Ostalbkreis

Typ: 
Landkreis
Name Stadt, der Gemeinde, des Landkreises: 
Ostalbkreis
Bundesland: 
Baden-Württemberg
Einreichende Dienststelle: 
Sozialdezernat
Name des Ansprechpartners: 
Berthold Weiß
Funktion des Ansprechpartners: 
Suchtbeauftragter
Straße/Postfach: 
Stuttgarter Str. 41
Postleitzahl: 
73430
Ort: 
Aalen
Telefon des Ansprechpartners: 
07361 503-293
E-Mail des Ansprechpartners: 
Internetadresse der Kommune: 

Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags

Titel des Wettbewerbsbeitrags

Suchtprävention für Kinder und Jugendliche

Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags

I. Ausgangssituation

Der Ostalbkreis ist ein Flächenlandkreis im Osten Baden-Württembergs mit ca. 315.000 Einwohner/-innen in 42 Städten und Gemeinden. Er war einer der ersten ländlich strukturierten Kreise, der zum 01. August 1992 im Rahmen des "Gesamtkonzepts Suchtprophylaxe Baden-Württemberg" die Stelle eines hauptamtlichen Beauf­tragten für Suchtprophylaxe eingerichtet hat. Aufgabe dieser Stelle war und ist es, Strukturen in allen pädagogischen Bereichen aufzubauen, die eine Implementierung und langfristige Auseinandersetzung mit der Thematik Suchtprävention gewährleisten. Hierbei gilt es, sich an den jeweils neuesten Erkenntnissen der Suchtpräventionsforschung (1) zu orientieren. Insbesondere war es erforderlich, informations- bzw. aufklärungslastige Aktionen durch ursachenorientierte Lebenskompetenzmodelle zu ersetzen. Angestrebt (und in der Zwischenzeit auch verwirklicht) war die Kooperation mit allen Partnern im Landkreis, die sich mit diesem Aufgabengebiet beschäftigen. Insbesondere zu nennen sind hier die Suchtberatungsstellen, die Selbsthilfegruppen, Krankenkassen und die Polizei.

II. Strategien

Ziel von Suchtvorbeugung im Ostalbkreis ist eine möglichst umfassende Auseinandersetzung mit der Gesamtproblematik. Ausgehend von den Erkenntnissen der Suchtpräventionsforschung hat der Ostalbkreis vor 16 Jahren einen Weg beschritten, der wegführt von einmaligen, Stoff orientierten "Abschreckungsveranstaltungen" hin zu einer ursachenorientierten, Lebenskompetenz fördernden Primärprävention, die nach dem Motto "Kinder stark machen" eine Auseinandersetzung im Alltag aller pädagogischen Handlungsfelder - von der Familie über Kindergärten und Grundschulen hin zu weiterführenden Schulen und den Einrichtungen der offenen, verbandlichen und stationären Jugendarbeit - sicherstellen soll.

Einen ganz besonderen Wert legt die Landkreisverwaltung mit ihrem Beauftragten für Suchtprophylaxe darauf, Maßnahmen nicht "Top down" durchzusetzen, sondern gemeinsam mit allen relevanten Organisationen und Institutionen "Bottom up" zu entwickeln. Nach allen Erfahrungen kann durch diese Vorgehensweise eine deutlich höhere Akzeptanz bei allen Beteiligten erzielt werden als durch einseitiges "Verordnen" einer von der Verwaltung für gut befundenen Strategie.

In aller Regel werden sowohl strukturelle als auch kommunikative Maßnahmen verfolgt. Grundsätze hierzu sind in einer schriftlichen Konzeption dargestellt (2).

1. Kommunikativer Ansatz

Der kommunikative Ansatz zielt darauf ab, die Handlungskompetenzen von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zu stärken. "Kinder stark machen" ist hier genauso Motto wie "Starke Kinder brauchen starke Eltern" bzw. "Starkmachen – für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen". Umschrieben wird mit diesen Begriffen das Bestreben, die jeweiligen Zielgruppen zu befähigen, Probleme des Alltags aus eigener Kraft anzugehen und zu lösen, ohne hierbei in missbräuchliche Konsum- oder Verhaltensmuster zu verfallen. Hinter dem Begriff "kommunikative Maßnahme" verbergen sich demnach alle Fortbildungs-, Informationsveranstaltungen und Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, welche sich an die genannten Zielgruppen wenden. Mit eingeschlossen sind selbstverständlich Einheiten mit vorwiegend informativem Charakter: Trotz aller - vielerorts sogar beklagter - Informationsflut ist in fast allen Bereichen eine zum Teil erschreckende Unwissenheit über den Legalitätsstatus einzelner Drogen wie z.B. Alkohol oder auch mögli­che Gefährdungen für Körper und/oder Seele zu konstatieren.

2. Strukturelle Maßnahmen

Setzt man die Gültigkeit des sogenannten Suchtdreiecks voraus, ist für eine erfolgreiche Suchtprävention die Durchführung struktureller Maßnahmen zwingend erforderlich. Für eine nachhaltige Wirkung auch der kommunikativen Maßnahmen ist dies eine absolute Notwendigkeit. Im Rahmen der Möglichkeiten wird deshalb versucht, eine langfristige Veränderung bestehender Verhältnisse zu bewirken. Dies soll an einigen kurzen Beispielen aufgezeigt werden:

  • Die Pädagogik in Kindertageseinrichtungen ist sich einig, dass die Arbeit in "offenen" Gruppen einer gesunden Entwicklung von Kindern und einer Erhöhung der Lebenskompetenzen deutlich zuträglicher ist als die in "geschlossenen" Gruppen. Im Rahmen der Arbeitsgruppe "Kinder stark machen - Suchtvorbeugung im Kindergarten" wird das Bewusstsein der Kindergartenleitungen hierfür geschärft.
    Im Rahmen praxisbegleitender Maßnahmen (wie z.B. "Spielzeugfreien Kindergärten") kann langfristig die Veränderung der pädagogischen Konzeption eines Kindergartens erreicht werden.
  • Offene Lernformen, Gruppenarbeit und die Durchführung von Projekten tragen zu einer erhöhten Kompetenz von Schülerinnen und Schülern bei. Die Arbeitsgruppe "Schule" mit der Schulbehörde, Schulleitungen und Suchtpräventionslehrer/-innen kann es erreichen, dass diese Lernformen verstärkt Einzug in den Schulalltag finden. Gleichzeitig kann erreicht werden, dass eine bauliche Umgestaltung beispielsweise von Schul- und Pausenhöfen stattfindet.
  • In der Suchtforschung besteht große Einigkeit darüber, dass die Einschränkung von Konsummöglichkeiten durch Verbote oder Altersgrenzen langfristig zu einer Reduzierung der Prävalenzraten führt. Freiwillige Vereinbarungen und Rechtsetzungen im Rahmen der kommunalen Zuständigkeiten können hier Wirkung entfalten, solange sich Gesetzgeber auf Landes- oder Bundesebene in Zurückhaltung üben.

III. Suchtprävention für Kinder und Jugendliche

Kernstück dieses "Gesamtkonzept Suchtprophylaxe" im Ostalbkreis sind natürlich Maßnahmen, die sich in ihrer Wirkung an Kinder und Jugendliche richten. Diesen ist grundsätzlich eigen, dass sie

  • mit einer Vielzahl von Kooperationspartnern entwickelt werden,
  • flächendeckend im gesamten Landkreis durchgeführt werden,
  • nicht zwingend von Präventionsfachkräften, sondern in der ganz großen Masse von pädagogischen Fachkräften aus den jeweiligen Arbeitsfeldern (Multiplikatoren) umgesetzt werden und
  • alle sowohl strukturelle als auch kommunikative Elemente enthalten.

Wichtig ist den Verantwortlichen im Ostalbkreis die Feststellung, dass diese Projekte überwiegend an den Ursachen ansetzen und nur in wenigen Fällen suchtmittelspezifisch oder an bestimmten Verhaltensweisen orientiert sind. Seit einigen Jahren wird soweit möglich versucht, die Ansätze der ursachenorientierten Suchtprävention gemeinsam mit denen der Gewaltprävention bzw. der Prävention des sexuellen Missbrauchs umzusetzen.

1. "Kinder stark machen" - Suchtvorbeugung im Kindergarten

Suchtprävention, die lebensgeschichtlich möglichst früh ansetzt, an den Ursachen orientiert ist und zur Stärkung von Persönlichkeit und sozialen Kompetenzen beitragen soll, benötigt eine hohe pädagogische Fachlichkeit. Diese findet sich in den Kindertageseinrichtungen, in welchen darüber hinaus einen Großteil (ca. 95 %) aller 3- bis 6-jährigen Kinder über einen Zeitraum von bis zu 4 Jahren betreut wird.

Beginnend im Jahr 1993 hat sich der Ostalbkreis diesem Aufgabenfeld angenommen. Für die Erzieher/-innen in den zur Zeit ca. 220 Einrichtungen wurden in einer Kooperation mit den Fachberatungen der unterschiedlichen Trägerorganisationen, den Fachschulen, die für die Ausbildung für Erzieherinnen zuständig sind und den Trägerorganisationen Konzepte erarbeitet, wie diese Ansprüche verwirklicht werden können.
Ergebnis war eine mehrstufige Vorgehensweise:

1.1 Fachgruppe "Komm, wir machen uns stark"

Unter Leitung erfahrener Pädagog/-innen wurde eine Fachgruppe eingerichtet, in welcher sich Erzieher/-innen aus unterschiedlichen Einrichtungen 4 mal jährlich zur kontinuierlichen Beschäftigung mit diesem Themenkomplex trafen. Themen waren Informationen über Sucht und Suchtentstehung, Möglichkeiten der Prävention und deren Umsetzung. Gezielt wurde mit den Erzieherinnen daran gearbeitet, Konzepte zu entwickeln, wie Suchtvorbeugung im Alltag einer Kindertageseinrichtung umgesetzt werden kann. Es erfolgte eine fachliche Begleitung und ein kollegialer Austausch im Rahmen dieser Fachgruppe. Zusätzlich wurden Strategien zu einer gezielten Elternarbeit entwickelt und anderen Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Die Fachgruppe existierte bis zum Jahr 2004; die Arbeit musste aufgrund der Umsetzung des landesweiten "Orientierungsplans Baden-Württemberg" eingestellt werden.

1.2 Fortbildungen

Neben dieser praxisbegleitenden Qualifizierung werden Erzieher/-innen im Ostalbkreis regelmäßig Fortbildungsangebote zu den unterschiedlichsten Bereichen aus der Suchtprävention unterbreitet. Diese betreffen sowohl die Arbeit mit Kindern oder die Elternarbeit als auch die Einweisung in spezielle Projekte. Letztgenannte berücksichtigen in besonderem Maße die Arbeitsweise in Kindertageseinrichtjungen, welche jahreszeit- bzw. situationsbezogen unterschiedliche Themen in Projektform aufgreifen.

Ein besonders populäres Beispiel hierfür ist der"Spielzeugfreie Kindergarten", zu welchem das Landratsamt insbesondere in den 1990er Jahren mehrere Fortbildungen durchgeführt hat, die zu Projektrealisierungen in zahlreichen Kindergärten ebenso geführt haben wie der Aufnahme des Projektes in die Konzeption einiger Kindergärten - in diesen also regelmäßig im jährlichen Turnus umgesetzt wird. Aktuelle Fortbildungen beschäftigen sich mit der Möglichkeit, "Kinder stark machen" im Rahmen des Orientierungsplan Baden-Württemberg umzusetzen.

1.3 "Mäxchen, trau dich"

Im 2- bis 3-jährigen Turnus organisiert das Landratsamt seit 2001 in Kooperation mit den Kindergarten-Fachberatungen Theater-Tourneen, welche für die Suchtprävention relevante Themen aufgreifen und in kindgerechter Weise umsetzen. In regelmäßigen Abständen wird im Ostalbkreis "Mäxchen, trau dich" umgesetzt (3), welches nicht nur den Kindern wertvolle Impulse geben kann, sondern insbesondere auch Arbeitsmaterialien für Erzieher/-innen zur weitergehenden Beschäftigung mit der Thematik vorhält.

1.4 Elternarbeit

Integraler Bestandteil aller Bemühungen ist die begleitende Elternarbeit in Kindertageseinrichtungen. Im Rahmen der Fachgruppe wurde den Fachkräften die notwendige Kompetenz zur eigenständigen Durchführung von Elternabenden vermittelt. Gleichzeitig werden auch von Präventionsfachkräften der Sucht- und Erziehungsberatungsstellen Elternabende und -seminare mit suchtpräventionsrelevanten Themen durchgeführt.

2. Essstörungen

Gestörtes Essverhalten ist ein Bereich, welcher sowohl von der Suchthilfe als auch der Suchtprävention nur sehr unzureichend erfasst wird. Teilweise sind die Ursachen in dem heimlichen, unauffälligen Charakter der Störung zu suchen. Eine geschlechtsdifferenzierte Sichtweise zeigt aber auch deutlich auf, dass frauenspezifische Suchtformen nur schwer in den Fokus von Hilfe und Prävention gelangen.

Ausgehend von einem seit Mitte der 1990 Jahren fest etablierten Beratungsangebot an den PSB wurde im Landkreis auch frühzeitig mit einem speziellen Präventionsangebot begonnen. Dies reicht von thematisch orientierten Elternveranstaltungen bis hin zu Multiplikatorenschulungen für Lehrer/-innen und Erzieher/-innen. Mehrtätige, aufeinander abgestimmte Schulungen für Fachkräfte aus der Jugendarbeit runden dieses Programm ebenso ab wie das in den Jahren 2001 bis 2005 bestehende Angebot einer Fallbesprechungsgruppe, welches von einer Fachkraft der Suchtberatungsstelle geleitet wurde.

2.1 "Mädchen Sucht Junge"

Mit dem geschlechtsspezifisch ausdifferenzierten Projekt "Mädchen Sucht Junge" setzt der Ostalbkreis an 7. bis 9. Schulklassen das Thema Essstörungen um. Im Rahmen von 2-stündigen Einheiten erarbeiten Fachfrauen mit Mädchen und Fachmänner mit Jungen typische Erscheinungsformen der Essstörung, deren Hintergründe sowie Lösungsstrategien bei Auftreten der Krankheitsform im Bekannten- oder Freundeskreis.
Das Angebot wird allen ca. 100 weiterführenden Schulen im Kreis angeboten.

2.2 Is(s) Was!?

Im Rahmen der Gründung eines "Netzwerks Essstörungen" wurde zur Verstärkung der Präventionsbemühungen im Juli 2004 eine Ausstellung des Therapiecentrums Essstörungen in München präsentiert. In 30 Führungen von speziell eingewiesenen Fachkräften wurden über 800 Schüler/-innen jugendgerecht über Aspekte der Essstörungen und individuelle Lösungswege informiert.

3. Jugend Sucht Hilfe – Prävention und Intervention in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe

Häufig kommt Prävention nicht dort an, wo sie besonders nötig ist: Bei Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Familienverhältnissen. Aus der Präventionsforschung wissen wir, dass Beziehungsstörungen in der frühen Kindheit, die Suchtproblematik eines oder beider Elternteile und ähnliche Störungen das Risiko einer künftigen Suchterkrankung deutlich erhöhen. Aus diesem Grund hat sich der Ostalbkreis Mitte der 1990er Jahre auf den Weg gemacht, diese Zielgruppe im Rahmen einer Kooperation mit der stationären Jugendhilfe konsequent und systematisch anzugehen.

Nach einer fundierten Problemanalyse, in welche neben pädagogischen Fachkräften der stationären Jugendhilfe und Experten aus der Suchtberatung auch Fachleute des Jugendamtes miteinbezogen waren, wurde an mehreren Problembereichen gearbeitet. Ziel war es, sowohl für Kinder und Jugendliche mit bereits problematischem Konsumverhalten Lösungsstrategien zu entwickeln, als auch präventive Maßnahmen zu finden, welche im Alltag der stationären Jugendhilfe umgesetzt werden können. Ergebnis war eine Konzeption (4), welche an allen drei stationären Einrichtungen umgesetzt wird. Alle drei Einrichtungen haben diese Konzeption adaptiert und auf die jeweiligen örtlichen, räumlichen und strukturellen Verhältnisse angepasst. Allen Konzepten ist allerdings eigen, dass

  • in den Einrichtungen eine schriftliche Vorgehensweise fixiert wurde
  • eine regelmäßige Schulung von Führungskräften und allen pädagogischen Fachkräften zu Suchtproblemen, Umgang mit Suchtkrankheiten und Prävention stattfindet
  • Fallbesprechungsgruppen eingerichtet wurden, die eine regelmäßige Beratung problematischer Fälle ermöglichen und
  • ein "kurzer Draht" zu Einrichtungen der Suchtkrankenhilfe an den jeweiligen Standorten besteht, um möglichst umgehend auf unvorhergesehene Vorkommnisse reagieren zu können.

Der Landkreis moderiert diese Entwicklung durch die Organisation eines Fachaustausches, welcher zweimal jährlich stattfindet.

4. Frühe Intervention – BAST und BAST-A

In den vergangenen Jahren wurden insbesondere durch die Bundesmodellprojekte "FreD" und "HaLt" konkrete Vorschläge unterbreitet, wie eine frühe Intervention bei auffälligem Konsum illegaler Drogen oder von Alkohol aussehen kann. All diese Projekte sind lediglich in ihrer Grundstruktur übertragbar. Wesentliche Bereiche müssen zum einen auf die örtlichen Verhältnisse angepasst werden. Zum anderen müssen sie aber auch in die bestehenden Arbeitszusammenhänge eingepasst werden. Und: Bundes- und andere Modellprojekte werden in der Regel mit personellen und/oder finanziellen Ressourcen ausgestattet, welche eine Adaption in den Alltagsbetrieb unmöglich machen.

Grundlage für eine Übertragbarkeit auf den "Normalbetrieb" ist deshalb eine solide konzeptionelle Basis von Prävention und Hilfe, welche die Dynamik neuer Entwicklungen auffangen kann sowie eine Finanzierungsstruktur, die Aufgabenverschiebungen ohne hindernde Vertragsverhandlungen oder Gremienarbeit zulässt. Nachdem beide Voraussetzungen im Ostalbkreis gegeben sind, konnte das Konzept "BAST" (5) zur frühen Intervention bei Drogenkonsumierenden im Frühjahr 2005 im implementiert werden. Diese Konzeption sieht eine abgestufte Intervention vor, welche auch auf freiwilliger Basis zustande kommen kann, in der Regel aber durch den "sanften Druck" einer anordnenden Stelle erfolgt. Dies kann sowohl die Schule sein, welche die Maßnahme einem Cannabis konsumierenden Jugendlichen als disziplinarische Maßnahme vor einem Schulausschluss auferlegt, als auch die Jugendgerichtshilfe im Rahmen eines Diversionsverfahrens oder das Amtsgericht, welches dieses Gruppenangebot als die geeignete Maßnahme bei einem Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz sieht.

Eine Abstufung in der Intensität der Maßnahmen ermöglicht es den anordnenden Stellen ebenso wie den ausführenden Suchtberatungsstellen, flexibel auf mehr oder weniger verfestigte Konsummuster reagieren zu können.

Nach hervorragenden Erfahrungen mit dieser Vorgehensweise beschäftigte sich eine Arbeitsgruppe mit der Umsetzung eines entsprechenden Konzeptes für exzessiv alkoholkonsumierende Jugendliche. Konsequentes Ergebnis war "BAST-A" (6), welches von März bis September 2008 in einem Teil des Ostalbkreises erprobt wurde und mit hervorragenden Ergebnissen abschloss. Das Projekt sieht vor, über die Notaufnahmen der 3 Kreiskliniken Kinder oder Jugendliche mit einer Alkoholintoxikation und deren Eltern noch in der Klinik anzusprechen und zu einer Teilnahme an dem Gruppenangebot zu motivieren. Aufgrund unterschiedlicher Organisationsformen der drei Krankenhäuser im Ostalbkreis stellt dies eine besondere Herausforderung an die kreisweite Umsetzung eines Konzeptes dar. Ähnlich wie bei "BAST" ist es auch hier möglich, Kinder oder Jugendliche, welche durch exzessiven Alkoholkonsum aufgefallen sind, auch über andere Wege in das Beratungs- bzw. Gruppenangebot zu bringen: Diese Möglichkeiten stehen sowohl Schulen als auch Familien, Jugendämtern oder weiteren Einrichtungen offen.

5. Jugendschutz geht alle an – Die Ostalbkinder sind´s uns wert

Die unter vier beschriebenen Maßnahmen der selektiven (früher: sekundär-) Prävention implizieren die Notwendigkeit struktureller Maßnahmen zur Prävention des Alkoholmissbrauchs. Der Ostalbkreis hat zusammen mit den Partnern Polizei und Kreisjugendring im Jahr 2003 ein Handlungskonzept erarbeitet, welches genau hier ansetzt und laufend weiterentwickelt wird. Wichtig ist den Projektpartnern die Erkenntnis, dass eine Zielerreichung nur dann gewährleitstet ist, wenn möglichst viele Akteure an einem Strang ziehen und nicht in das übliche Kompetenzgerangel verfallen.

Ein Konzept (7), welches diesen Ansprüchen genügen will, ist kein Selbstläufer, sondern muss regelmäßig weiterentwickelt und mit wechselnden Schwerpunktsetzungen die unterschiedlichsten Teilaspekte beleuchten. Gleichzeitig sollten regionale Gesichtspunkte berücksichtigt werden und Besonderheiten im Jahresablauf Eingang in die Schwerpunkte zu finden. Das Konzept im Ostalbkreis hat als Kernbestandteil die möglichst flächendeckende und lückenlose Durchsetzung der Jugendschutzbestimmungen hinsichtlich der Abgabe von Alkohol an Kinder und Jugendliche bzw. des Konsums in der Öffentlichkeit. Schwerpunktsetzungen gab es zu folgenden Themen:

  • Verkaufsstellen
    Alle ca. 1.000 Verkaufsstellen (Tankstellen, Getränkefachhandel, Discounter) wurden aufgesucht, auf die geltenden Jugendschutzbestimmungen hingewiesen und um eine Mitarbeit bei diesem Projekt gebeten. Aushangtafeln und ähnliches Material wurden zur Verfügung gestellt.
  • Veranstalter
    In zahlreichen Veranstaltungen wurden ganz überwiegend Ehrenamtliche aus Vereinen und anderen Organisationen über die geltenden Jugendschutzbestimmungen informiert und darin geschult, ihre Veranstaltungen in dieser Hinsicht zu optimieren. Angeregt wurde darüber hinaus, für unter 16-jährige alkoholfreie Veranstaltungen anzubieten. In mehreren Gemeinden finden seither regelmäßig wiederkehrend sogenannte "U-16-Partys" statt.
  • Gestattungen
    Den 42 Städten und Gemeinden im Landkreis wurde ein Gestattungsmuster zur Verfügung gestellt, in welchem die Belange des Jugendschutzes hervorgehoben sind; in diesem Muster wird bspw. der Ausschank branntweinhaltiger Getränke grundsätzlich untersagt.
  • Sportvereine
    Im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 wurde ebenso wie bei der Europameisterschaft 2008 speziell für die Zielgruppe der Sportvereine eine Reihe von Informationsveranstaltungen konzipiert. Gleichzeitig wurden Vorschläge erarbeitet, wie bei "Public viewing"-Veran­staltungen ein ordnungsgemäßer Ablauf ohne Alkoholmissbrauch umgesetzt werden kann.
  • Fasching
    Zahlreiche Städte und Gemeinden im Ostalbkreis gelten als Faschingshochburg. Gerade in der "Fünften Jahreszeit" werden von vielen Veranstaltern geltende Bestimmungen zum Jugendschutz nicht beachtet. In einer Kooperation mit den fasnachtstreibenden Zünften wurden Kriterien erarbeitet, wie Fasching und Jugendschutz in Einklang gebracht werden können. Insbesondere bei den traditionsreichen Umzügen wird deshalb auf den Ausschank branntweinhaltiger Getränke komplett verzichtet.

VI. Schlussbemerkung

Der Wettbewerbsbeitrag des Ostalbkreises legt sich bewusst nicht auf spezifische Suchtstoffe oder Altersgruppen fest. Auch wenn nur exemplarisch an 5 Beispielen einzelne Projekte der "Suchtprävention für Kinder und Jugendliche vor Ort" aufgezeigt werden, soll mit diesem Beitrag aufgezeigt werden, dass es den für die Prävention Verantwortlichen ein wichtiges Anliegen ist, in möglichst allen Arbeitsfeldern langfristige Ansätze in den Alltag zu implementieren, die nicht von gerade aktuellen Trends oder der aktuellen Kassenlage abhängig sind.

Fußnoten

(1) siehe "Expertise zur Prävention des Substanzmissbrauchs", BZgA, Köln 2006 [zurück]
(2) "Suchtprophylaxe im Ostalbkreis. Gesamtkonzeption", 1999 (s. Anlage 2) [zurück]
(3) Nähere Informationen hierzu unter www.mobki.de [zurück]
(4) "Umgang mit Drogen konsumierenden und/oder suchtgefährdeten Jugendlichen in Einrichtungen der stationären Jugendhilfe – Handlungsleitfaden für den Ostalbkreis" (Mai 2003, Anlage 3) [zurück]
(5) "BAST – frühe Intervention bei Drogenkonsument/-innen – Handlungsleitfaden für den Ostalbkreis" (Februar 2008 – Anlage 4) [zurück]
(6) "BAST-A - frühe Intervention bei exzessivem Alkoholkonsum – Handlungsleitfaden für den Ostalbkreis" (September 2008 – Anlage 5) [zurück]
(7) Alle Unterlagen zu dem Projekt finden sich z.B. unter www.praevention.ostalbkreis.de [zurück]

Fragen zum Wettbewerbsbeitrag

C 11 Gibt es zu den Suchtpräventionsaktivitäten in Ihrer Kommune eine schriftliche Gesamtkonzeption?: 
ja
nein
C 12 Ist Ihr Wettbewerbsbeitrag in diese Gesamtkonzeption eingebunden?: 
ja
nein
C 13 Hat sich der (Ober-)Bürgermeister bzw. Landrat öffentlich für Ihren Wettbewerbsbeitrag eingesetzt?: 
ja
nein
C 21 Gibt es zu Ihrem Wettbewerbsbeitrag ein schriftliches Konzept?: 
ja
nein
C 22 Sind die Präventionsziele Ihres Wettbewerbsbeitrags detailliert festgelegt?: 
ja
nein
C 23 Wurde vor der Zielfestlegung eine Ausgangs- und Bedarfsanalyse erstellt?: 
ja
nein
C 24 Welche Strategie der Suchtprävention verfolgt Ihr Wettbewerbsbeitrag?: 
Verhaltensprävention
Verhältnisprävention
Verhaltens- und Verhältnisprävention
C 25 Auf welche Suchtstoffe und Suchtformen ist Ihr Wettbewerbsbeitrag ausgerichtet?: 
Tabak
Alkohol
Cannabis
Medikamente
Heroin und andere Drogen
(Glücks-)Spielsucht
Weitere
Welche?: 
Essstörungen
C 26 An welche Zielgruppe(n) richtet sich Ihr Wettbewerbsbeitrag?: 
3-6jährige
7-10jährige
11-14jährige
15-18jährige
Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien
Sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche
Eltern
Familie
Multiplikatoren
Weitere
C 27 Ist Ihr Wettbewerbsbeitrag geschlechtsspezifisch/geschlechtersensibel ausgerichtet?: 
ja
nein
C 28 An welche Settings und Einrichtungen knüpft Ihr Wettbewerbsbeitrag an?: 
Kindergarten/Kita
Grundschule
Hauptschule
Realschule
Gymnasium/Fachoberschule
Gesamtschule
Berufsschule
Jugendeinrichtung
Sportverein
Ausbildungsstätte
Diskotheken
Gaststätten/Restaurants
Fahrschulen
Einzelhandel
Strasse/Öffentlicher Raum
Spielplatz
Quartier/Stadtteil
Weitere
Welche?: 
Kommune
C 31 Welche Akteure aus Kommunalpolitik und Kommunalverwaltung beteiligen sich?: 
Gemeinde-, Stadt- bzw. Kreisrat
(Ober-)Bürgermeister bzw. Landrat
Suchpräventionsstelle
Gesundheitsamt
Jugendamt
Sozialamt
Schulverwaltungsamt
Sportamt
Ordnungsamt
Polizei
Weitere
C 32 Welche verwaltungsexternen Akteure beteiligen sich wesentlich an der Umsetzung Ihres Wettbewerbsbeitrags?: 
Krankenkassen
Krankenhäuser
Niedergelassene Ärzte
Apotheken
Kindergärten/Kitas
Schulen
Einrichtungen der Jugendarbeit
Mobile Jugendarbeit
Ausbildungsstätten
Sportvereine
Wohlfahrtsverbände
Kirchen
Stadtteileinrichtungen/Quartiersmanagement
Selbsthilfeeinrichtungen
Ehrenamtliche Helfer
Einzelhandel
Tankstellen
Gaststätten
Diskotheken
Fahrschulen
Lokale Medien
Sponsoren
Stiftungen
Weitere
Welche?: 
Fasnachts-Zünfte
C 33 Gibt es schriftliche und verbindliche Vereinbarungen zur Vernetzung und Kooperation der Akteure?: 
ja
nein
Wenn ja, welche?: 
siehe Anlagen
C 34 Welche Laufzeit hat Ihr Wettbewerbsbeitrag?: 
bis zu 2 Jahre
mehr als 2 Jahre (aber befristet)
Dauerangebot
C 35 Wie lange ist die Finanzierung des Wettbewerbsbeitrags gesichert?: 
offen
bis zu 2 Jahre
dauerhaft
C 36 Wird der Wettbewerbsbeitrag in seiner Qualität und Zielerreichung überprüft und bewertet bzw. evaluiert?: 
ja
geplant
nein
C37 Werden bei der Umsetzung Ihres Wettbewerbsbeitrags von anderen entwickelte Projekte und Maßnahmen übernommen und eingesetzt?: 
ja
nein
Wenn ja, welche?: 
HaLT, FrED
C 38 Sind umgekehrt in Ihrem Wettbewerbsbeitrag entwickelte Projekte und Maßnahmen andernorts übernommen und eingesetzt worden?: 
ja
nein
Wenn ja, welche?: 
Jugendschutz geht alle an

Einzelprojekte