auf die unmittelbar nebeneinander liegenden Städte Tornesch und Uetersen bezogen etwa 900 Kinder und Jugendliche, die in suchtbelasteten Familien mit akuten Suchtproblemen groß werden. Aufgrund der spezifisch belasteten Familiensituation besteht ein erheblich erhöhtes Risiko, dass diese Kinder dann selbst eine Abhängigkeitserkrankung ausprägen oder sich später an entsprechende Partner binden.
Konzeption und Ziele
Dieser Entwicklung und zugleich der Stigmatisierung von Kindern und Jugendlichen infolge der Suchterkrankung von Eltern entgegenzuwirken, ist das übergeordnete Ziel der in Quickborn und Tornesch/Uetersen im Jahr 2008 eingerichteten Fachstellen "Kleine Riesen". Im Detail stehen folgende Ziele im Zentrum:
- Durchbrechen des Suchtkreislaufs in Familien,
- Abbau von Suchtgefährdungen bei Kindern und Jugendlichen,
- Aufbau und Unterstützung angemessener Konflikt- und Problemlösungsstrategien,
- Unterstützung der durch Suchtkrankheiten betroffenen Eltern bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortungen und ihren Erziehungsaufgaben,
- Vermeidung von Inobhutnahmen und anderen stationären Unterbringungen,
- Entlastung und Förderung der betroffenen Kinder und Jugendlichen.
Vorgehen und Umsetzung
Die Arbeit der Fachstellen "Kleine Riesen" ist parteilich an den Interessen der Kinder und Jugendlichen orientiert. Zentrale Zielgruppe sind Kinder und Jugendliche von 6-18 Jahren, die entsprechend der Nachfrage zu Gruppen etwa gleichen Alters zusammengefasst werden. Die durch Suchtkrankheiten betroffenen Eltern werden bei Bedarf einbezogen und vor allem in ihren Versorgungs- und Erziehungsaufgaben unterstützt. Der Zugang erfolgt ausschließlich auf Basis von Freiwilligkeit. Die Kontaktmöglichkeiten werden niedrigschwellig gehalten. Kontakte werden z.B. über Schulen, Kindergärten, Ärzte, Familien und spezifische Einrichtungen (z.B. Jugendamt, Suchtberatung) vermittelt. Adressiert wird auch die (Fach)Öffentlichkeit, um so der Stigmatisierung von Suchterkrankten und ihren Angehörigen entgegenzuwirken.
Das Projekt zielt sowohl auf Verhaltens- als auch auf Verhältnisprävention. Es geht zum einen darum, den teilnehmenden Kindern und Jugendlichen aktuelle Unterstützung zu bieten, mit ihrer Situation in der Familie zurechtzukommen und eigene Suchtgefährdungen abzubauen. Zum anderen wird auch eine Veränderung zukünftiger Lebensbedingungen dieser Kinder und Jugendlichen angestrebt.
Angebote im Einzelnen sind:
- Soziale Gruppenarbeit:
Für die Kinder und Jugendlichen wird - einmal wöchentlich, auch in den Schulferien - ein fachlich qualifiziert angeleitetes, altersgerechtes Gruppenangebot mit spieltherapeutischen, heil- und sozialpädagogischen Elementen realisiert, das durch Einzelgespräche mit den Kindern und den Eltern vorbereitet wird. In diesem Rahmen finden auch besondere Aktionen wie z.B. die Entwicklung eines Buchs "für Kinder von Kindern" zum Thema Sucht, Ausflüge mit den Eltern oder Weihnachtsfeiern statt. - Einzelarbeit:
An den Bedürfnissen und Ressourcen des Kindes und methodisch an der sozialen Gruppenarbeit orientiert werden Einzelstunden angeboten. - Eltern- und Familienarbeit:
Eltern- und Familienarbeit erfolgt im Schwerpunkt über Gespräche, Familientage, Familienfreizeiten. Die Suchtproblematik der Eltern wird in der Regel außerhalb des Projekts im Rahmen der Suchthilfe des Kreises bearbeitet.
Darüber hinaus werden Beratung und Information u.a. für Erzieherinnen und Erzieher, Lehrkräfte sowie Beschäftigte in Jugendzentren angeboten. Es gibt spezifische Fortbildungsangebote zur Situation von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit Suchtproblematik, und es werden wöchentliche Sprechstunden zu Möglichkeiten präventiver Aktivitäten in Kindergärten, Schulen etc. angeboten.
Die Arbeit des Projekts wird fortlaufend dokumentiert. Hierzu werden unter anderem Fragebögen eingesetzt, um neben der qualifizierten Beobachtung der Kinder und Jugendlichen durch die Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter auch individuelle Änderungsprozesse, z.B. im Hinblick auf persönliche Befindlichkeiten, erfassen zu können.
Im Jahr 2009 wurden durch die Fachstellen "Kleine Riesen" 61 Kinder und Jugendliche erreicht, 46 Eltern waren in Form persönlicher Gespräche eingebunden. Im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit wurden 2009 rund 840 Personen erreicht.
Die Fachstellen werden vom Landesverein für Innere Mission verantwortet, der im Kreis Pinneberg, dem die Städte Quickborn, Tornesch und Uetersen angehören, Träger der Suchtberatung ist. Die Finanzierung der Fachstellen hat von 2008 bis 2010 allein der Kreis Pinneberg getragen. Seit 2011 erfolgt sie aufgrund von Sparbeschlüssen nur noch anteilig durch den Kreis. Die Restfinanzierung übernehmen jetzt die drei Städte Quickborn, Tornesch und Uetersen. Darüber hinaus werden von einem privaten Sponsor für 2011/2012 Mittel zur Verfügung gestellt. In Quickborn stehen ab 2011 0,5 Fachkraftstellen, in Tornesch/Uetersen 0,6 Fachkraftstellen zur Verfügung, so dass die Arbeit der Fachstellen unverändert, in Tornesch/Uetersen sogar leicht verstärkt, fortgesetzt werden kann.
Begründung der Prämierung
Der Wettbewerbsbeitrag zielt auf das Aufwachsen in suchtbelasteten Familien und damit explizit auf besondere Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen.
Besonders zu würdigen ist die Einbettung in das soziale Netzwerk der Kommunen, auf die bereits bei der Planung und Konzeption der Fachstellen "Kleine Riesen" besonderes Augenmerk gerichtet wurde. Das Angebot wurde bewusst an die bestehenden Suchtberatungsstellen angedockt, um die spezifische Fachlichkeit zu nutzen, aber auch um den betroffenen Eltern Vertraulichkeit durch eine nichtbehördliche Einrichtung zu signalisieren. Bei Bedarf an individuellen Problemlösungen wird eng mit Kitas, Schulen, Einrichtungen zur Berufsausbildung, Fort- und Weiterbildung, Jugendfreizeiteinrichtungen, Ärzten, Psychotherapeuten, Stadtverwaltungen, sozialen Hilfsorganisationen, dem Kinderhilfswerk Quickborn und mit Suchtselbsthilfegruppen zusammengearbeitet.
Vorbildlich ist auch das im Projekt installierte Monitoring. Es werden Instrumente der Anfangs- und Abschlussdokumentation mit detaillierten Daten zur gesundheitlichen, familiären und schulischen Situation eingesetzt. In den Abschlussdokumentationen werden darüber hinaus qualitative Ergebnisse zu Veränderungen in Befindlichkeiten und Handlungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen erfasst.
Das Konzept des Projektes ist beispielgebend für weitere entsprechende Maßnahmen im Kreis Pinneberg ab 2011. Zudem hat es eine breitere Diskussion der Situation von Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien auf Landesebene (Landtag Schleswig-Holstein) angestoßen.
Mit den einstimmigen politischen Beschlüssen in den zuständigen Gremien der Städte Quickborn, Tornesch und Uetersen, die beiden Fachstellen "Kleine Riesen" ab 2011 anteilig zu finanzieren, wird das Angebot trotz der Sparbeschlüsse des Kreises weiterhin sichergestellt.
Zum Originalwettbewerbsbeitrag der Städte Quickborn, Tornesch und Uetersen.
1 Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden folgender Quelle entnommen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010): Statistik Lokal. Daten für die Gemeinden, Kreisfreien Städte und Kreise Deutschlands. Ausgabe 2010. Gebietsstand 31.12.2008 (CD-ROM).