Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Projekt Alcopops in der Region Coburg
Bei dem Projekt Alcopops handelt es sich um ein komplex konzipiertes Projekt der Alkoholprävention in Bezug auf Alcopops, das im Jahre 2002 begonnen hat und auch heute noch andauert.
"Alcopops" als Projekt des Landkreises Coburg
Der Landkreis Coburg zählt knapp über 92.000 Einwohner, liegt in Nordbayern an der Grenze zu Thüringen. Der kleine Landkreis mit seinen 17 Gemeinden (zwei ganz kleine Gemeinden um 2.000 EW, das Gros mit 4.000 – 6.000 EW und zwei Städte mit 14.000/17.000 EW) hat nach der Wiedervereinigung so seine Probleme. Nicht allein der Wegfall staatlicher Fördermittel (Zonenrandförderung/Grenzlandhilfemittel) in unserem Raum, sondern auch die grundsätzlich nötige Förderung "Aufschwung Ost" in den neuen Bundesländern macht seit den Neunziger Jahren eine Ansiedlung von neuen Wirtschaftsbetrieben nur äußerst eingeschränkt möglich.
Darüber hinaus haben auch die grenznah liegenden Firmen aus dem Coburger Land nicht nur überlegt, ob sie sich nicht ein paar Meter weiter in dem Aufschwung – Ost Gebiet Thüringen neu ansiedeln sollten. Der Verlust "alter" Arbeitsplätze, der zumindest sehr eingeschränkte Aufbau "neuer" Arbeitsplätze sind entscheidenden Faktoren, die zur zweithöchsten Arbeitslosenzahl in Bayern (nach Hof) geführt haben.
So idyllisch der Landkreis Coburg mit "seiner Zonengrenze" landschaftlich gelegen war und ist, so fehlt der Region auch heute noch eine adäquate Verkehrsinfrastruktur. Eine Autobahn-Anbindung ist im Bau; der ICE wird durch Coburg (allerdings ohne oder mit nur einem Halt pro Tag) geführt werden, aber zum jetzigen Zeitpunkt gilt es, unsere klein- und mittelständisch geprägten Wirtschaftunternehmen über Bundesstrassen mit sehr hohem Verkehrsaufkommen und viel Durchgangsverkehr zeitaufwändig zu beliefern. Auch sind unsere Wirtschaftsbetriebe durch die EU-Osterweiterung stark unter Druck geraten und erheblich existenzgefährdet (Polstermöbel, Spielwaren, Keramik). Doch neben den eher nachdenklich stimmenden Fakten, hat die Region Coburg Kultur, Charme und eine soziale Infrastruktur, in der es sich gerne leben lässt.
"Alcopops als Projekt des Amtes für Jugend und Familie des Landkreises Coburg
Der Landkreis Coburg ist Initiator, Berater und Unterstützer einer konsequent dezentralen, flächendeckenden Struktur der Jugendarbeit. So gibt es mittlerweile in allen Gemeinden Personal (Jugendpfleger/innen), Räume, eigene Strukturen und eine Vielzahl von Maßnahmen und Veranstaltungen in den Kommunen des Landkreises (siehe Anlage). Für den Bereich des Sozialen Dienstes im Amt für Jugend und Familie des Landkreises Coburg wurden diese positiven Erfahrungen übertragen, sodass erstmalig in einem bayerischen Landkreis eine dezentralflächendeckende Sozialraumorientierung realisiert wurde. D.h., alle Sozialpädagogen arbeiten vor Ort in den Gemeinden des Landkreises, haben dort ihre Büros, Telefonanschlüsse, ihre Kontakte mit Klienten, ihre Beratungsgespräche, usw..
Aufgrund dieses Konzeptes haben die Mitarbeiter/innen des Amtes für Jugend und Familie frühzeitig Kenntnisse von sozialen Problemlagen in Familien, können direkt und schnell mit allen wesentlichen Partnern vor Ort kommunizieren (Schule, Kind/Jugendliche, Elternhaus, kommunale Jugendarbeit, Kindergarten...) und haben Kontakt zu Familien nicht nur dann, wenn nicht lösbare Probleme vorhanden sind. Weiterhin können niederschwellige Hilfen frühzeitig eingesetzt werden. Diese Ausführungen sollen verdeutlichen, dass Prävention in der Jugendarbeit, aber nun auch in der Arbeit des Sozialen Dienstes des Amtes für Jugend und Familie dezentral und flächendeckend auf Gemeindeebene im Landkreis Coburg verankert ist. Diese konzeptionellen Grundlagen sind auch für das Alcopops - Projekt von zentraler Bedeutung.
"Alcopops" als Projekt der Präventiven Jugendhilfe im Amt für Jugend und Familie des Landkreises Coburg
Die Präventive Jugendhilfe des Landkreises Coburg ist zuständig für Jugendsozialarbeit (§ 13 SGB VIII), für die Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie (§ 16 SGB VIII), sowie dem erzieherischen (§ 14 SGB VIII) und dem ordnungsrechtlichen Jugendschutz. Für diese Aufgaben steht eine Vollzeitkraft zur Verfügung. Das Projekt "Alcopops" wurde von der Präventiven Jugendhilfe des Landkreises Coburg entworfen, bindet von Anbeginn die kreisfreie Stadt Coburg, das Gesundheitsamt für die Stadt und den Landkreis Coburg, sowie die 17 kreisangehörigen Gemeinden, aber auch die unterschiedlichsten Organisationen und Institutionen ein.
Ausgangslage und Ziele
Weder Gewerbetreibende, noch Eltern und andere Erziehungsverantwortliche, Institutionen, sowie die Kinder und Jugendlichen selbst verfügten nicht/kaum über sachgerechte Informationen und Sensibilitäten zu Alcopops. Dem gegenüber standen und stehen erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen der Spirituosenindustrie, die massiv an Marktanteilen, Umsatz- und Gewinnsteigerungen interessiert waren und sind. Dieses offensichtliche Ungleichgewicht zum Schaden unserer Kinder/unserer Gesellschaft sollte regional im Coburger Land als Problem erkannt und angegangen werden, wohl wissend, um die an Sysiphus erinnernde Rolle von sozialer Arbeit und der Begrenztheit regionaler Aktivitäten. Welch? reizvolle Aufgabe!
Die Maßnahmen
1. Erstellung von Informationsmaterialien
Zu Beginn unserer praktischen Aktivitäten suchten und fanden wir Artikel und Fachveröffentlichungen bei Kolleginnen und Kollegen anderer Kommunen, z .B. in der Stadt Nürnberg und dem Landkreis Würzburg, aber vor allem im Internet. Jedoch waren noch nicht alle Informationen in einer Broschüre zusammengetragen, teilweise wollten wir auch bewusst in unseren Materialien andere Inhalte und Informationen transportieren. Wir "bastelten" die ersten eigenen Materialien in drei Varianten: Zum einen als Flyer für Kids, zum anderen als DIN A 4 Blatt (Vor- und Rückseite) als Elterninfo und zum Dritten als "dicke" Broschüre für Multiplikatoren. Später wurden weitere Materialien durch Auszubildende, Schüler/innen und Studenten/Studentinnen erstellt, z.B. Plakate in den unterschiedlichen Größen, Overhead-Folien...Sukzessive wurden weitere Materialien, wie Powerpoint - Präsentationen, Fragebögen, Impuls-Kärtchen u.v.a.m. entworfen und erstellt.
2. Information an Gewerbetreibende
In der Stadt und dem Landkreis Coburg wurden alle Tankstellen, Gaststätten und der komplette Lebensmittel-Einzelhandel angeschrieben. Hierbei wurden sie über Alcopops informiert, die rechtlichen Bestimmungen erläutert. Die Schreiben wurden für die Stadt und den Landkreis Coburg gemeinsam herausgegeben. Der Grundtenor bei dieser Kampagne war immer positiv und stellte die Information sowie unsere gemeinsamen Anstrengungen für gesunde Kinder in den Vordergrund. Der Oberbürgermeister und der Landrat waren selbstverständlich bereit, diese Aktion zu unterstützen. Parallel dazu verteilt (auch heute noch) die Lebensmittelüberwachung des Landratsamtes nicht nur die Jugendschutzgesetze, sondern auch die Informationen/Bestimmungen zu den Alcopops an Gewerbetreibende.
3. Information von Fachkräften, Institutionen und Kommunen
Alle Jugendbeauftragten und Jugendpfleger der kreisangehörigen Städte und Gemeinden, Jugendleiter, der Kreisjugendring mit seinen Mitgliedsorganisationen, die Polizei (Drogen- und Jugendkontaktbeamten), die Dozenten der Fachhochschule Coburg, Fachbereich Soziale Arbeit, Jugendrichter und Jugendstaatsanwalt, die Staatlichen Schulämter im Schulamtsbezirk Coburg ...wurden über unser Projekt informiert, die Materialien zugesandt/übergeben. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde im Landratsamt kommunal übergreifend und vernetzt eine Infoveranstaltung mit gleicher Zielgruppe zu "Subyou" und ähnlichen Alkoholicas durchgeführt. Probetrinken unter Einbezug des Alcomats der Polizei stand ebenso auf der Tagesordnung wie das Kennenlernen der "Wunderbar", der alkoholfreien Cocktailbar des Blauen Kreuzes, ebenfalls mit Probetrinken . Eine Informationsbroschüre zu "Subyou" durch die Präventive Jugendhilfe wurde verteilt und interessiert aufgenommen.
4. Alcopop – Vorträge
Bei unterschiedlichen Gelegenheiten wurden von der Präventiven Jugendhilfe Vorträge über Alcopops in der Stadt und dem Landkreis Coburg gehalten. Hierfür mögen beispielhaft aufgezählt sein: Die Fachschulabsolventinnen der Landwirtschaftsschule Coburg, bei Sitzungen von Jugendforen in unterschiedlichen Gemeinden, öffentliche Veranstaltungen in Gemeinden, Kirchgemeinden, bei Schul- und Klassenelternabenden, bei Parteien und Wählergruppen, bei schulischen Veranstaltungen (der Rekord steht bei ca. 150 Schülern der 9. Klassen des Gymnasiums Ernestinum – hier musste an einem Samstag ein schulfreier Tag "eingearbeitet" werden).
5. Vertrauen & Kontrolle
Grundsätzlich wollen wir auf Gewerbetreibende, hier Tankstellen-Pächter, Lebensmittelgeschäfte und Gaststätten/Discotheken zuerst einmal positiv herantreten. Wenn wir darüber hinaus nicht regelmäßig kontrollieren, im Falle von Verstößen Geldbußen auferlegen, die wirklich spürbar sind, dann würden wir uns selbst und den Gedanken des Jugendschutzes der Lächerlichkeit preisgeben. So haben wir der Polizei mitgeteilt, dass wir gerne mit Ihnen Jugendschutzkontrollen durchführen und hierbei momentan ein besonderes Augenmerk darauf richten wollen, ob branntweinhaltige Alcopops, Wodka- Brause etc. auch tatsächlich erst an über 18-jährige abgegeben werden. Unseren wenigen Kontrollen haben sich bei den Veranstaltern schnell herumgesprochen! Seitdem hat der Landkreis auch wieder Einnahmen aus Bußgeld-Verfahren, die aus Verstößen gegen das JuSchG stammen. Wenn’s hilft!
6. Zielgruppe Schüler/innen
Immer dann, wenn die Präventive Jugendhilfe möglichst viele Kinder und Jugendliche ansprechen möchte, setzen wir uns mit den Staatlichen Schulämtern im Schulamtsbezirk Coburg (für die Grund- und Hauptschulen), sowie den Schulleitern der weiterführenden Schulen in der Region zusammen und vereinbaren gemeinsam getragene Projekte. Oftmals setzen wir dann in den Schulen Mitspiel-Theaterstücke oder Referenten/Referentinnen ein. Hierbei haben wir ein paar Axiome, die den Erfolg unserer Zusammenarbeit wahrscheinlich werden lassen. Dies sind zum Beispiel: Sichtungsveranstaltungen anbieten (denn Lehrkräfte sollen ihre Meinung im Vorfeld der schulischen Veranstaltung kundtun können, didaktische Tipps geben...); Mischfinanzierung anstreben (z.B. bei Theaterstücken im Rahmen der Suchtprävention zahlt in der Regel je ein Drittel die Schule, das Landratsamt bzw. die Stadt Coburg und das Bayerische Landesjugendamt); Vorträge/pädagogische Projekte dürfen eher nichts kosten; und bei Schulen im Landkreis müssen die Aktivitäten dezentral in der jeweiligen Schule stattfinden! Für das Alcopop-Projekt gilt, dass die personelle "Ein-Mann-Show" der Präventiven Jugendhilfe nicht in einzelne Jugendgruppen oder Klassen gehen kann (Atomisierung von Arbeitszeit), lediglich der Bereich der Multiplikatoren und –wenn es sich zeitlich erübrigen lässt- der der Elternarbeit (Elternabende Kiga, Schule, Klassen) sollte wahrgenommen werden. Aus der Not geboren, haben wir mit einer sprachgewandten, motivierten und engagierten Fachoberschülerin ausprobiert, ob sie in Schulklassen mit dem Thema "Alcopops" ankommt. Die Rückmeldungen war äußerst positiv, denn eine nahezu selbst noch Jugendliche Referentin zu erleben, hat den Schüler/innen Spaß gemacht. Fast schon ein Peer-to-Peer-Ansatz! Gelegentlich setzten wir auch Student/innen gegen eine geringe Aufwandsentschädigung in Schulklassen zur Thematik der kleinen Dickmacher ein.
7. Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Coburg
Eine langjährige Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Coburg, Fachbereich Sozialwesen ist sowohl für die FH als auch das Amt für Jugend und Familie/die Präventive Jugendhilfe von Nutzen. So wurden zehn Student/innen im Rahmen ihres studienbegleitenden Praktikums zu Alcopop- Spezialisten ausgebildet. Video-Training, Rhetorik, Auflockerungs- und Kennenlernspiele, Selbstsicherheitstraining, ... waren nur einige Mosaiksteine Ihrer Ausbildung. Natürlich haben sich die zehn Student/innen ihr Material für die zwei Schulstunden selbst zusammengestellt, erprobtes Material übernommen, Neues kreiert. Laptops und Beamer wurden organisiert, DIN A 1 Plakate laminiert, Spiel- und Quizaufgaben kopiert, etc. So ging es in Zweierteams sechs Wochen lang in Schulen der Stadt und des Landkreises. Ein rundum gelungenes Projekt, das Hunderte Kinder angesprochen hat. Die Rückmeldungen der Schulen waren nur positiv, ein absoluter Gewinn –wenn auch ein zeitintensiver- war es für die Student/innen.
8. Öffentlichkeitsarbeit
Bei einem solch breit angelegten Projekt bleibt sicherlich immer etwas auf der Strecke, hier z.B. die Öffentlichkeitsarbeit. Natürlich gibt es Presseartikel, natürlich wurden die Alcopop-Informationen in den Mitteilungs- und Amtsblättern der Kommunen veröffentlicht, natürlich sind die Broschüren und Texte zu den Alcopops auf der Homepage www.koja.de (Jugendschutz) eingestellt. Da wäre aber sicherlich noch mehr gegangen.
9. Vernetzung
Regional: Es wurde bereits beschrieben, dass dieses Alcopop-Projekt von der Stadt und dem Landkreis Coburg, sowie dem Gesundheitsamt Coburg getragen wurde und wird. Die Federführung bei diesem Projekt hat der Landkreis Coburg (wir wechseln uns je nach unseren Kapazitäten und Stärken regelmäßig ab!). Wir haben bei den bisherigen Darlegungen schon viele Kooperationspartner benannt. Darüber hinaus wurde diese Alcopop-Aktion in dem Suchtarbeitskreis für die Stadt und dem Landkreis Coburg, der breiten Fachöffentlichkeit vorgestellt, die Hauswirtschaftslehrerinnen der Grund- und Hauptschulen der Stadt und des Landkreises wurden zum Thema Alcopops im Rahmen eines Fortbildungstages geschult. Überregional: Mittlerweile wurden die Hauswirtschaftslehrerinnen aus nahezu dem gesamten Regierungsbezirk Oberfranken (freiwillig und kostenlos) zu den Alcopops geschult; an der Landesarbeitstagung der Bayerischen Jugendpfleger/innen wurde das Projekt "Alcopops in der Region Coburg" vorgestellt. Auf Wunsch haben schon einige Jugendpfleger/innen eine CD mit der Powerpoint – Präsentation, Bilder, Plakaten und Texten kostenfrei erhalten. Nachahmung und Verbesserung erwünscht! Auch ein paar Einträge bei Prev.Net dürfen natürlich nicht fehlen. Wie auch bei PrevNet greifen wir gerne auf die unterschiedlichen Materialien der einschlägigen Organisationen kiloweise zurück. Nicht nur aus lokalpatriotischer Sicht gilt aber ein besonderer Dank an der Landeszentrale für Gesundheit in Bayern, die uns immer hervorragend unterstützt.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
Fachhochschule Coburg
Suchtarbeitskreis
- Alcopop-Projekt (siehe beigefügtes Dokument)
- Ein alkoholfreies Getränk ist günstiger als die gleiche Menge Alkohol
Jugendgruppen des Blauen Kreuzes