Landkreis Konstanz

Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation

Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick

Anlass und Ausgangssituation

Vor dem Hintergrund wachsender alkoholbedingter Exzesse und der Zunahme alkoholbedingter Klinikeinweisungen von Kindern und Jugendlichen initiierten zwei Rotary-Clubs eine Kooperation mit dem Landkreis und seinen Netzwerkpartnern. 2005 wurde nach einjähriger konzeptioneller Vorarbeit das Netzwerk "b.free" gegründet, eine Initiative gegen den Alkoholmissbrauch von Kindern und Jugendlichen (ausgezeichnet im 3. Bundeswettbewerb). Dem Netzwerk haben sich inzwischen alle 25 Städte und Gemeinden des Landkreises, alle kommunalen Jugendreferenten, Schulsozialarbeiter, die Kommunale Kriminalprävention, die Präventionsfachkräfte der verbandlichen Suchtberatungsstellen, die Jugendämter sowie verschiedene Wohlfahrtsverbände angeschlossen. Bürger wurden als ehrenamtliche Botschafter gewonnen und ausgebildet. Mittlerweile wird das Netzwerk von fünf Rotary-Clubs finanziell gefördert und durch zahlreiche Firmen und Unternehmen gesponsert. Im Jahre 2010 wurde das Netzwerk in eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft, die Rotary b.free UG, überführt. Der Landkreis hat in den Personen des Kommunalen Suchtbeauftragten und des Kreisjugendpflegers die Geschäftsführung inne.

Konzeption und Ziele

Dieses ausgeprägte Netzwerk wird seit 2008 zu "b.free special" weiterentwickelt. Hier stehen explizit Kinder und Jugendliche in besonderen Lebenslagen im Mittelpunkt. Neben den allgemeinen Präventionsmaßnahmen werden spezielle Vorgehensweisen konzipiert, um Kinder und Jugendliche aus schwierigen Lebenssituationen präventionssensibel zu begleiten. Basierend auf der jahrelangen engen Netzwerkkultur werden Konzepte entwickelt, die es ermöglichen, intensiver mit Problemgruppen zu arbeiten, die sonst nur schwer erreicht werden.

Vorgehen und Umsetzung

Zum Angebotsspektrum von "b.free special" gehören:

• Einzel- und Gruppenangebote für Kinder suchtkranker Eltern:
  Finanziert durch den Landkreis werden wöchentlich Kinder von suchtkranken Eltern in Einzel- und Gruppenangeboten in ihrer schwierigen Lebenslage begleitet. Im Vordergrund stehen das Aufarbeiten belastender Erfahrungen, die Entlastung von Schuldgefühlen, das Stärken von Sozialkompetenz und Konfliktmanagementfähigkeiten, aber auch die Unterstützung bei der Bewältigung von Alltagsanliegen. Durch die Mitwirkung im Netzwerk "b.free" und den Stadteilkonferenzen in Konstanz und Singen wird über lokale Netzwerkpartner der Zugang zu besonders belasteten Familien erleichtert bzw. ermöglicht.
• Spezielle Präventionsworkshops in Jugendhäusern und Schulen in sozial benachteiligten Stadtgebieten:
  Regelmäßig werden durch die im Netzwerk "b.free" mitwirkenden Jugend- und Schulsozialarbeiter Suchtpräventionsworkshops durchgeführt. Hierbei können die Netzwerkfachkräfte auf die unterschiedlichsten Präventionsparcours und Präventionsmaterialien zurückgreifen, die durch das Netzwerk "b.free" in den letzten Jahren entwickelt und angeschafft  wurden. Die Materialien sind für unterschiedliche Altersgruppen konzipiert und ausgerichtet, teilweise auch geschlechtsspezifisch entwickelt, so dass in jeweils getrennten Räumen von je einer männlichen bzw. weiblichen Fachkraft die stets interaktiven Workshops durchgeführt werden können. Für Teilnehmende im Grundschulalter stehen die Ich-Stärkung und das Abgrenzungsverhalten zur Gruppe sowie die Entwicklung der eigenen Identität im Vordergrund, für ältere Teilnehmer geht es darüber hinaus auch um Peer- und Partyverhalten sowie um Einstellungen zu Suchtmitteln und den Umgang mit diesen Stoffen.
• Film- und Tanzprojekte, Projekt Autotuning:
  In Kooperation mit einer Theaterpädagogin des Stadttheaters Konstanz, einem Medienpädagogen und einer Tanzpädagogin wurden Projekte mit Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien durchgeführt. So wurde u.a. mit den Jugendlichen ein Film mit dem Titel "Blackout" gedreht, der anschließend in Schulen gezeigt wurde. Die aktive schauspielerische Beteiligung der Jugendlichen bei diesem Film­projekt stand dabei im Vordergrund. Ein Teil des Projektes bestand im Tuning von Autos. Hierfür stellte eine Kfz-Werkstatt an mehreren Wochenenden ihre Räume zur Verfügung und ermöglichte es den Jugendlichen auf diese Weise, unter Anleitung von Pädagogen neue Erfahrungen in Projektwerkstattgruppen zu sammeln und die für die Filmaufnahmen verwendeten Autos entsprechend zu reparieren und zu tunen. Zu diesen kulturellen Angeboten gehört auch "Urban Skillz”, ein tanzpädagogisches Projekt mit Mädchen aus sozial benachteiligten Wohnvierteln.

Ebenso zählen zum Angebotsspektrum von "b.free" an zwei Schulen von Schulsozialarbeitern täglich betreute Kletterwände sowie mobile Saftläden und alkoholfreie Diskos, die durch "faire Eintrittsgelder" gerade auch Kindern und Jugendlichen aus von Armut betroffenen Familien den Besuch ermöglichen sollen.

Begründung der Prämierung

Dem Landkreis Konstanz ist es in hervorragender Weise gelungen, das bestehende alkoholpräventive Netzwerk "b.free" in Hinblick auf Kinder und Jugendliche in besonderen Lebenslagen bedarfs- und zielgruppengerecht weiterzuentwickeln. Die angebotenen Aktivitäten und Maßnahmen von "b.free special" werden explizit mit spezifischem Lebenslagenbezug umgesetzt: belastende Familiensituationen, Armut, Bildungsbenachteiligung, schwierige Wohnverhältnisse. Dabei werden Projektbausteine von "b.free" entsprechend erweitert oder es werden Angebote ausschließlich für diese Zielgruppe neu konzipiert. "b.free special" nutzt damit gezielt das gelungene Konzept, die breite Vernetzung und die vielfältigen Erfahrungen von "b.free" und baut hierauf erfolgreich auf.

Hervorzuheben ist auch die vielfältige und dynamische Akteurslandschaft des Netzwerks, dem mit der regionalen Wirtschaft und als ehrenamtliche "b.free-Botschafter" tätige Bürger auch Akteure außerhalb des engen Suchthilfebereichs angehören. Das Netzwerk "b.free" hat damit eine breite gesellschaftliche Basis.

Ähnlich vielfältig ist das Spektrum an Settings und Einrichtungen, in denen suchtpräventive Aktivitäten und Maßnahmen durchgeführt werden: Schulen, Jugendeinrichtungen, Sportvereine, Ausbildungsstätten, Diskotheken, Gaststätten und Einzelhandel, Stadtteile und öffentlicher Raum (Veranstaltungen, Festkultur).

Zu würdigen ist auch die von Beginn an breite politische und ideelle Unterstützung des Netzwerks "b.free" durch den Landrat sowie die Oberbürgermeister und Bürgermeister der Kommunen im Landkreis.

Beispielhaft ist schließlich die 2010 erfolgte Überführung des Netzwerks "b.free" in eine gemeinnützige Unternehmergesellschaft mit kommunaler Geschäftsführung. Auf diese Weise hat der Landkreis gemeinsam mit seinen Partnern - insbesondere den beteiligten Rotary-Clubs - einen zentralen Beitrag zur nachhaltigen Verstetigung des erfolgreichen alkoholpräventiven Netzwerks geleistet.

Zum Originalwettbewerbsbeitrag des Landkreises Konstanz.

¹ Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden folgender Quelle entnommen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010): Statistik Lokal. Daten für die Gemeinden, Kreisfreien Städte und Kreise Deutschlands. Ausgabe 2010. Gebietsstand 31.12.2008 (CD-ROM).