Berlin, Bezirk Tempelhof-Schöneberg

Foto der Preisträger

Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation

Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick

Einwohnerzahl 335.1101
Bundesland Berlin
Titel des Beitrags PEaS – Peer-Eltern an Schule
Schwerpunkt des Beitrags Schulung von Eltern in der suchtpräventiven Erziehung ihrer Kinder über einen Peer-Eltern-Ansatz
Kontakt Dr. Sybill Klotz
Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg von Berlin
Abteilung Gesundheit und Soziales
Tempelhofer Damm 165
12099 Berlin
Tel.: 030/90277-7250
E-Mail: Sibyll.Klotz@ba-ts.berlin.de

Anlass und Ausgangssituation

Der Ausländeranteil im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg liegt bei 16 Prozent (mit einem Nord-Süd-Gefälle im Bezirk von 48 Prozent gegenüber 6 Prozent); die Arbeitslosenquote beträgt knapp 13 Prozent, die Armutsquote etwa 12 Prozent. Im Sozialindex verbesserte sich der Bezirk seit 2003 gegenüber den anderen elf Berliner Bezirken von Platz 8 auf Platz 5, wobei eine Stabilisierung vor allem für das Quartiermanagementgebiet "Schöneberger Norden" erkennbar ist.

Im Jahr 2007 wurde das bezirkliche suchtpräventive Aktionsforum "Unabhängig bleiben!" ins Leben gerufen, das zu Beginn seiner Arbeit zunächst eine Bedarfsanalyse durchführte. Die Ergebnisse dieser Analyse zeigten eine Lücke im Bereich der universellen und selektiven Suchtprävention für Eltern und Familien auf. So haben viele im Bezirk lebende Eltern - mit und ohne Migrationshintergrund - einen hohen Informationsbedarf zum Thema Sucht(prävention).

Die Ergebnisse der lokalen Bedarfsanalyse gewinnen im Licht stadtweiter Untersuchungen noch an Relevanz. So weisen Ergebnisse der 2009 erstellten Studie "Jugendliche – Alkohol – Hintergründe" der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin nach, dass etwa 50 Prozent der Eltern nicht mit ihren pubertierenden Kindern über Alkohol sprechen, obwohl nachgewiesen ist, das Gespräche zwischen Eltern und Kindern einen wichtigen Stellenwert in der Suchtprävention haben.

Konzeption und Ziele

Vor diesem Hintergrund hat die Fachstelle für Suchtprävention im Auftrag des Bezirks Tempelhof-Schöneberg von Berlin und in enger Abstimmung mit dem Aktionsforum "Unabhängig bleiben!" das Projekt "PEaS - Peer-Eltern an Schule" entwickelt, das auf einem Konzept zur Elternbildung und Elternschulung fußt. Ziel ist es, das Zusammenwirken von Eltern und Schule zu befördern, um die Wirksamkeit suchtpräventiver Maßnahmen zu erhöhen. PEaS richtet sich primär an Eltern von Schülerinnen und Schülern der 5. bis 6. Klasse, die in der suchtpräventiven Erziehung ihrer Kinder geschult werden sollen, um dieses Wissen - gemäß dem zugrunde liegenden Peer-Ansatz - an andere Eltern weiterzugeben. Weitere wichtige Zielgruppen sind Kontaktlehrkräfte und/oder Psychologen der jeweiligen Schule.

PEaS ist ein suchtpräventives Partnerschaftsprojekt des Bezirksamtes Tempelhof-Schöneberg von Berlin, der Fachstelle für Suchtprävention im Land Berlin und der AOK Berlin-Brandenburg, die als Finanzier und zur fachlichen Unterstützung gewonnen werden konnte.

Vorgehen und Umsetzung

Das Projekt PEaS besteht aus drei Bausteinen:

  • Elternkurse:
    Die Kurse werden von der Fachstelle für Suchtprävention in Zusammenarbeit mit einer Fachkraft aus dem medizinischen sowie dem Beratungsbereich durchgeführt. In den Kursen (drei Module à drei Stunden) wird den Eltern Wissen kultursensibel vermittelt. Themen sind u.a. Suchtentstehung, Risiko- und Schutzfaktoren, Gesprächsführung, Wirkung von Suchtmitteln, süchtige Verhaltensweisen, Konsummotive von jungen Menschen unter Berücksichtigung genderspezifischer Aspekte, Informationen zu relevanten bezirklichen Hilfeeinrichtungen (z.B. Sucht-, Erziehungs- und Migrantenberatung).
    Neben der Informationsvermittlung liegt in den Elternkursen der Schwerpunkt auf der Umsetzung des Peer-Ansatzes: Die Eltern üben Gespräche mit anderen Eltern zu Themen der Suchtprävention. Besonderes Augenmerk wird darauf gerichtet, über die Peer-Eltern Familien mit besonderen Problemlagen zu erreichen. So werden die Peer-Eltern auch für das Thema "Kinder aus suchtbelasteten Familien" sensibilisiert.
  • Eltern-Tische:
    Elterntische sind ein begleitendes Angebot nach Beendigung der Elternkurse und dienen dem Erfahrungsaustausch und der Vernetzung. Die Elterntische finden wohnortnah für die Eltern in Räumen des Bezirks statt (z.B. Schulen, Bezirksamt, Stadtteiltreffs), um kurze Wege für die Eltern zu ermöglichen.
  • PEaS-Multiplikator/innenschulungen:
    Die Kontaktlehrkräfte für Suchtprophylaxe, Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen werden über das PEaS-Konzept mit dem Ziel informiert, dass sie die PEaS-Eltern an ihrer Schule unterstützen und fördern. Darüber hinaus werden den Schulen flankierende Schulungen angeboten, z.B. "Kind /Sucht Familie" oder "MOVE – Motivierende Kurzintervention".

PEaS wurde im Schuljahr 2009/2010 als Pilotprojekt an drei Grundschulen durchgeführt, die alle im problembehafteten nördlichen Teil des Bezirks liegen. Zur Erleichterung der Kontaktanbahnung zwischen Schule und Eltern wurden Adresslisten zum Einsatz an der jeweiligen Schule erstellt. So wird den PEaS-Eltern die Kontaktaufnahme zur Kontaktlehrkraft für Suchtprophylaxe erleichtert. Als besonders erfolgreich hat sich die direkte Ansprache von Eltern durch Schulsozialarbeiter erwiesen. Auch über die Vorstellung des Projekts auf Elternabenden konnten Peer-Eltern gewonnen werden. Im Pilot-Schuljahr nahmen 17 Eltern kontinuierlich teil, 13 davon wiesen einen Migrationshintergrund auf. An der Multiplikatorenschulung nahmen die Fachkräfte aller drei Schulen teil. Im Schuljahr 2010/2011 wurde das Projekt an sechs Grundschulen mit einer verfünffachten Anmeldezahl von Eltern weitergeführt.

Das Projekt wurde im Juli 2010 durch die Freie Universität Berlin evaluiert, die erkennbare Effekte bezüglich der Sensibilisierung der Eltern in den Themenbereichen Substanzkonsum, Computerspiele, Pubertät und Erziehungsfragen sowie in der Stärkung der Kommunikation feststellte.

Begründung der Prämierung

Das Projekt PEaS ist in hohem Maß soziallagensensibel ausgerichtet. Hierzu tragen der Stadtteilansatz (Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf), die Zusammenarbeit mit Schulen im Stadtteil sowie die Ausrichtung auf Migranten und auf Familien in schwierigen sozialen Verhältnissen bei.

Hervorzuheben sind die gute Vernetzung der Projektpartner sowie die inhaltliche Ausrichtung auf die Förderung der Integration von Migranten. Die Vernetzung - auch mit Migrantenorganisationen -, die sorgfältige Konzeption sowie die Bereitstellung mehrsprachiger Informationsflyer und von Kurs-Dolmetschern tragen dazu bei, dass diese u.a. im Fokus des Projekts stehende Zielgruppe erfolgreich erreicht wird.

Der Projektansatz ist niedrigschwellig und über den Peer-Ansatz besonders gut geeignet, Eltern und Familien in besonderen Lebenslagen zu erreichen. So weist das Projekt eine hohe Akzeptanz bei den Eltern auf und erzielt nachweisbar Effekte bei ihrer Sensibilisierung für suchtpräventiv relevante Themenbereiche.

Auch für den Aufbau und die Weiterentwicklung von Strukturen und Netzwerken leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag. Die Förderung der Zusammenarbeit mit Schulen sowie die Einbindung der Zielgruppe selbst erhöhen die Wirksamkeit des Projektes, das sowohl verhaltens- als auch verhältnispräventiv ausgerichtet ist.

Das Projekt zeichnet sich ferner durch seinen Transfergedanken aus. PEaS soll über die AOK Berlin-Brandenburg, die nicht nur als Finanzier, sondern auch als inhaltliche Ideengeberin und Netzwerkpartnerin beteiligt ist, als Best-Practice-Projekt in andere Bundesländer transferiert werden.

Hervorzuheben ist schließlich die bereits nach kurzer Laufzeit positive Resonanz auf das Projekt. Nicht nur in der Öffentlichkeit stößt es auf großes Interesse, sondern auch in der Fachwelt: So wurde das Projekt PEaS von der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen als Modellprojekt für gute und nachhaltige Elternarbeit benannt. Zudem ist PEaS Beispielprojekt für das Setting Schule im Bericht 2010 des nationalen REITOX-Knotenpunktes für die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD).

 

Zum Originalwettbewerbsbeitrag von Berlin, Bezirk Tempelhof-Schöneberg.

 

1 Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden folgender Quelle entnommen: Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2010): Statistik Lokal. Daten für die Gemeinden, Kreisfreien Städte und Kreise Deutschlands. Ausgabe 2010. Gebietsstand 31.12.2008 (CD-ROM).