Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation
Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick
Einwohnerzahl |
98.3011 |
Bundesland | Mecklenburg-Vorpommern |
Titel des Beitrags | Vorsicht Absturzgefahr |
Schwerpunkt des Beitrags | Suchtstoffübergreifendes Gesamtkonzept mit einer Reihe von Einzelmodulen insbesondere in den Settings Schule und Ausbildungsbetrieb |
Einzelprojekte |
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Kontakt |
Jacqueline Röhr |
Anlass und Ausgangssituation
Der Landkreis Parchim liegt in Westmecklenburg. Er umfasst 76 kreisangehörige Gemeinden und ist mit 43 Einwohnern/km2 dünn besiedelt. Der Landkreis leidet unter einer Arbeitslosenquote von knapp zwölf Prozent und gilt als strukturschwach. Durch den Mangel an Infrastruktur und an Mobilitätsangeboten (z.B. im Bereich ÖPNV) sind für die dort lebenden Kinder und Jugendlichen die Möglichkeiten zur Teilnahme an Freizeitaktivitäten eingeschränkt. Schulen und Ausbildungsbetriebe bilden den Lebensmittelpunkt der jungen Menschen im Landkreis.
2008 wurde das langfristig angelegte Projekt "Vorsicht Absturzgefahr" aufgelegt. Anlass dafür war auf Landkreisebene das Einvernehmen darüber, dass ein Bedarf besteht für eine kontinuierliche und zielgruppenorientierte Suchtprävention, dass die Fälle von Familienbeistand oder sozialpädagogischer Familienhilfe (u.a. in suchtbelasteten Familien) zugenommen haben (2009: 321 Jugendliche), dass deutlich mehr Krankenhausbehandlungen von Jugendlichen mit Alkoholintoxikation zu verzeichnen waren und dass generell das Einstiegsalter beim Suchtmittelkonsum sank. Eine langjährig angelegte, umfassende und flächendeckende Suchtprävention sollte kurzzeitige, punktuelle Informationsveranstaltungen ablösen - dies war die Grundidee.
Konzeption und Ziele
Konzipiert und durchgeführt wird das Projekt vom Suchthilfezentrum Parchim des Diakoniewerks Kloster Dobbertin - im Auftrag und finanziert vom Jugendamt des Landkreises. Die Basis für die Zusammenarbeit bildet eine Kooperationsvereinbarung. Das Diakoniewerk Kloster Dobbertin ist im Präventionsrat des Kreises vertreten.
Zielgruppen des Projekts "Vorsicht Absturzgefahr" sind Schülerinnen und Schüler aller Schultypen (auch Förderschulen) der Klassenstufen 1 bis 12 sowie Auszubildende/Berufsschüler, darüber hinaus Eltern, Lehrer und weitere Multiplikatoren wie Schulsozialarbeiter oder Mitarbeiter in Jugendeinrichtungen. Ziel ist es, durch altersgemäße, kontinuierlich wiederholte Veranstaltungen für Schul- und Berufsschulklassen, aber auch für Eltern und Multiplikatoren, die Themen "Suchtstoffe", "Suchtbelastung" und "Drogen" zu behandeln, ggf. suchtmittelspezifische Maßnahmen zu ergreifen und soziale Kompetenzen, Selbstwertgefühl sowie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der jungen Menschen zu stärken. Das Konzept ist suchtstoffübergreifend angelegt, es werden Tabak, Alkohol, Medikamente, illegale Drogen, Online- und Internetsucht, Medienkonsum und Essstörungen behandelt.
Vorgehen und Umsetzung
Die Veranstaltungen werden von Mitarbeitern des Präventionsnetzwerks, insbesondere des Suchthilfezentrums Parchim, durchgeführt. Die Veranstaltungen für Schüler dauern in der Regel 90 Minuten, die für Lehrkräfte und Multiplikatoren sind als Tagesseminare konzipiert.
Das Suchthilfezentrum Parchim, das die Veranstaltungen im Auftrag des Präventionsrats des Kreises organisiert, schließt mit den beteiligten Schulen, Ausbildungsstätten und Jugendeinrichtungen Kooperationsverträge, die u.a. die Schulen zu einer Mitarbeit im Präventionsnetzwerk Parchim verpflichten. Das Suchthilfezentrum führt regelmäßige Kooperationstreffen und Auswertungsgespräche mit Direktoren, Lehrern und Schulsozialarbeitern der beteiligten Schulen durch. 50 Prozent der Schulen im Landkreis konnten bislang in das Projekt eingebunden werden. 2008 wurden 25 Veranstaltungen durchgeführt, 2009 schon 121 und 2010 sogar 186. Insgesamt wurden dabei rund 7.000 Personen erreicht.
Die Vernetzung auf Kreisebene findet im Präventionsrat statt. Dieser arbeitet unter dem Vorsitz des Jugendhilfekoordinators des Kreises, welcher im Jugend-, Schulverwaltungs- und Kulturamt angesiedelt ist. Im Präventionsrat sind neben kommunalen Akteuren auch Externe vertreten, so z.B. die Polizeiinspektion Parchim und die Kreisverkehrswacht.
Vorhandene Präventionsangebote, wie das Bundesmodellprojekt "SKOLL" und die Projekte DiaPoli, "Cool bleiben – statt zu schlagen", "PEP, "JOJO", wurden in das Projekt "Vorsicht Absturzgefahr" integriert, welches wiederum von dem mecklenburgischen Kreis Ludwigslust übernommen wurde.
Besonders herausgestellt werden im Beitrag drei Einzelprojekte:
- "Regionale Suchtprävention":
Es handelt es sich um ein Landesmodellprojekt und ist eine Art Leitstelle Suchtprävention mit Managementfunktion, die im Landkreis Parchim seit Juni 2010 zum Einsatz kommt. Ihre Aufgaben sind die Initiierung von Kampagnen, die Koordination von Präventionsangeboten und die Vernetzung der Akteure im Landkreis. Die strukturellen Voraussetzungen für gezielte Organisation, Koordination und Beratung im suchtpräventiven Bereich im Landkreis konnten durch das Landesmodellprojekt deutlich verbessert werden. - "Parchimer Präventionsnetzwerkarbeit an der Schule mit dem Förderschwerpunkt Lernen":
Im Kern geht es um die Anwendung von vier importierten Einzelprojekten an einer Förderschule, die von Kindern und Jugendlichen in besonderen Lebenslagen besucht wird. 50 Prozent der Kinder dieser Schule haben Lernschwierigkeiten, weisen Verhaltensauffälligkeiten auf und/ oder sind in schwierigen Lebenssituationen. Die vier Einzelprojekte (Konflikttraining/Erlebnispädagogik, Prävention von Teenagerschwangerschaften durch "Elternpraktikum" mit Computerbaby, Selbstkontrolltraining Sucht "SKOLL", Kooperationsprojekt mit der Polizei zu Recht/Alkohol/Straßen-verkehr "DiaPoli") haben unmittelbaren oder mittelbaren Suchtpräventionsbezug. Die Inhalte der Einzelprojekte sind aufeinander abgestimmt und werden an das Niveau und die Entwicklung der Klassenstufen 5 bis 8 angepasst und weiterentwickelt. - Präventionswoche 2010 des Landkreises Parchim:
Die Präventionswoche findet seit 2004 statt und hatte 2010 das Schwerpunktthema Medien. Sie erreicht jährlich ca. 750 Schülerinnen und Schüler, Eltern und Multiplikatoren.
Begründung der Prämierung
Der strukturschwache Landkreis legt ein langfristig angelegtes, nachhaltiges und suchtstoffübergreifendes Gesamtkonzept mit einer Reihe von Einzelmodulen insbesondere in den Settings Schule und Ausbildungsbetrieb vor. Er reagiert damit auf Defizite der bisherigen Arbeitsausrichtung – speziell in Bezug auf die Suchtprävention bei Kindern und Jugendlichen in besonderen Lebenslagen. Dies sind insbesondere junge Menschen aus schwierigen Familienverhältnissen, Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien sowie Schüler aus Förderschulen. Im Grundsatz sind darüber hinaus alle Kinder und Jugendliche im Kreis Zielgruppe des Projekts, da eine möglichst große Flächendeckung bei den suchtpräventiven Aktivitäten verfolgt wird.
Positiv hervorzuheben und zu würdigen ist eine Reihe von Aspekten:
- die fundierte Ausgangsanalyse,
- das umfassende und nachhaltig angelegte Konzept,
- die ganzheitliche Ausrichtung des Ansatzes durch die Einbindung einer breiten Palette von Suchtstoffen und eine Ausdifferenzierung der Zielgruppen und Settings,
- die vorbildliche Kooperation mit Partnern, die schriftlich fixiert wird, und die Einbindung von vielen relevanten Akteuren,
- die ausgezeichnete Öffentlichkeitsarbeit
- und die beeindruckende Flächenwirkung.
Zu würdigen ist zudem die Integration einer ganzen Reihe von externen Ansätzen und Modellprojekten in das eigene Projekt.
Zum Originalwettbewerbsbeitrag des Landkreises Parchim.
1 Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden folgender Quelle entnommen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010): Statistik Lokal. Daten für die Gemeinden, Kreisfreien Städte und Kreise Deutschlands. Ausgabe 2010. Gebietsstand 31.12.2008 (CD-ROM).