Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation
Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick
Einwohnerzahl |
170.5941 |
Bundesland | Bayern |
Titel des Beitrags | Bausteine "Familienbande" |
Schwerpunkt des Beitrags | Aufsuchende Angebote der Elternbildungsarbeit zu Erziehungsfragen mit dem Schwerpunkt Sucht; Schulung für Multiplikatoren aus der Erziehungsarbeit zum Thema "Kinder aus suchtbelasteten Familien" |
Einzelprojekte |
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Kontakt |
Ulli Himstedt |
Anlass und Ausgangssituation
Hoher Alkoholkonsum von Jugendlichen und Wege zu seiner Reduzierung sind im Landkreis Traunstein ein zentrales Thema. So wird seit 2008 das Projekt HaLT umgesetzt, das sich vor allem an durch Alkoholvergiftung auffallende Jugendliche und deren Familien richtet. Hierbei belegen sowohl Statistiken als auch Erfahrungen aus der Beratungs- und Behandlungsarbeit der "Caritas Fachambulanz für Suchtkranke" im Landkreis Traunstein die besondere Gefährdung von Kindern aus suchtbelasteten Familien. Zudem ist der frühe und exzessive Alkoholkonsum häufig mit mangelndem Problembewusstsein sowie mit geringen Handlungskompetenzen - auch der Eltern - verknüpft. In der Beratungsarbeit wird aber deutlich, dass viele Eltern über die klassischen Instrumente der Elternarbeit (Elternabende, Sprechstunden, Angebote der Erwachsenenbildung) nur sehr schwer bis gar nicht erreichbar sind.
Konzeption und Ziele
Angesichts dieser Problemlage hat der Landkreis Traunstein gemeinsam mit der Caritas Traunstein das von der EU geförderte Projekt "Familienbande" entwickelt. Das Projekt setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen, von denen im Wettbewerbsbeitrag zwei - "ElternTisch" und MultiplikatorInnenschulung - besonders hervorgehoben werden.
Beiden Bausteinen ist eine Reihe von Zielen gemeinsam:
- Stärkung des Zusammenhalts in der Familie,
- Erweiterung der Erziehungs- und Handlungskompetenzen von Eltern und weiteren am Erziehungsprozess beteiligten Erwachsenen,
- Schaffen eines Risikobewusstseins gegenüber Suchtmittelmissbrauch,
- Stärkung des suchtpräventiven Netzwerks im Landkreis Traunstein.
Fachlich begleitet werden die Aktivitäten zur Suchtprävention durch den Traunsteiner Präventionszirkel TRAPEZ - eine Arbeitsgemeinschaft, der das Gesundheitsamt und das Amt für Kinder, Jugend und Familie des Landkreises sowie die Caritas Traunstein angehören.
Vorgehen und Umsetzung
"ElternTisch"
"ElternTisch" ist ein aufsuchendes Angebot der Elternbildungsarbeit. Jeweils sechs bis zehn Eltern finden sich an einem ElternTisch zusammen und tauschen sich in privater Atmosphäre über Erziehungsfragen aus. Im Zentrum stehen dabei die Themen Alkoholkonsum, Rauchen, Cannabiskonsum und Internetspiele sowie die Vorbildrolle der Eltern beim Umgang mit Suchtmitteln. Gastgeber sind Mütter oder Väter, die Freunde, Nachbarn, Bekannte und interessierte Eltern aus Kindergarten und Schule zu sich nach Hause einladen. Gefunden werden die Gastgeber über die Kontakte der Projektpartner, Veranstaltungen an Schulen sowie durch Öffentlichkeitsarbeit.
Die etwa zweistündigen Gesprächsrunden werden von Moderatorinnen und Moderatoren begleitet, die selbst Kinder im Jugendalter haben und durch Mitglieder des Präventionszirkels TRAPEZ ausgebildet sind. In einer zweitägigen Schulung werden ihnen sowohl die Grundlagen von Gesprächsführung als auch elementares Wissen über Suchtmittel und Suchtverläufe vermittelt.
Durch das aufsuchende Angebot gelingt insbesondere der Zugang zu Migrantinnen und Migranten sowie sozial benachteiligten Familien. Seit Sommer 2008 wurden mehr als 70 ElternTische moderiert, 46 davon in Migrantenfamilien. Dabei hat sich das persönliche Engagement der insgesamt zehn Moderatorinnen und Moderatoren als entscheidend dafür herausgestellt, Eltern zur Teilnahme an den ElternTischen zu gewinnen. Die von den Eltern ausgefüllten Auswertungsbögen zeigen eine hohe Akzeptanz und Zufriedenheit der Teilnehmenden. In 2011 soll das Projekt zusätzlich extern evaluiert werden.
"MultiplikatorInnenschulung: Kinder aus suchtbelasteten Familien"
Das Projekt "MultiplikatorInnenschulung: Kinder aus suchtbelasteten Familien" ist ein Angebot für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kindergärten, Horten, Heimen, Schulen, Einrichtungen der Jugendhilfe sowie für Tages- und Pflegeeltern. In dem achtstündigen Schulungsprogramm wird den Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Wissen darüber vermittelt, was Kinder aus suchtbelasteten Familien von anderen Kindern unterscheidet und welche erzieherischen Notwendigkeiten dies nach sich zieht. Die Teilnehmer erhalten einen Ordner mit den Schulungsinhalten; darüber hinaus werden Info-Materialien sowie Fachliteratur ausgelegt. Durch die Einbindung des Jugendamtes in die Schulung soll die Kooperation zwischen den einzelnen Einrichtungen gefördert werden.
An der Multiplikatorenschulung haben im Juli und Oktober 2010 insgesamt 29 Personen im Rahmen von zwei Kursdurchgängen teilgenommen. Eine weitere Schulung ist für Mai 2011 geplant.
Die Veranstaltung wurde jeweils intern von den Teilnehmern mit Hilfe eines Stimmungsbildes bewertet. Eine weitere Rückmeldung der Teilnehmer wurde Anfang 2011 durch eine "Nutzwertanalyse" im Rahmen einer wissenschaftlichen externen Evaluation eingeholt.
Begründung der Prämierung
Der Wettbewerbsbeitrag zielt mit seinen beiden vorgestellten Einzelprojekten mittelbar, nämlich über eine Stärkung und Qualifizierung von Eltern und Erziehungsverantwortlichen, auf Kinder und Jugendliche in besonderen Lebenslagen. Hierbei stehen suchtbelastete und Migrantenfamilien, Alleinerziehende sowie bildungsferne Bevölkerungsschichten im Vordergrund. Die Projektergebnisse belegen, dass die Zielgruppen gut erreicht werden.
Zu würdigen ist, dass für beide Projekte eine gut nachvollziehbare Projektkonzeption (einschließlich Schulungsmaterial) vorliegt. Ziele und Vorgehen der Projekte sind klar und nachvollziehbar formuliert. Auf dieser Basis können die Projekte bei Bedarf auch andernorts umgesetzt werden.
In seiner Gesamtheit umfasst der Wettbewerbsbeitrag sowohl Maßnahmen der Verhaltens- als auch der Verhältnisprävention. Während die Multiplikatorenschulungen ein klassisches Instrument der Verhältnisprävention sind, wirken die ElternTische direkt auf das Erziehungsverhalten von Eltern, haben sich aber auch als Strukturelement der Suchtprävention im Landkreis Traunstein etabliert. Gesichert wird die Struktur durch die Einbindung in den Präventionszirkel TRAPEZ sowie durch regelmäßige Treffen der Moderatorinnen und Moderatoren mit entsprechender fachlicher Begleitung.
Über die beiden Projekte gelingt eine breite Einbindung von nicht unmittelbar mit Suchtprävention befassten Akteuren: Die Moderatoren sind für ihre Aufgabe geschulte Laien, die Teilnehmer der Multiplikatorenschulung kommen aus unterschiedlichen Bereichen der Erziehungsarbeit.
Positiv hervorzuheben sind auch die gut ausgebildeten Netzwerkstrukturen im Landkreis, insbesondere der Traunsteiner Präventionszirkel TRAPEZ, der die strukturelle Basis für das suchtpräventive Engagement im Landkreis darstellt.
Anerkennenswert schließlich sind die erfolgreichen Akquise-Bemühungen des Landkreises, so dass für die umfassenden und innovativen Maßnahmen im Bereich Suchtprävention eine Finanzierung über EU-Mittel gelang. Zudem wurde durch die dazu initiierte Kooperation zwischen den Kreisen Traunstein und Berchtesgadener Land sowie dem Land Salzburg ein breiter interkommunaler Erfahrungsaustausch - auch über Landesgrenzen hinweg - angestoßen.
Zum Originalwettbewerbsbeitrag des Landkreises Traunstein.
1 Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden folgender Quelle entnommen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010): Statistik Lokal. Daten für die Gemeinden, Kreisfreien Städte und Kreise Deutschlands. Ausgabe 2010. Gebietsstand 31.12.2008 (CD-ROM).