Schweinfurt

Typ: 
Landkreis
Einreichende Dienststelle: 
Landratsamt Schweinfurth
Name des Ansprechpartners: 
Frau Ute Suckfüll
Funktion des Ansprechpartners: 
Gleichstellungsstelle
Straße/Postfach: 
Schrammstraße 1, 97421 Schweinfurth
Bundesland: 
Bayern
Telefon des Ansprechpartners: 
0972155465
E-Mail des Ansprechpartners: 
ute.suckfuell@lrasw.de
E-Mail der Kommune: 
Internetadresse der Kommune: 
http://www.lrasw.de

Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags

Titel des Wettbewerbsbeitrags

"Frauen und Sucht" - Ein Projekt zum Aufbau eines Netzwerkes im Landkreis Schweinfurt

Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags

"Frauen und Sucht", am 20.10.01, Hugo-von-Trimberg-Schule, Niederwerrn

Programm

9.30 Uhr - Eröffnung und Anmeldung

10.00 Uhr - Offizielle Begrüßung mit Vorstellung der Referentinnen und Grußworten

  • Herrn Peter Seifert, Bürgermeister Niederwerrn
  • Herrn Landrat Harald Leitherer
  • Herr Pfr. Jochen Keßler-Rosa, Diakonisches Werk Schweinfurt

10.30 Uhr "Frauen & Sucht"

Fachvortrag mit anschließender Diskussion

Ulrike Ohnmeiß, Dipl.-Pädagogin, Frauen-Sucht-Beratungsstelle LAGAYA, Stuttgart

11.30 Uhr "Medikamentenabhängigkeit"

Fachvortrag mit anschließender Diskussion

Claudia Sußmann, Dipl.-Psychologin Dr. phil., Frauentherapiezentrum, München

12.30 Uhr Mittagessen

13.45 Uhr Workshop 1: "Sucht und Gewalt"

Daniela Hauke, Dipl.-Sozialpädagogin

Anlaufstelle für Mädchen und Frauen mit sexualisierter Gewalterfahrung, Schweinfurt

Workshop 2: "Co-Abhängigkeit"

Anja Melzer, Dipl.-Sozialpädagogin, Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle der Diakonie, Schweinfurt

Workshop 3: "Esstörungen"

Ulrike Ohnmeiß, Dipl-Pädagogin, Frauen-Sucht-Beratungsstelle LAGAYA, Stuttgart

Workshop 4: "Wege der Hilfe und Unterstützung"

Ilse Bieniek, Dipl.-Psychologin, Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle der Diakonie, Schweinfurt

15.15 Uhr Plenum und Verabschiedung der Referentinnen

15.30 Uhr Gedankenaustausch bei Kaffee und Kuchen

Frauen von Selbsthilfegruppen aus der Region informieren und stehen für persönliche Fragen zur Verfügung:

  • SHG Kreuzbund Schweinfurt - Frauengesprächskreis
  • SHG Kreuzbund Würzburg - Alkohol/Medikamentenabhängigkeit
  • SHG Eltern von Mädchen/Frauen, die von einer Esstörung betroffen sind

Tagungsleitung und Moderation:

Michaela Pfeiffer, Landratsamt Schweinfurt, Gesundheitsamt

Ute Suckfüll, Landratsamt Schweinfurt, Gleichstellungsstelle

Vorträge

Ulrike Ohnmeiß

Alles runterschlucken? - Alkohol und Medikamente im Frauenalltag

Ich möchte diesen Vortrag mit zwei Bildern, mit zwei Szenen beginnen und Sie einladen, mit mir einzutauchen in diese Bild-Geschichten.

Szene 1:

Stellen Sie sich vor, Sie sind beim Einkauf in einem Supermarkt. Die Sonne scheint, es ist heiß. Drinnen in der großen Halle ist es kühler. Sie haben nach Ihrem Einkaufszettel Ihren Wagen gefüllt. Neben dem Waschmittel, das ausgegangen war, standen heute auch einige Packungen Salzstangen, Chips und Erdnüsse auf Ihrer Liste. Sie bekommen am Abend Gäste zu Besuch, dafür wollen Sie die Knabbersachen haben. Jetzt ist soweit alles im Wagen drin. Sie steuern dem Ausgang zu. Der letzte lange Gang führt Sie am großen Flaschenregal mit Spirituosen vorbei. Wein und Bier haben Sie schon zu Hause, die hat Ihr Mann im Getränke-Markt besorgt. Aber halt, Sie bleiben stehen. Denken an Ihre Gäste. Ob wohl einer - oder eine? - von denen noch so etwas trinken will? Etwas verwirrt wandert Ihr Blick über die Etiketten und Namen der Getränke. Kaum ein Name sagt Ihnen was.

Zuletzt greifen Sie achselzuckend zu einer Flasche Kognak - den Namen kennen Sie von der Fernsehwerbung - und stellen diese noch zu den andern Sachen in Ihren Wagen. Für alle Falle, denken Sie. Sie rollen Ihren Wagen zur Kasse. Drei Frauen stehen vor Ihnen. Gedankenverloren schieben Sie Ihren Wagen immer ein Stückchen weiter, wenn vor Ihnen aufgerückt wird.

Sie beobachten die Frau, die vor Ihnen steht. Sie sehen die modische Hose, ein schickes T-Shirt. Ihr scheint kühl zu sein, sie hat eine Gänsehaut. Sie schauen in ihren Wagen. Ah, denken Sie, vielleicht auch eine Party. Die Frau hat drei Flaschen Rotwein darin, zwei Büchsen Fertiggerichte, etwas von der Käsetheke, Brot und Tempotaschentücher. Die Frau greift in das Regal, das zwischen den Kassen aufgestellt ist. Aus Langeweile sehen Sie zu, zählen mit. Ein kleines Fläschchen Kognak, ein Jägermeister, zwei, drei insgesamt, wandern in den Wagen.

Was würden Sie denken?

Szene 2:

Sie sind auf dem Nach-Hause-Weg vom Supermarkt. Dabei kommen Sie an einer Apotheke vorbei. Ihr Blick fällt durch die Scheiben nach drinnen. Sie sehen eine Frau aus Ihrer Nachbarschaft drinnen am Verkaufstisch stehen. Sie kennen die Frau nicht sehr gut, haben sie jedoch schon öfter gesehen, und Sie wissen, wo sie wohnt. Sie wissen auch, daß die Frau verheiratet und irgendwo in einem anderen Stadtteil berufstätig ist. Jedenfalls fährt sie täglich mit dem Bus. Ach ja, denken Sie, eine gute Idee. Ich könnte auch schnell hineingehen. Mein Mann hat heute morgen das letzte Alka-Seltzer verbraucht. Ich könnte ja eine Packung kaufen, man kann ja nie wissen. Für die Party und für alle Fälle.

Sie gehen in die Apotheke hinein. Es ist nur eine junge Frau da, die bedient, Sie stehen einen Moment da und warten. Sie sehen der Frau neben sich zu, die gerade ihre gewünschten Schachteln gebracht und hingelegt bekommt:

  • Eine Großpackung Thomapyrin - 100 Stück -, ach ja, denken Sie, Kopfschmerzen. Das kenne ich. Habe ich auch manchmal.
  • Eine Packung Recatol - Sie wissen nicht, was das ist? Ich kann es Ihnen sagen. Es sind Appetitzügler, wirken auch wie Aufputschmittel.
  • Eine Packung Betadorm A - die kennen Sie von Ihrer Kusine, es ist ein Schlafmittel.

Die Frau neben Ihnen steckt die Packungen ein, bezahlt und verläßt die Apotheke. Sie sind an der Reihe und sagen Ihren Wunsch.

Würden Sie über die Frau vor Ihnen nachdenken?

Die beiden Szenen, so wie ich sie geschildert habe, sind frei erfunden. Die Namen der Medikamente sind Beispiele, beliebig gewählt und austauschbar. Ich habe versucht, bekannte und gebräuchliche Namen zu wählen, diese sind nicht schädlicher als irgendwelche anderen. Nur eines ist ihnen - und den in der ersten Szene angesprochenen Alkoholika - gemeinsam: sie sind frei verkäuflich, leicht zugänglich und fast überall zu haben.

Diesen alltäglichen Szenen möchte ich jetzt - schlaglichtartig - einige Zahlen gegenüberstellen. Dabei geht es um Abhängigkeit / Sucht von diesen eingangs geschilderten Genuß- und Arzneimitteln.

Ich möchte mit dieser Gegenüberstellung erst mal eher weitere Fragen aufwerfen und einige Informationen, sozusagen als Rahmen für die Diskussion, aufzählen.

  • Alkohol ist das Suchtmittel, von dem die meisten Menschen abhängig sind. Es wird derzeit von insgesamt ca. 2,4 Millionen Menschen mit missbräuchlichem Alkoholkonsum und von weiteren 1,5 Mio. alkoholabhängigen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen, alte und neue Bundesländer. Das bedeutet, dass ca. 3,9 Mio. Menschen eine Suchtproblematik in Bezug auf Alkohol haben und behandlungsbedürftige Konsummuster aufweisen.
  • Allerdings vermuten viele PraktikerInnen, daß man diese Zahl insgesamt eigentlich noch höher ansetzen müsste. Der Anteil der Frauen beträgt ungefähr ein Drittel, in Großstädten liegt der Prozentsatz auch höher.

    Bei diesen Zahlen sind Menschen, die durch ihren hohen Alkoholkonsum als gefährdet zu betrachten sind, nicht mit eingerechnet.

    Auf die Gefahren, die Alkoholabhängigkeit mit sich bringt, brauche ich sicher nicht weiter einzugehen:

    • gesundheitliche, z.T. schwere Schädigungen bis hin zum Tod
    • Alkohol im Straßenverkehr gefährdet nicht nur das eigene Leben, sondern auch das anderer Menschen usw.

    Illegale Drogen in den letzten 12 Monaten vor der Befragung konsumiert zu haben gaben 2,2 Mio. (rund 5%) der erwachsenen Bevölkerung an. Dabei ist der Anteil der Männer doppelt so hoch wie der der Frauen.

    Dabei wird von ca. 285.000 Personen mit starker Abhängigkeit und weiteren 265.000 Personen mit missbräuchlichem Konsum, also von 550.000 Menschen mit behandlungsbedürftiger Suchtproblematik im Bereich illegale Drogen ausgegangen. Bei der Mehrheit dieser KonsumentInnen handelt es sich um Cannabis-Konsumenten, die Anteile von Ecstasy- KonsumentInnen sind steigend.

    Medikamentenabhängigkeit wird oft noch zu wenig als solche erkannt und dann auch nicht behandelt. Repräsentative Daten zur Medikamentenabhängigkeit liegen nicht vor. Nach einer Repräsentativerhebung von 1997 konsumieren 7,4 Mio. Personen

    (11,5% Männer und 19,5% Frauen) mindestens einmal pro Woche Medikamente mit psychotroper Wirkung (Kraus, Bauernfeind 1998). Schätzungen zur Medikamentenabhängigkeit gehen von etwa 1,4 Mio. Menschen aus, dabei ist der Anteil von Frauen höher als der von Männern und der von Älteren höher als von Jüngeren (im Gegensatz zu den andern psychotropen Substanzen).

    Suchtgefährdende Medikamente sind in folgenden Medikamentengruppen zu finden:

    • Starke Schmerzmittel - die Beispiele sollen nur eine Vorstellung geben, es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit - wirken sehr stark, sind oft Opiate (z.B. Morphium, auch Codein, das in vielen anderen Schmerzmitteln, wie z. B. Gelonida, zur Wirkungsverstärkung mit enthalten ist und vor allem als Hustenmittel verwendet wird) und synthetisch hergestellte Mittel. Es besteht eine strenge Verschreibungspflicht und hohe Suchtgefahr.
    • Schwächere Schmerzmittel
    • rezeptpflichtige (z.B. Gelonida)
    • frei verkäufliche (siehe vorne in unserem Beispiel)
    • dann der weite Bereich der Psychopharmaka
    • dazu gehören:
      • Antidepressiva
      • Neuroleptika
      • Tranquilizer,
    • die eine extrem hohe Suchtgefahr in sich bergen (z.B. Valium)

    Diese Mittel werden häufig über einen langen Zeitraum eingenommen, was die Suchtgefahr dramatisch erhöht. Nicht jeder Gebrauch macht abhängig - das gilt bei Medikamenten genauso wie bei Alkohol - aber längere Einnahmezeit und hohe Dosierung erhöhen die Gefahr enorm.

    Einige dieser Medikamente erzeugen beispielsweise dieselben Symptome, gegen die sie eingesetzt werden, als Entzugserscheinungen, d.h. wenn sie nach längerem Gebrauch abgesetzt werden. Sie können sich sicher selbst vorstellen, daß damit der Teufelskreis erneuter und weiterer Verschreibung - oder rezeptfreien Kaufs - beginnt und sich lange, lange weiterdrehen kann. Dies kann bereits nach der Einnahme von einigen Wochen auftreten (z.B. Medikamente mit dem Wirkstoff Benzodiazepin).

    Dabei fällt es noch ganz besonders ins Auge, daß ca. 75% dieser Medikamente, insbesondere Psychopharmaka, Frauen verschrieben werden.

    Irgendwie muß die Situation von Frauen - oder die Probleme von Frauen? - ganz besonders gut zu der dämpfenden, still machenden, abstumpfenden und gleichzeitig stimmungsaufhellenden Wirkung dieser Medikamente passen.

    Wenn Frau auf diese Art nichts mehr spürt, läßt sich vielleicht einiges besser aushalten?!

    Erwähnen möchte ich hier auch nochmals die Aufputschmittel wie z.B. Captagon, Reactivan, aber auch Coffein (in Kaffee und Cola, in Tablettenform und als Kombinationspräparat in andern Medikamenten, z.B. Schmerzmitteln) und mit ähnlicher Wirkung die Appetitzügler, die aufputschende Wirkung haben, dadurch süchtig machen und oft auch so eingesetzt werden. Und diese sind ja auch ganz besonders wieder ein "Frauen-Mittel".

    Wir sollten beim Nachdenken über Suchtmittel und Alltag auch nicht vergessen, daß an der Sucht - polemisch formuliert - viele verdienen und abkassieren.

    Bei Alkohol greift neben Erzeugern und Verkauf auch der Staat gut zu (die Branntwein-Steuer ist nicht unerheblich), bei Medikamenten spielen wirtschaftliche Interessen der großen Chemiekonzerne, der Ärzte und Apotheker eine Rolle.

    Und - ohne das jetzt immer unterstellen zu wollen - ein Rezept ist allemal sehr schnell ausgefüllt, die Patientin dann vielleicht auch schnell zufrieden, denn "sie hat ja etwas für sich".

    Kritische Fragen und Hinweise auf die Suchtgefahr sind selten und für beide Seiten unbequem.

    Gängige Praxis ist das Verschweigen, Aufklärung findet nicht - oder viel zu wenig - statt.

    Jetzt war bereits so viel von Sucht und Abhängigkeit die Rede, Sucht - was ist das überhaupt?

    An wen denken Sie beim Stichwort "Sucht", welches Bild haben Sie vor Augen? Und wenn Sie an eine suchtmit-
    telabhängige Frau denken, haben Sie dann überhaupt ein Bild vor Augen?

    Mal sehen, was gibt denn unsere Umgangssprache für Hinweise:

    Da gibt es die Putzsucht, aber auch die Putzwut, die Kaufsucht und die Streitsucht, es gibt aber auch die Streitlust -

    Es gibt die Arbeitssucht und die Arbeitswut ... und die Eifersucht - ach nein, die gehört vielleicht doch nicht hierher ... oder doch? -

    und es gibt Sehnsucht ...

    Die Wortspiele scheinen wegzuführen. Oder führen sie nicht vielmehr genau auf etwas zu, auf eine Sichtweise von Suchtmittelabhängigkeit, die beim Betrachten von Zahlen gern in den Hintergrund rückt?

    Die Alltags-Verbindung dieser Worte deuten an, daß Sucht einen Zweck, eine Funktion hat. Einige dieser "Süchte" sind wieder spezifisch weiblich, natürlich allen voran die Putzsucht, Kaufsucht, aber auch Eßsucht, Harmoniesucht, Liebessucht, Therapiesucht ..., und in all dem können dann Alkohol und/oder Medikamente auch eine Rolle spielen.

    Von Sucht oder Abhängigkeit sprechen wir dann, wenn eine Frau glaubt, ohne diese Substanz - oder in den obigen Wortspielen ohne diese Handlungen - bei beiden ohne diesen herbeigeführten "Zustand", nicht mehr leben zu können. Die Grenzen sind fließend, Übergänge individuell verschieden.

    Die Einnahme der psychisch verändernden Substanzen wie Alkohol und Medikamente erzeugt zu Anfang immer zuerst ein angenehmeres Gefühl. Frau fühlt sich leichter, lockerer, wohler mit .... (Name beliebig einsetzbar).

    Darin aber steckt schon verborgen, daß Frau sich ohne diese Mittel schlecht fühlt, Angst hat, Unsicherheit verspürt oder Sorgen und Probleme, auch Streß und Belastung sie bedrängen. Dieser Zwang, sich besser fühlen zu müssen, um "weitermachen" zu können - sei es im Berufsleben oder in der Partnerschaft - beinhaltet den Hilfeschrei schon in sich. Irgendetwas - oder oft vieles - ist da nicht in Ordnung, will bewältigt werden. Am Beginn der Sucht steht also meist ein Versuch, eine einfache und schnelle Lösung für etwas zu finden, was drückt - bewußt oder unterschwellig. Bewältigt werden muß die Situation, gehandelt werden muß. Es gilt, weiterzuleben, Auswege zu finden.

    Und "Flucht in die Sucht" - das ist dann kein Wortspiel mehr, sondern eine erschreckend wahre zusammengefaßte Beschreibung von dem, was abläuft.

    Das ist dann Flucht aus Situationen, die belastend sind, Flucht aus Sackgassen, in denen Frau keine Perspektive für sich sieht, Flucht vor dem Empfinden von Bedrohung.

    Flucht aus einer Welt, die eine als schädlich, als einengend und in diesem Sinne für sich als "schlecht" erkannt hat, für sich aber keine realisierbaren Möglichkeiten der Veränderung im Außen sieht.

    Das heißt für Frauen auch, Flucht aus einer Männer-Welt, in der Frau spürt, daß es um die Gleichberechtigung schlecht bestellt ist, daß sie weniger verdient (im Schnitt 30% weniger als männliche Kollegen bei gleicher Arbeit) und ihre Situation weniger zählt in der öffentlichen Diskussion und in gesellschaftlichen Prioritätensetzungen (z.B. Sportförderung- Spitzensport, nicht Breitensport! - kontra Kindergartenplätze - Verkehrspolitik ....) - oder die finanzielle Absicherung von Frauenprojekten - es gibt sicher genügend Beispiele, die Ihnen dazu einfallen.

    Flucht auch vor den am eigenen Leib oder an der eigenen Seele erlebten Verletzungen und Gewalterfahrungen - und ich denke, daß z.B. nicht nur eine erlebte Vergewaltigung - um ein extremes Beispiel herauszugreifen - eine tiefgreifende traumatische Verletzung ist, die verdrängt werden will, sondern auch die tägliche (oder besser "nächtliche"?) Angst vor Vergewaltigung an der Seele zerren kann, innerlich mürbe machen kann, Lebenslust und Widerstandskraft lähmen kann.

    Auch das nenne ich Gewalterfahrung, die jede Frau zuzeiten kennt.

    Darüber hinaus haben viele der süchtigen Frauen in ihrer Kindheit und Jugend sexuelle Übergriffe, also sexuellen Mißbrauch, Gewalt und emotionale Vernachlässigung erlebt. Diese traumatischen und frühen Schädigungen stellen oft eine Wurzel späterer Suchtmittelabhängigkeit dar.

    Essen, Tabletten, Alkohol, vielleicht auch sogenannte harte Drogen sind da eine

    Überlebensstrategie - neben anderem - um überhaupt psychisch zu überleben und sich gegen nicht aushaltbare Gefühle - auch aus den eigenen Erinnerungen - und bedrohliche Situationen zu schützen.

    Wie aber sieht diese Flucht konkret bei Frauen aus?

    Sie ist eher leise, findet im Verborgenen statt, im Arztzimmer oder Zuhause. Selbst bei Alkoholabhängigkeit ist die Mehrzahl der trinkenden Frauen nach außen hin lange unauffällig, still. Auch getrunken wird Zuhause.

    Noch deutlicher ist dies bei Medikamentenabhängigkeit. Hier merkt kaum jemand, was vor sich geht. Medikamente sind klein, unauffällig, nicht riechbar und - in aller Regel - von einer ärztlichen Autoritätsperson verordnet, d.h. für gut befunden. Die Anpassung funktioniert wieder, das Leben ist wieder erträglich.

    Die Flucht findet immer statt! Das heißt, süchtige Frauen bewältigen ihr Unbehagen, indem sie gewaltsam sich selbst ändern - mangels Alternative vielleicht -, indem sie ihre Stimmung, ihr Fühlen, ihre Befindlichkeit ändern nach dem Motto "wenn ich das… mache - dann gehts mir gut ...".

    Eine naheliegende Lösung, von Werbung und Umgebung häufig vorgemacht, unterstützt und akzeptiert.

    Gibt es nicht für jeden "Traum", für jede Sehnsucht heutzutage eine "Lösung" durch Konsum? Mit Zigaretten können Sie in den Wilden Westen reiten und mit Rum in die Karibik reisen.

    Nur - diese "Lösung", diese Bewältigungsstrategie richtet sich gegen die betroffene Frau selbst. Sucht zerstört, zerstört den Körper und die Seele. Wenn ein Suchtmittel zuerst die "Lösung" gegen Einsamkeit war, so macht Sucht hinterher noch einsamer. Aus dem Mittel "sich besser zu fühlen" wird der Zwang, es weiter einzunehmen, um sich nicht schlechter zu fühlen.

    Beim Absetzen (d.h. Weglassen) der Substanz entstehen körperliche Symptome (Entzugserscheinungen), Ängste und Unwohlsein kehren verstärkt wieder.

    Die Hilflosigkeit dem Leben gegenüber ist größer als zuvor. Und die Probleme - innen wie außen - sind geblieben, oft sogar größer geworden und meist sind durch die Sucht noch welche hinzugekommen. Nur die Kraft ist jetzt noch geringer.

    Ich habe jetzt ein buntes Kaleidoskop von Aspekten zusammengetragen, um aufzuzeigen, wie Frauen süchtig werden können.

    Zusammengefaßt möchte ich noch einmal drei Stichworte benennen, die jedes für sich und/oder alle zusammen Wege in die Sucht darstellen.

    Zuerst ist da der Alltag zu nennen, alltäglicher Konsum von Stoffen, die süchtig machen können. Das gilt besonders für Alkohol, der bei uns zu jedem Fest, zu fast jedem feierlichen und fröhlichen Anlaß dazu gehört. Aber auch der schnelle Griff zur Tablette, besonders bei Kopfschmerzen, ist "normal" und wird über Werbung "verkauft"/verstärkt/forciert (Frau denke nur an die leistungsfähige Sekretärin...). Hier finden wir den Zusammenhang zwischen schneller Wirkung und Funktionieren-Müssen oder - Wollen...

    (Ein Spaziergang würde vielleicht auch helfen, aber können Sie bei der Arbeit jederzeit spazieren gehen, wenn Ihnen danach ist?! Vielleicht wäre das schön, wenn es so wäre ... und vielleicht sehr gesund...)

    Nach dem Motto "viel hilft viel" oder durch die Einnahme über längere Zeiträume kann sich daraus ganz unspektakulär Suchtmittelabhängigkeit einschleifen, Streß und Spannung sind dann nicht mehr anders lösbar. Die Konsumgewohnheiten verselbständigen sich, entwickeln (siehe oben) eine Eigendynamik, eine Suchtgeschichte.

    Ein anderes Stichwort ist Krise.

    Aus ganz "normalen" Konsumgewohnheiten, auch geringer Konsum von Suchtmitteln, können in Krisenzeiten schnell süchtige Mechanismen werden. Die Lebenssituation dieser Frauen spitzt sich zu, die Probleme wachsen über den Kopf.

    Arbeitslosigkeit, zunehmende Gewalttätigkeit des (Ehe-)Partners, ein Unfall, Trennung vom Lebenspartner, Tod, Verlust, berufliche Konflikte, Älterwerden etc. können Lebenskrisen auslösen. Und manchmal ist ein solches Erleben der Stolperstein und der Beginn einer Suchtkarriere, die dann ebenfalls ihre Eigendynamik entwickelt.

    Das dritte Stichwort ist extreme Verletzung, Trauma, frühe Schädigungen, Störungen.

    Dazu gehören die bereits erwähnten Erfahrungen von sexuellem und emotionalem Mißbrauch, der für viele Frauen der dunkle Schatten ihrer Kindheit ist, ebenso Mißhandlung, Gewalt und Vernachlässigung. Auch wenn die Ursprungsfamilie von dramatischen Ereignissen überschattet ist wie Tod eines Elternteils, Scheidung, oder eine starke Suchmittelabhängigkeit eines Elternteils oder das Fehlen eines Zuhauses die Kindheit prägten, so kann dies starke Gefühle der Angst, Verwirrung und Verletzung bewirken. Bei den meisten süchtigen Frauen finden sich solche frühen Erfahrungen von "Wenig-Wert-Sein" und "Keinen-Raum-für-mich", und ich denke, Mädchen trifft dies meist in stärkerem Maß, da sie immer noch leichter beiseite geschoben und übersehen werden können. Mädchen wuchsen und wachsen noch immer häufig mit der Botschaft auf, "sei still, sei leise, sei lieb" - und das heißt dann: Schluck deinen Schmerz, deine Angst, deine Verwirrung und deine Verzweiflung runter, behalte es für dich - bewältige es mit dir allein, in dir.

    Und wenn dieses "Runterschlucken" dann "Verstärkung" braucht... - alle Suchtmittel dämpfen und betäuben Gefühle, machen sie weniger spürbar.

    Auch da steht die Überlebensstrategie "Nicht-Spüren-Wollen" am Anfang, Selbstzerstörung durch die Eigendynamik der sich entwickelnden Sucht ist die Folge.

    Diesen drei Stichwörtern, wie ganz unterschiedliche Frauen aus ganz unterschiedlichen - und/oder ähnlichen - Gründen und Auslösern heraus süchtig werden können, möchte ich drei Reizwörter, drei Gedanken gegenüberstellen, die aus der Sucht herausführen können / sollen.

    Ich habe drei Stichwörter herausgegriffen, die ich als Aufhänger benutze, ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Eher als Anregung für uns alle, weiterzudenken und weiterzuspinnen, wachsam zu sein, auch im Sinne eines Beitrags zur Prävention.

    Wie kann ein Weg aus der Sucht heraus aussehen?

    Aus der Sucht auszusteigen bedeutet immer, daß Angst und ambivalente Gefühle wach werden, daß die unterdrückten Probleme wieder drücken. Die Unsicherheit ist groß.

    Wenn eine Frau sich jahrelang scheinbar zufrieden gab, wo sie es nicht war, weggeschaut und weggehört hat von Bedingungen, die ihr nicht gut taten, so tut sich all das jetzt auf. Aussteigen aus der Sucht heißt hinschauen, hinhören, zuhören, erst mal vor allem sich selbst. Und was eine Frau da sieht und hört (in sich hineinhorcht), ist oft schmerzhaft und wenig schön. Oft macht das traurig, wütend und zornig.

    Längst vergessen Geglaubtes taucht auf. Eigene empfindsame Wahrnehmung kann nicht mehr verdrängt werden.

    Frauen brauchen in diesem Prozeß des Aussteigens aus der Sucht Schutz, Freiraum, Unterstützung. Das können eine Beraterin, eine Therapie (in Klinik oder ambulant), eine Selbsthilfegruppe, Freundinnen und langsam wachsendes Vertrauen zu den eigenen Selbstheilungskräften sein. Auch da gibt es viele verschiedene Schritte und Wege, kein starres Schema. Ohne die "Krücke", die vermeintliche Stütze des Suchtmittels, zu leben, heißt, das eigene Leben wieder in die Hand zu nehmen, es neu zu erschaffen. Das muß nicht nach außen spektakulär aussehen, kann es aber auch. Veränderungen sind sicher nötig - sichtbare und unsichtbare. Es gibt keine Regel, wie ein Leben ohne Sucht aussehen kann, außer der einen - anders aussehen und sich anders anfühlen wird es in jedem Fall. Und Veränderung macht Angst, läßt zögern, braucht Zeit - und macht Spaß und befreit.

    Eines der drei Dinge, die auf diesem Weg des Aussteigens helfen, ist Kreativität und Phantasie.

    Sie wundern sich, was das hier zu suchen hat, weshalb ich es sogar als erstes "Hilfsmittel" nenne? Nun, ich glaube, Frauen, die süchtig geworden sind, haben irgendwann aufgehört zu träumen. Sich etwas zu wünschen in ihrem Leben, was sie erfüllt, was gut tut, im Hier und Jetzt. Und diesen Träumen, diesen Lebensentwürfen, und den Stolpersteinen, wo die Träume stecken geblieben sind, will ich nachspüren. Ich will die Lust locken, wieder Phantasie zu entwickeln, wieder kreativ zu werden für das eigene Leben, für den eigenen Lebensentwurf.

    Für einen Platz für jede Frau, wo sie stehen kann und sich gut fühlen und es sich gut gehen lassen kann. Diese Plätze, diese Freiräume gibt es für Frauen nicht einfach so.

    Oft gibt es nicht mal Vorbilder, oder wir müssen lange danach suchen. Das heißt, Frauen finden - erfinden - erschaffen diese Räume für sich neu, gehen auf die Suche danach und träumen sie für sich. Dabei ist der Weg schon ein Teil des Ziels, denn die Widersprüche, als Frau im Patriarchat zu leben, kann keine einzelne Frau alleine auflösen. Nur trotzdem gut leben, das können wir wollen - und dafür brauchen Frauen viel Kreativität.

    Gleichzeitig ist Kreativität - jetzt im ganz wörtlich-sinnlichen Sinn - eine gute Möglichkeit, das zu lernen. Wir - die Frauen-Sucht-Beratungsstelle LAGAYA - haben darüber sogar eine Broschüre zusammengestellt, weil uns die Ausdruckskraft und Ausdruckslust der Frauen sehr beeindruckt hat. Frauen zeigen darin mit Collagen und Bildern, wie sie ihre Suchtgeschichte erlebt haben, - daraus ausgestiegen sind und wie sie sie aufgearbeitet haben, d.h. was sie an neuer Kraft und Lebenslust für sich gefunden haben. Diese Ausdruckskraft zu fördern und durch regelmäßige Ausstellungen herauszufordern, ist mittlerweile zu einem festen und wichtigen Bestandteil unserer Arbeit geworden. Wir gestalten Ausstellungen in der Frauen-Sucht-Beratungsstelle LAGAYA ein- bis zweimal im Jahr, auf Anfrage auch in anderen Räumen.

    Ein weites Stichwort für den weiblichen Weg aus der Sucht ist für mich Zweifel.

    Zweifel für Frauen, die bisher alles als gegeben hingenommen haben, als unveränderbar.

    Zweifel für Frauen, deren eigene Meinung nie gefragt war und die jetzt - auf die Schnelle - auch keine fertigen Antworten haben.

    Es ist in Ordnung, zu zweifeln, auch wenn ich keine eigene andere Antwort habe. Zweifeln heißt erst mal, ich stelle in Frage. Ich sage Nein zu vorgegebenen Antworten, Normen, Erwartungen, oder ich sage zumindest, ich weiß nicht recht. Zweifeln heißt, ich erlaube mir eine Phase der Verunsicherung, der Offenheit, in der Neu-Definition stattfinden kann. Neu-Definition braucht aber erst mal den leeren Raum und den Mut zum leeren Raum, und diesen Raum schafft das Zweifeln. Angezweifelt kann dann auch werden, was Frau tun soll und was sie lassen soll, was richtig und was falsch ist.

    Zweifeln heißt auch, nicht gleich zu allem bisher geltenden Nein sagen zu müssen - aber eben auch nicht wahllos "schluckend" zu allem mehr Ja sagen. Das kann für eine süchtige Frau dann auch heißen, an ihrem bisherigen Leben und Handeln, an ihrem der-Sucht-Ausgeliefert-Sein zu zweifeln. Sucht als bisherige Bewältigungsstrategie und die als "Zwänge" erlebten selbstschädigenden Handlungen können in Frage gestellt werden, als "heilsame Verwirrung" und Irritation, nicht als Selbstabwertung.

    Zweifeln heißt dann für süchtige Frauen, sich eine eigene Wahl zu erlauben, überhaupt Wahlmöglichkeiten für erlaubt, für denkbar zu halten. Zweifeln kann das Herz von dem Panzer des "Du-mußt" befreien - und daraus kann dann zu Teilen des bisherigen Lebens ein "Ja-ich-will" werden und zu anderen ein "nein, so nicht".

    Zweifeln und infrage stellen eröffnet die Freiheit der Wahl - und die zu lernen haben Frauen sicher noch einiges zu entdecken, Beraterinnen mit ihren Klientinnen gemeinsam. Herauskommen kann dabei ein neues Wertsystem, was für die süchtige Frau besser taugt, weil es mit ihr selbst, mit ihren Wünschen und Vorstellungen übereinstimmt - und weil sie das weiß. Sie hat die Bausteine ("nach reiflichem Zweifeln") selbst gewählt und zusammengestellt. Das kann auch eine gute Portion Provokation und Erstaunen für die Umwelt mit beinhalten!

    Das dritte Stichwort, das ich hier in den Raum stellen will, schließt daran direkt an: Eigen-Sinn.

    Sie haben es schon gemerkt, nach dem Zweifeln und Infragestellen kommt das Eigene, das Eigentliche vielleicht auch, zum Vorschein. Eigen-Sinn - damit meine ich aber auch einen Sinn genau für dieses Eigene zu entwickeln, für diese Wesen, vielleicht auch für dieses Mädchen, das da immer noch in uns lebt und unser "Eigenes" ist. Und ich meine "Eigensinn" im ganz üblichen, ganz landläufigen Sinn. Eigensinnig ist nichts Nettes. Eigensinnige Mädchen sind nicht besonders erwünscht und werden schon gleich gar nicht dafür gelobt. Er paßt den Erwachsenen - dem Funktionieren der Gesellschaft - nicht in den Kram, der Eigensinn. Der will anscheinend immer etwas anderes als "man" sagt/tut/macht/hat.

    Weshalb also dieses Plädoyer für eine Portion Eigensinn für eine erwachsene Frau? Die doch nur das Leben schwer macht und anecken läßt...

    Ich glaube, in jeder süchtigen Frau steckt eine Portion Eigensinn, Eigenwilligkeit, oft sogar ein Quantum Rebellion. Auch hier geht es mir erst mal darum, die wieder wach werden zu lassen, sie spürbar werden zu lassen. Und ich halte sie für sinnvoll.

    Irgendwo im Ursprung, war die Rebellion, der Widerstand, die Verweigerung, eine ganz richtige, "stimmige", angemessene Aussage, die dann eben, weil als eigensinnig, böse wie bei den kleinen Mädchen abgetan, runter geschluckt wurde.

    Und wenn etwas davon richtig war, warum soll es dann verschwinden? Auch die Wut, auch der Zorn einer suchtmittelabhängigen Frau muß seinen Platz haben dürfen und ist oft für die Heilung enorm wichtig. Zorn auf den oder die Täter, die die Verletzungen zugefügt haben, hilft, klar zu sehen. Und eigensinnig nein sagen zu dem, was mir nicht gut tut, hilft, mich selbst zu schützen.

    Eigensinnig sein heißt deshalb für mich auch, die Verantwortung für sich selbst wieder zu übernehmen und dafür einen "eigenen Sinn" zu entwickeln, was einer gut tut und was nicht.

    Eigensinn heißt für Frauen auch, einen eigenen Sinn - einen eigenen sinnlichen Zugang - zur eigenen Weiblichkeit zu entwickeln, letztlich eine eigene Identität als Frau. Und die geht nicht ohne eine Portion Eigensinn, nicht ohne ab und zu kräftiges Aufstampfen.

    Und wenn wir das machen, dann spüren wir wenigstens unsere eigenen Füße wieder, und daß wir auf denen stehen können, und den Boden unter unseren Füßen.

    Holprig, aber da. Dabei spürt jede die eigene Frauen-Stärke in diesem Stehen und kann einen gangbaren Weg aus der Sackgasse der Sucht herausfinden.

    Hier möchte ich zu Ende kommen.

    Ich wünsche mir, Ihnen ein klareres Bild von Suchtproblematik - insbesondere Alkohol und Medikamente - bei Frauen vermittelt zu haben.

    Ich wünsche mir aber auch, daß einiges zum Nachdenken dabei war, nicht nur zum Nachdenken über "die anderen" - die süchtigen Frauen -, sondern auch zum Nachdenken über uns selbst, über eine Gesellschaft, die Frauen benachteiligt und uns gleichzeitig eine Menge "süchtiger", d.h. durch Konsum zum Verdrängen verführende Angebote macht.

    Schleicht sich das nicht in jeden Frauen-Alltag ein?!

    Schließen möchte ich, indem ich zum Abschluß eine ehemals suchtmittelabhängige Frau zu Wort kommen lasse.

    Ich entnehme den Abschnitt aus der oben erwähnten Broschüre "Sucht und Kreativität bei Frauen", in der Frauen aus unserer Frauen-Sucht-Beratungsstelle

    LAGAYA über sich selbst schreiben:

    "Und nach all diesen Qualen wollte ich endlich leben. Bewußt leben!

    Meine Einzelgespräche waren in mein Gedächtnis gespeichert, und endlich konnte ich meine Kraft ,positiv für mich` einsetzen.

    Ich begann, mein ganzes Leben zu verändern. Und ich hatte die Unterstützung vieler toller Frauen, die ich mir auch heute noch hole.

    Heute bin ich stolz darauf, daß ich eine Frau bin und stehe zu meiner Meinung.

    In diesem Kampf, beziehungsweise in diesem Sich-mit-mir-Auseinandersetzen, spüre ich meine Energie und daß ich lebe!

    Jetzt ziehe ich aus meiner Wut Kraft.

    Ich habe gelernt, wie wichtig Reden ist.

    Ich habe gelernt, was es heißt, 'mir treu zu bleiben',

    Selbstvertrauen aufzubauen und mich und mein Leben zu lieben.

    Ich fühle mich wertvoll und sicher in mir!

    Ich sage nein, wenn mir was nicht gut tut. Ich bin heute 25 Jahre alt, erlerne einen neuen Beruf, komme mit meinem Schuldenberg besser zurecht und habe neue, 'wahre' Freundinnen gefunden, die mich so nehmen, wie ich bin. Mit all meinen Kanten und Ecken.

    Dr. Claudia Sußmann

    Frauen und Medikamentenabhängigkeit

    1. Medikamentenabhängigkeit ist nach der Nikotinabhängigkeit Suchtproblem Nr. 2 bei Frauen

    Es werden in Deutschland geschätzt (DHS)

    • 2.5 Mio. abhängige Raucherinnen (40% von ca. 6 Mio. insgesamt)
    • 1 Mio. medikamentenabhängige Frauen (2/3 von 1.5 Mio. insgesamt)
    • 400.000-530.000 alkoholabhängige Frauen (bis 1/3 von 1.6 Mio. insgesamt)
    • 48.000-60.000 drogenabhängige Frauen (40% von ca. 120.000-150.000 insgesamt)

    Fragen zum Wettbewerbsbeitrag

    Welche Ziele werden mit dem Wettbewerbsbeitrag angestrebt?: 
    • Angebot für die Versorgung im Bereich "Frauen und Sucht" für den Landkreis Schweinfurt zu ermitteln
    • den Einstieg in den Konsum von Suchtmitteln zu verhindern bzw. hinauszuzögern
    • den frühzeitigen Ausstieg aus riskanten Konsummustern zu fördern
    • einen suchtmittelfreien Lebensstil zu fördern
    • Zusammenhänge aufzeigen, warum Frauen in eine Abhängigkeitserkrankung geraten und welche Auswirkungen dies auf persönlicher, sozialer und gesellschaftlicher Ebe-ne nach sich zieht.
    Gibt es Minimalziele?: 

    ja, ? Multiplikatorinnen wie Kreisrätinnen der Kommunen, kommunale und kirchliche Frauen-beauftragte für das Thema „Frauen und Sucht“ zu sensibilisieren, um Suchtprobleme er-kennen und geeignete Handlungsmöglichkeiten entwickeln zu können. ? Informationen über einzelne Suchtmittel und Suchtformen zu vermitteln ? Das Angebot regionaler Fach- und Beratungsstellen bekannt zu machen

    Von wem ist die Initiative für Ihr Präventionsprojekt ausgegangen?: 
    • Gesundheitsamt und Gleichstellungsstelle des Landkreises Schweinfurt
    Wenn sich Ihr Wettbewerbsbeitrag an Kinder und Jugendliche richtet, wurden dieses Zielgruppen in die Entwicklung des Angebots ei: 

    keine Antwort

    Welche Gründe waren für die Auswahl der Zielgruppe ausschlaggebend?: 

    Im Landkreis Schweinfurt gibt es keine spezifisch auf Frauen und Mädchen zuge-schnittenen Angebote im Sucht- bzw. Gesundheitsbereich. Der unterschiedliche Zu-gang und Umgang von Frauen mit dem Thema Sucht soll transparent werden. Frauen werden sowohl zu einer persönlichen Auseinandersetzung mit dem Thema angeregt als auch gleichzeitig aufgrund ihrer Funktion in der Gemeinde als Multiplikatorin angespro-chen. Aufgrund der Vielschichtigkeit des Themas erfolgt alleine deshalb schon eine Vermi-schung von der sogenannten Zielgruppe und den Multiplikaktorinnen.

    Wie wird sichergestellt, dass die Zielgruppe sich beteiligt?: 

    Durch die Auftaktveranstaltung wurden Frauen persönlich als auch als Multiplikatorin-nen erreicht. In die Planungsphase zur Veranstaltung, als auch im Anschluß an die Tagesveranstal-tung wurden die angesprochenen Frauen durch eine schriftliche Rückmeldung einge-bunden. Durch den Austausch im Rahmen von Dienstbesprechungen mit den Gleichstellungs-beauftragten und Kreisrätinnen des Landkreises werden Bedürfnisse in den einzelnen Gemeinden individuell erfragt, Veranstaltungen geplant bzw. über die Multiplikatorinnen in den Kommunen initiiert.

    An welchen Bedürfnissen der Zielgruppe wird angeknüpft?: 

    Es wurde besonderer Wert darauf gelegt, die Bedürfnisse der Frauen zu berücksichti-gen. Durch die Befragung hinsichtlich der Themenschwerpunkte konnten die Frauen im Vorfeld aktiv die inhaltliche und thematische Ausgestaltung beeinflussen. Ein weiterer Aspekt bildete die Auswertung der Tagesveranstaltung aus der sich weite-re Ansatzpunkte zur konkreten Umsetzung und Weiterführung des Themas „Frauen und Sucht“ in den einzelnen Kommunen des Landkreises bildeten.

    Wenn der Wettbewerbsbeitrag sich an Multiplikatoren richtet, welche sind das?: 
    • Frauen, die in der kirchlichen Gemeinde aktiv sind
    • Frauen, die in politischen Gremien aktiv sind(Kreisrätinnen,F.-beauftragte)
    • Pfarrgemeinderätinnen
    • Vertreterinnen von speziellen Frauengruppen und -verbänden (Schwerpunkt)
    Zielt der Wettbewerbsbeitrag auf spezielle Substanzen? : 

    nein

    Auf welche Handlungsfelder der kommunalen Suchtprävention zielt der Wettbewerbsbeitrag?: 
    • insbesondere politische und kirchlich geprägte Handlungsfelder (Schwerpunkt)
    • Sonstige Freizeitaktivitäten
    Welche Ämter/Dienstellen der Stadtverwaltung kooperieren in Ihrem Wettbewerbsbeitrag?: 
    • Gesundheitsamt (federführend)
    • Gleichstellungsbeauftragte
    Welche Institutionen/Akteure ausserhalb der Verwaltung sind darüber hinaus in die Organisationsstruktur Ihres Wettbewerbsbeitrag: 
    Welche überörtlichen Institutionen/Akteure sind in die Organisationsstruktur Ihres Wettbewerbsbeitrags eingebunden? : 
    Wie ist die Zusammenarbeit geregelt?: 
    • Fallweise Kooperation im Bedarfsfall
    • Projektgruppe
    In welchem Jahr wurde mit der Entwicklung Ihres Wettbewerbsbeitrags begonnen?: 

    2001

    Seit wann ist besteht sein Angebot in der Praxis?: 

    2001

    Dabei Handelt es sich nach der Konzeption um ein:: 

    Ziel ist es, die Situation von Frauen bzgl. des Suchtthemas aufzugreifen, transparent zu ma-chen und durch verschiedene thematische und inhaltliche Angebote für den Landkreis Schweinfurt weiterzuentwickeln. Dabei ist angestrebt, dass das Thema Sucht in den jeweiligen Gemeinden präsent wird und durch Veranstaltungen, Ansprechpartnerinnen, Projekte udgl. auch Thema bleibt.

    Die Finanzierung in den kommenden vier Jahren ist:: 

    wahrscheinlich gesichert

    Setzen Sie in Ihrem Beitrag Verfahren der Suchtprävention ein, die in Ihrer Kommune neu sind?: 

    ja, Die geschlechtsspezifische Betrachtungsweise des Themas ist ausschlaggebend für die weitere Auseinandersetzung und Fortführung

    Sprechen Sie mit Ihrem Beitrag in Ihrer Kommune neue Zielgruppen der Suchtprävention an?: 

    ja, Die unter Punkt 2.9. genannten Multiplikatorinnen wurden als Zielgruppe für Suchtprävention bisher nicht berücksichtigt

    Welche anderen Neuerungen der Suchtprävention in Ihrer Kommune enthält der Wettbewerbsbeitrag darüber hinaus? : 

    ? Suchtprävention darf nicht altersabhängig und altersbegrenzt betrachtet werden, sondern muß die Lebenssituation der Menschen im Blickfeld haben und darauf aufbauend früh-zeitig, kontinuierlich und vernetzt Prävention implementieren ? Das Thema fokussiert den Blickwinkel auf Frauen, die bisher im Suchthilfesystem im Landkreis Schweinfurt nicht ausdrücklich genannt werden ? Durch landkreisweite Informationsveranstaltungen, die durch Gleichstellungsstelle und Gesundheitsamt koordiniert werden, erfolgt der Aufbau eines Netzwerkes für die oben genannte Zielgruppe.

    Gibt es eine schriftliche Konzeption der Suchtprävention in Ihrer Kommune?: 

    nein

    Sind eigene Bedarfserhebungen für die Bestimmung der Zielgruppe der Suchtpävention angefertigt worden?: 

    ja, Es gibt bisher keine suchtpräventiven Maßnahmen mit ausschließlich geschlechtsspezifi-schem Hintergrund sowie keine Beratungsstellen speziell für Frauen und Mädchen im Gesundheits- und Suchtbereich

    Welchem konzeptionellen Modell lässt sich der Wettbewerbsbeitrag nach seinem Schwerpunkt zuordnen?: 
    • Konzept der Gesundheitsförderung
    Auf welche Ansatzpunkte beziehen sich die Präventionsmassnahmen?: 
    • Gemeinde, Sensibilisierung der Bürger und Bürgerinnen, Aufbau und Festigung sozialer Netzwerke, Abbau von Zugangsschwellen, regelmäßiges Angebot von Veran-staltungen, Zusammenarbeit von den unterschiedlichen Vereinen und Verbänden sowie den Selbsthilfegruppen im Suchtbereich
    Welche Materialien und Medien kommen zum Einsatz?: 

    Dokumentation Homepage im Internet Flyer für Veranstaltungen

    Gibt es eine Zeitplanung für den Wettbewerbsbeitrag?: 

    ja, bis zu 3 Jahre