Junior Vital - ernähren, bewegen, entspannen - und wie?!

Plattform Ernährung und Bewegung

Prävention und Gesundheitsförderung haben seit einiger Zeit in Deutschland wieder einen höheren Stellenwert und sollen zur vierten Säule im Gesundheitswesen auf- und ausgebaut werden. Insbesondere gegen Übergewicht und Bewegungsmangel bei Kindern und Jugendlichen soll angekämpft werden. Zur Vorbeugung von Übergewicht und deren Folgeerkrankungen wurde im September 2004 unter Federführung des Bundesministeriums Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz die Plattform Ernährung und Bewegung e.V. (peb) gegründet. Die gemeinsame Initiative von Politik, Verbänden und Wirtschaft ist mit rund 100 Partnern das europaweit größte Netzwerk. Im Kreis Recklinghausen versucht das Gesundheitsamt örtliche Initiativen beim Kampf gegen das Übergewicht zu unterstützen, so wie in Herten das Projekt „Junior Vital" - Gesundheitsförderung von Kindern, Jugendlichen und ihren Bezugspersonen.

Vor diesem Hintergrund trafen sich am 23. Mai 2005 im Hertener Glashaus rund 70 Vertreter aus Schule, Elternschaft und Jugendeinrichtungen sowie Akteure im Gesundheitswesen zur Auftaktveranstaltung des Aktionsbündnisses - ernähren, bewegen, entspannen und wie ?! Es wurden den Teilnehmern/innen auf der Auftaktveranstaltung konkrete Angebote für Schulen vorgestellt, die sofort bzw. im zweiten Schulhalbjahr 2005 abgerufen werden konnten. Diese Angebote sind in einem Programmheft "Junior Vital" zusammengestellt und an die Schulen - zur Auswahl und Buchung der Angebote - weitergeben worden.

Daten der Schuleingangs- und Schulentlassuntersuchungen 2004

Wie dringlich unser Handeln ist, verdeutlichten auch die neuesten Daten der Schuleingangs- und Schulentlassuntersuchungen. Hertens Kinder sind überdurchschnittlich zu dick, berichtete die heutige Amtsleiterin und damalige Leiterin des Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes im Kreisgesundheitsamt, Frau Dr. Ulrike Horacek auf der Auftaktveranstaltung. Bei der Untersuchung von 630 Kindern aus Herten (2004) hatten nur 81 Prozent ein normales Gewicht. 4,5 Prozent der untersuchten Kinder zeigten Untergewicht und 14,5 Prozent der Kinder waren leicht oder stark übergewichtig. Damit liegt Herten deutlich über dem Kreisdurchschnitt und auch über dem Landesdurchschnitt. Dr. Berit Schäfers, Kinder- und Jugendärztin des Gesundheitsamtes in Herten, untermauerte die Zahlen mit eindrucksvollen Beispielen. So ist aber nicht nur der hohe Anteil der übergewichtigen Kinder ein Alarmzeichen, sondern auch die große Spanne beim Körpergewicht der durchschnittlich 6jährigen von 15,5 bis 51,5 Kilogramm bedenklich.

Neben dem Körpergewicht sind motorische Fähigkeiten und Bewegungsarmut bei vielen Kindern problematisch - insbesondere Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial benachteiligten Familien sind auffällig. Als Hauptursachen für den schlechten Gesundheitszustand gelten falsche Ernährung, Bewegungsmangel und Alltagsstress.

Das ist Grund genug für die Kooperationspartner - hier: Stadt Herten und Gesundheitsamt des Kreises Recklinghausen -, das Thema Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche in Herten verstärkt anzugehen und zu versuchen, nachhaltige Strukturen zu entwickeln, die helfen, zu einer Veränderung von Verhalten und Verhältnisse beizutragen: Beim Essen, bei der Bewegung und in Stresssituation.

Prinzip "Fördern und Fordern"

Dank der Projektförderung durch das Landesjugendamt NRW konnten vom Kinder- und Jugendschutz der Stadt Herten ganz gezielt Angebote gemacht werden. Die Angebote wurden zum Teil speziell für dieses Projekt entwickelt, gebündelt und Schule bekannt sowie nutzbar gemacht. Dabei wurde das Prinzip "Fördern und Fordern" angewandt. So bekam jede Hertener Schule ein festes Budget von 500 Euro. Über diesen Betrag konnten die Schulen frei verfügen, um Angebote des Programms zu buchen. Um entsprechend dem Lernplan oder dem eigenen Schulprogramm möglichst vielen Schülern die Angebote zugänglich zumachen, machte es Sinn, wenn plus der Förderung durch das Aktionsbündnis - ernähren, bewegen und entspannen - und wie?! die Schule einen Eigenbeitrag der Schüler oder die Schule eigene Mittel z.B. der Fördervereine einsetzte.

Dieses Finanzierungsmodell wurde auch von vielen Schulen genutzt, so dass in Herten von 19 angesprochenen Schulen 14 Schulen - hier:

  • 7 Grundschulen,
  • 2 Realschulen,
  • 2 Hauptschulen,
  • 1 Gesamtschule,
  • 1 Sonderschule und
  • 1 Gymnasium sowie
  • 1 Übermittagsbetreuungsgruppe

an dem Projekt teilnahmen.

78 Klassen nutzten 183 Veranstaltungstermine d.h. rund 2400 Schüler und Schülerinnen haben die Gelegenheit wahrgenommen - über besser zu essen, sich zu bewegen und stressfreier leben - mehr zu lernen.

Konzepte und Programme zur Gesundheitsvorsorge und Gesunderhaltung

Der Schwerpunkt des Projektes „Junior Vital" liegt einerseits darauf die Bereitschaft der Kinder und Jugendlichen zu verantwortungsbewusstem, gesundheitsgerechtem Verhalten und zu einer sachgerechten Nutzung der Angebote in Herten - siehe Point Pass und Gesundheitsstationen - zu fördern. Anderseits möchten wir Institutionen wie Schule und Kindertagesstätten (geplant) bei der Bearbeitung der Themenfelder wie Ernährung, Bewegung und Entspannung unterstützend zur Seite stehen.

Ziel ist es nachhaltige Konzepte und Programme zur Gesundheitsvorsorge und Gesunderhaltung mit Schule zu entwickeln und zum Tragen kommen lassen. Bei der Entwicklung dieser Konzepte und Übertragung ins Schulprogramm konnten sich die für die Schule Verantwortlichen von der Jugendschutzbeauftragten der Stadt Herten Frau Sylvia Steffan und vom Referenten für Gesundheitsförderung des Gesundheitsamtes des Kreises Recklinghausen, Herrn Werner Kasperek-Trosien unterstützen lassen.

Viele Grundschulen - dies zeigte die Abfrage im Evaluierungsfragebogen - haben das Thema Gesundheit schon in ihr Schulprogramm verankert. Die meisten weiterführenden Schulen behandeln Gesundheitsthemen zwar im Unterricht, das Thema „Ganzheitliche Gesundheitsförderung" ist jedoch noch nicht in ihre Schulprogramme mit aufgenommen worden. Wir sollten gezielt Schulen, von denen wir wissen, dass sie das Thema Gesundheit noch nicht im Schulprogramm strukturell verankert haben ansprechen und auf Schulleiterkonferenzen und z. B. in den Kooperationszirkeln des Gesundheitsamtes sowie beim Bündnis für Erziehung für die Aufnahme von Gesundheitsförderungsmaßnahmen ins Schulprogramm werben. Das Beratungs- und Unterstützungsangebot des Fachbereiches Schule und Jugend der Stadt Herten und des Gesundheitsamtes des Kreises Recklinghausen wird diesbezüglich weiter aufrechterhalten.

Schulen nutzen Gesundheitsangebote

Um zu zeigen, welche Möglichkeiten bestehen die Themen Ernährung, Bewegung und Entspannung im Unterricht zu behandeln, boten wir Schulen an, Fachkräfte mit vielfältigen Unterrichtseinheiten in die Schule zu holen, bzw. konnten Schulklassen Hertener Gesundheitsstationen besuchen und dort außerschulischen Unterricht vor Ort praktizieren. Zur Vorbereitung auf die Themen und zur Verbesserung der Schulverpflegung konnten Schulleitung, Verantwortliche für die Schulverpflegung, Lehrer/innen (vorrangig Biologie, Sport und Klassenlehrer) interessante Fortbildungen nutzen.

Die Fortbildungen waren kostenfrei und wurden teilweise von den Fachkräften, die die Unterrichtseinheiten in den Schulen anboten, durchgeführt. Dies gab, den Lehrern die Möglichkeit z. B. Grundlagen einer gesunden Kinderernährung kennenzulernen, Spaß am Unterrichten wieder zu finden oder Entspannungsverfahren selbst auszuprobieren und so fachlich vorbereitet in die ausgesuchten Unterrichtseinheiten zugehen und damit für sich einen einfacheren Einstieg, in die für die Klassen ausgesuchten Themenfelder zu finden.

Diese Fortbildungen:

  • Fit fürs Leben
  • Schüler verstehen!?
  • Was ist Entspannung?

sind von den Referentinnen Marianne Pidt-Malchus (Ernährungsberaterin/DGE, Herten), Nadine Weber-Mau (Motopädin und Gymnastiklehrerin, Herten), Erika Odenkirchen und Ilona Anders (Soziotherapeutinnen, Herten) durchgeführt und seitens der Teilnehmern /innen - insgesamt 45 Pädagogen/innen - sehr positiv bewertet. Neben dem Fortbildungseffekt „Wissen praxisnah vermittelt bekommen zu haben" lernten die Teilnehmer/innen auch Gesundheitsangebote, die in Herten etabliert sind, kennen.

Auch überregionale Fortbildungsmaßnahmen wurden angeboten und konnten z.B. von den Übermittagsbetreuungskräften bzw. Verpflegungsverantwortlichen genutzt werden. Initiiert und finanziert durch das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft führt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) das Projekt „Schule + Essen = Note 1" durch. Verantwortliche für Schulverpflegung - hier vor allem für Übermittagsbetreuungskräfte der AWO Herten - nahmen an der Infoveranstaltung unter dem Motto „Schlauer essen grundlegende Aspekte für die Schulverpflegung" teil. Die 20 Teilnehmerinnen wurden über Grundlagen einer optimalen Versorgung in Ganztagsschulen und hygienische Aspekte der Verpflegung in Schulen von der Diplom Oec. troph Daniela Hähre, (DGE Bonn) unterrichtet sowie von Frau Sylvia Steffan (Stadt Herten) und Werner Kasperek-Trosien (Gesundheitsamt des Kreises Recklinghausen) über das Aktionsbündnis -ernähren, bewegen, entspannen - und wie?! mit seinen Unterrichthilfen und Gesundheitsstationen vor Ort informiert.

Leider nicht umgesetzt werden konnten die Fortbildungsangebote:

  • Der Gesunde Schulkiosk (VBZ NRW) (1)
  • Projektarbeit in der Schule (Uni Dortmund)

Wir hoffen in 2006 und folgenden Jahre diese Angebote anbieten zu können und Schulen zu finden, die an diesen Themen arbeiten wollen.

Auswertung und Ausblick

Wie schon ausgeführt nutzten 78 Klassen mit insgesamt 183 Terminen die Angebote des Aktionsbündnisses - ernähren, bewegen, entspannen und wie!? Das Angebot - so ergab unsere Evaluierungsabfrage, die wir im Nachgang Anfang des Jahres 2006 durchführten - wurde in erster Linie von den Grundschulen und der Sekundarstufe I angenommen. Vor allem 3. - 6. Klassen nahmen die Angebote wahr. Meistens wurde von den Schulen in einer Klassenstufe ein Schwerpunktthema gewählt. Es gab aber auch eine Grundschule, die sich mit allen Jahrgangsstufen beteiligte und Angebote aus allen Themenfeldern wählte. Überraschend für uns war, dass 2 Grundschulen ihren ersten und zweiten Klassen Entspannungskursen mit „Übungen zur Stille" anboten.

Das Thema Gesundheit ist - insbesondere der Kampf gegen das Übergewicht - in der Schule gut aufgehoben, da wir dort Kinder unterschiedlicher Altersgruppen aus allen sozialen Schichten erreichen können. Darüber hinaus ist die Schule ein guter Lernort, um Konzepte zur Gesundheitsförderung und Gesunderhaltung auf Dauer zu etablieren und damit nachhaltig wirken zu lassen. Bei dieser gesellschaftlichen Aufgabe darf aber Schule nicht allein gelassen werden. Schule braucht zur Bearbeitung der Themenfelder Ernährung, Bewegung und Entspannung im schulischen und außerschulischen Unterricht sowie für gesundheitsförderliche Umfeldmaßnahmen Unterstützung. Diese Unterstützung will das Projekt „Junior Vital" mit seinen Kooperationspartnern auch 2006 und in folgenden Jahren leisten. So soll Schule weiterhin hinsichtlich der Konzeptentwicklung zur Gesundheitsförderung durch die Jugendschutzbeauftragte der Stadt Herten Frau Sylvia Steffan und durch den Referenten für Gesundheitsförderung des Kreis Gesundheitsamtes Recklinghausen Herrn Werner Kasperek-Trosien unterstützt werden.

Ziel ist es - wie schon ausgeführt - nachhaltige Konzepte und Programme zur Gesundheitsvorsorge und Gesunderhaltung mit Schule zu entwickeln und zum Tragen kommen zu lassen. Außerdem sollen die erprobten schulischen und außerschulischen Unterrichteinheiten des Programms des Aktionsbündnisses - ernähren, bewegen und entspannen - und wie?! weiter zur Verfügung stehen und durch weitere Unterrichtmaterialien für Lehrkräfte z.B. mit Ernährungsinfos aus dem Netz und neuen Unterrichteinheiten stetig ergänzt werden. Diese angebotenen methodischen und didaktischen Konzepte sollen auch im Internet zu finden sein - Erfahrungsaustausch und interaktives Arbeiten per PC. Einstieg könnte hier eine vom Jugendschutz Herten 2006 in Auftrag gegebene Web-Seite „Junior Vital Stadt Herten" sein. Außerdem sollten die Gesundheitsstationen den Schulen weiter außerschulischen Unterricht anbieten. Darüber hinaus können die Gesundheitsstationen in eine „Schatzkarte" aufgenommen werden. Schulen und Kindertagesstätten, aber auch die Kinder, Jugendliche und ihre Bezugspersonen können sich über das aktuelle Angebot der Gesundheitsstationen informieren.

Viele Gesundheitsangebote sind schon in Herten und in der näheren Umgebung vorhanden. Jetzt heißt es für die Koordinatoren - hier: Stadt Herten und Gesundheitsamt - die vorhandenen Strukturen und Angebote für Schulen bzw. Kindertagesstätten sowie Kinder, Jugendliche und ihre Beziehungspersonen nutzbar zu machen.
Konkret bedeutet dies: die Informationen und Möglichkeiten, die im Aktionsbündnis - ernähren, bewegen, entspannen und wie?! aufgeführt wurden, Schulen weiter zur Verfügung zu stellen und vorhandenen Ressourcen und Potenziale für Schulen bezahlbar zu machen. Alle Akteure im Gesundheitswesen sind aufgefordert, sich auch über die weitere (finanzielle) Förderung von Angeboten, die Schule nutzen soll, nachzudenken. Hier sind insbesondere Verwaltung, Politik, Krankenkassen und weitere Sozialpartner gefordert, Lösungen zu finden.

Anmerkung

(1) Die Betreiber der meisten Schulkioske haben meist aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse, ihre angebotene Produktpalette zu verändern, hier besteht unseres Erachtens für Schulleitung und Stadt Herten ein Handlungsbedarf und auch die Pächterfrage ist zu überdenken. [zurück]

Welche Laufzeit hat das Projekt?: 
bis zu 2 Jahre
mehr als zwei Jahre (aber befristet)
Dauerangebot
Wie lange ist die Finanzierung des Projektes gesichert?: 
offen
bis zu zwei Jahre
dauerhaft
Wird das Projekt in seiner Qualität und Zielerreichung überprüft und bewertet bzw. evaluiert?: 
ja
geplant
nein
Anlagen: 

12_1341_1246_1116.pdf

Junior Vital - Dokumentation - Teil 1 (pdf)
PDF icon 12_1341_1246_1116.pdf

12_1341_1246_1117.pdf

Junior Vital - Dokumentation - Teil 2 (pdf)
PDF icon 12_1341_1246_1117.pdf