Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Titel des Wettbewerbsbeitrags
Kurzfassung des Wettbewerbsbeitrags
Projektträger: Netzwerk Prävention alkoholbedingter Jugendgewalt Stuttgart (AG Jugendkriminalität, Release Stuttgart e. V., Beauftragte für Suchtprophylaxe, AK Suchtprävention).Im Netzwerk sind alle relevanten Einrichtungen und Vertreter von komm. Institutionen der Jugend- und Suchthilfe/Suchtprävention und komm. Kriminalprävention vertreten. Das Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Es wird durch die Uni Tübingen wissenschaftlich begleitet.
Projektumsetzung: Mobile Jugendarbeit Stuttgart und Release Stuttgart e. V.
Die Projektmitarbeiterinnen suchen an den Wochenenden Jugendliche, die sich nachts auf öffentlichen Plätzen in der Stuttgarter Innenstadt aufhalten, direkt auf. Neben direkter Hilfe, die die Jugendlichen in Notsituationen in Anspruch nehmen können, werden sie zu ihrer Haltung und zu ihren Strategien zu den Themen Alkohol und Gewalt befragt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, selbst Ideen zur Einrichtung und Ausgestaltung eines dauerhaften Präventionsansatzes einzubringen.
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Anlass und Ausgangsituation
Die Club- und Eventgastronomie in Stuttgart hat sich in den vergangenen Jahren stark vergrößert. Dies hat dazu geführt, dass die Stuttgarter Innenstadt für Jugendliche und junge Erwachsene aus Stuttgart und den umliegenden Kreisen an Attraktivität gewonnen hat. Hinzu kommt, dass die Innenstadt mit dem öffentlichen Personennahverkehr schnell und gut erreichbar ist.
Beobachtet wurde darüber hinaus, dass Jugendliche und junge Erwachsene sich vermehrt auf öffentlichen Plätzen treffen, um dort gemeinsam Zeit miteinander zu verbringen, oft verbunden mit einem riskanten Alkoholkonsum.
In der Folge kommt es zum Teil zu Störungen des öffentlichen Lebens und zu Straftaten.
Laut Kriminalstatistik des Polizeipräsidiums Stuttgart wurden im Jahr 2010 39 Prozent der Straßenkriminalitätsdelikte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 14 und 24 Jahren und 45 Prozent der Aggressionsdelikte unter Alkoholeinfluss verübt.
Die Jugendlichen werden von Erwachsenen oft negativ und störend wahrgenommen (Stichworte Lärm, Müll, Pöbeleien, etc.). So kam es vermehrt zu Polizeieinsätzen und Konflikten zwischen Jugendlichen und Erwachsenen.
Des Weiteren kann beobachtet werden, dass sich bestimmte Szenen an bestimmten Orten treffen. So ist beispielsweise der Berliner Platz in Stuttgart jeden Freitagabend ein Treffpunkt der regionalen (und teilweise landesweiten) "Emo2-Szene".
Die im Jahr 2009 durch das Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Tübingen durchgeführte qualitative Untersuchung zu "Einflussfaktoren, Motivation und Anreize zum Rauschtrinken bei Jugendlichen – JuR" hat gezeigt, dass bestimmte Konsumformen von Jugendlichen, wie das Rauschtrinken, als jugendkulturelles Peer-Gruppenphänomen betrachtet werden muss. Der Alkoholkonsum ist in den Gruppen stark ritualisiert und beinhaltet ein ausgefeiltes Repertoire von Regeln und Normen, wie das Trinken bzw. das Verhalten unter Alkoholeinfluss innerhalb der Gruppen, aber vor allem auch in der Öffentlichkeit reguliert wird. Somit ist die Gruppe gleichermaßen ein steuernder Experimentierraum für identitätsrelevante Erfahrungen wie auch Risikoraum durch Enkulturation in den Konsum und Schutzraum durch Regeln und Normen zum Trinken. Alle drei Ebenen sind dabei geschlechterbezogen zu betrachten.
Konzeption
Das Projekt "Prävention alkoholbedingter Jugendgewalt in Stuttgart (PAJ)" hat eine Laufzeit von zunächst zwei Jahren und besteht aus drei Phasen.
Projektträger ist das Netzwerk "Prävention alkoholbedingter Jugendgewalt Stuttgart". Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss der AG Jugendkriminalität Stuttgart (Träger der Jugendarbeit, Jugendamt, Kommunale Kriminalprävention und Polizei), der Drogenberatungsstelle Release Stuttgart e.V., des Aktionskreises Suchtprävention (Träger der Sucht- und Jugendhilfe, Gesundheitsförderung, Schulen und Polizei) und der Beauftragten für Suchtprophylaxe, Gesundheitsamt Stuttgart.
Das Projekt wird durch das Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Tübingen wissenschaftlich begleitet. Die Federführung der Projektumsetzung liegt bei der Mobilen Jugendarbeit in Kooperation mit Release Stuttgart e.V./ Release U21.
Phase 1:
Von Mai bis Oktober 2012 sind an allen Wochenenden (Freitag und Samstag Abend) 4er Teams aus Mitarbeiter/-innen der Mobilen Jugendarbeit und der Suchthilfe (Release U21) mit Streetwork in der Stuttgarter Innenstadt präsent. Dabei werden die zentralen Treffpunkte von Jugendlichen in der Innenstadt angelaufen.
Zielsetzung der Einsätze ist zum einen ein niedrigschwelliges Kontakt- und Beratungsangebot für die Jugendlichen anzubieten. Gleichzeitig werden die Einsätze mit Dokumentationsbögen, die von der Universität Tübingen entwickelt wurden, dokumentiert. Mit diesen Dokumentationen sollen sogenannte Landkarten der zentralen Treffpunkte von Jugendlichen beziehungsweise der verschiedenen Jugendcliquen erstellt werden.
Des Weiteren werden mit den Jugendlichen strukturierte qualitative Interviews durchgeführt, die ebenfalls von der Universität Tübingen erstellt und ausgewertet werden. Ziel dieser Interviews ist eine sogenannte "Cliquen -Diagnostik" zur Risikokompetenz im Umgang mit Alkohol zu erstellen.
Phase 2:
In Phase 2 (November 2012 bis April 2013) werden die Dokumentationsbögen und die durchgeführten Interviews durch die Universität Tübingen ausgewertet.
Des Weiteren werden mit Jugendlichen die im Rahmen der Streetwork-Einsätze erreicht wurden, Workshops durchgeführt, mit dem Ziel mit ihnen gemeinsam präventive Maßnahmen bzw. Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Risikokompetenz zu entwickeln.
Phase 3:
Von Mai bis Oktober 2013 erneute Streetwork-Einsätze, unter Einbeziehung der mit den Jugendlichen erarbeiteten Ansätze.
Zielgruppen
Das Projekt richtet sich an alle Jugendlichen, die sich nachts an den Wochenenden in der Stuttgarter Innenstadt auf öffentlichen Plätzen aufhalten. Die Altersspanne liegt schwerpunktmäßig bei 13 bis 21 Jahren, wobei auch junge Erwachsene angesprochen werden. Durch die Wahl von Schwerpunktorten (beispielsweise Berliner Platz), werden jedoch eher Jugendliche bestimmter Zielgruppen, die sich an diesen Orten aufhalten (z.B. bestimmte Subkulturen, wie "Emos") erreicht.
Ziele
Zum einen wird den Jugendlichen direkt vor Ort in kritischen Situationen Hilfe angeboten, zum anderen wird das Freizeitverhalten der Jugendlichen sowie ihr Risikomanagement bezüglich ihres Alkoholkonsums in Zusammenarbeit mit der Universität Tübingen untersucht.
Darüber hinaus soll mit den direkten Interventionen vor Ort und im Rahmen der Workshops das Risikomanagement der Jugendlichen gestärkt werden. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Alkohol soll erlernt werden, um so zu gewährleisten, dass sich die Risiken im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum verringern.
Am Ende des Projektes soll auf der Grundlage der wissenschaftlichen Untersuchung und der konkreten Praxiserfahrungen durch das Netzwerk "Prävention alkoholbedingter Jugendgewalt Stuttgart", unter Einbeziehung der Ordnungspolitik und interessierten Clubbetreibern, ein Innenstadtkonzept zum Umgang mit Jugendlichen im innerstädtischen Raum erarbeitet und umgesetzt werden.
Dafür muss die Frage geklärt sein, welche Bedarfe bei den Jugendlichen selbst vorhanden sind, was sie wollen und inhaltlich brauchen. Der besondere Vorteil der eingesetzten Methoden besteht darin, dass die Jugendlichen in die Planung und Konzepterstellung mit einbezogen werden.
Leitvorstellungen und Präventionsansätze
Die Mitarbeiter/-innen des Projektes arbeiten bei der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart und bei Release U21, dem Jugend- und Präventionsbüro des Suchthilfeträgers Release. Sie folgen einem akzeptierenden, niedrigschwelligen und lebensweltorientierten Ansatz. Die suchtpräventiven Aktivitäten sind universell und selektiv angelegt, d.h. sie wenden sich an "alle" Jugendlichen vor Ort und gehen auf die Spezifik von Risikogruppen ein.
Der respektvolle Umgang mit Jugendlichen ist entscheidend für das Vorgehen. Die Jugendlichen können mit den Mitarbeiter/-innen ins Gespräch kommen und verschiedenste Situationen, Verhaltensweisen etc. diskutieren. Die Mitarbeiter/-innen treten dabei nicht belehrend auf und begegnen den Jugendlichen mit Respekt. Trotzdem vertreten sie auch klare Standpunkte. Diese Begegnung auf Augenhöhe ist für viele Jugendliche eine neue und positive Erfahrung, da sie oftmals von Erwachsenen kritisiert und nicht ernst genommen werden. Die Mitarbeiter/-innen können so in vertrauensvoller und zwangloser Atmosphäre verschiedenste Themen ansprechen, wodurch die Jugendlichen zur Reflexion anregt werden. Die Eigenverantwortung im Umgang mit Alkohol und die positiven Möglichkeiten von Cliquen, auf den Einzelnen risikominimierend einzuwirken, bestimmen den Grundton der Gespräche.
Die Kontakte mit den Jugendlichen zielen auf die Verhaltensprävention.
Das angestrebte Innenstadtkonzept verfolgt verhältnispräventive Ansätze und Veränderungen.
Vorgehen und Umsetzung
Die Jugendlichen werden sowohl freitags- als auch samstagnachts direkt vor Ort in der Stuttgarter Innenstadt angesprochen. Die jeweiligen Einsatzteams bestehen aus je drei Mitarbeiter/-innen der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart und einer/einem Mitarbeiter/ -in der Drogen- und Suchtberatungsstelle Release U21.
Die Teams sind geschlechtsgemischt. Dies ist wichtig, da manche Themen eher mit Frauen, bzw. Männern besprochen werden. Im Bedarfsfall können sich die vier Mitarbeiter/-innen in zweier Teams aufteilen, dabei wird jedoch auf Sichtkontakt geachtet. Ebenfalls besteht eine Telefonbereitschaft durch die Leitungskräfte für dringende und wichtige Rückfragen.
Die Mitarbeiter/-innen gehen offen auf Gruppen Jugendlicher zu und nehmen Kontakt auf. Sie stellen sich vor und erklären ihre Funktion und Aufgabe. Wichtig dabei ist, dass die Jugendlichen nicht mit den Mitarbeiter/-innen sprechen müssen, sondern diese auch wieder wegschicken können. Die defensivere Methode ist es, vor Ort sichtbar zu sein. Zu diesem Zweck tragen die Mitarbeiter/-innen Westen, die sie eindeutig kenntlich machen.
Viele Jugendliche interessieren sich für die Erwachsenen, die plötzlich auftauchen und sprechen die Mitarbeiter/-innen dann von sich aus an. Zentral für die Gespräche mit den Jugendlichen ist dabei der Respekt und die Wertschätzung gegenüber den Jugendlichen. Es werden Gespräche angeboten und Themen eingebracht, gleichzeitig wird flexibel auf die jeweiligen Bedarfe und Themen der Jugendlichen reagiert. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter/-innen nicht moralisch bewerten und keine Ordnungsfunktion haben.
Über den Fragebogen können ebenfalls gute Gespräche rund um die Themen Alkohol(-konsum) und Gewalterfahrungen zustande kommen. Die Situation nachts auf der Straße führt häufig zu einem sehr persönlichen und offenen Gespräch. Die Jugendlichen sind sehr auskunftsfreudig, sobald sie merken, dass sich die Mitarbeiter/-innen ernsthaft für sie und ihre Themen interessieren.
Die direkten Einsätze bedienen sich größtenteils dem Methodenrepertoire des "herkömmlichen" Streetwork, das auch im Rahmen der Stadtteilarbeit der Mobilen Jugendarbeit Stuttgart durchgeführt wird. Neu ist hierbei jedoch die Wahl des Ortes (anstatt Streetwork im Stadtteil und im Wohnumfeld der Jugendlichen nun in der Stuttgarter Innenstadt an Orten, an denen Jugendliche Party machen) und die Abkehr vom Fokus auf die Beziehungsarbeit, hin zu themenbezogenen Gesprächen.
Die evaluatorische Begleitung in Form von Fragebögen und Fokusinterviews, sowie Gruppendiskussionen ist dabei ein neuer Ansatz, der in dieser Form zum ersten Mal durchgeführt wird. Die Analyse der Cliquen und Verhaltensweisen steht im Mittelpunkt.
Neu ist ebenfalls die Einbeziehung von theaterpädagogischen Interventionen durch die Wilde Bühne Stuttgart e.V. in die Streetwork-Einsätze. Dies ermöglicht einen vollkommen neuen Zugang, da die Schauspieler/-innen gemeinsam mit den Jugendlichen unterschiedlichste Themen durchspielen und ausprobieren können.
Am Ende der ersten Streetwork-Phase werden Workshops mit Jugendlichen, die während der nächtlichen Einsätze angesprochen wurden, stattfinden. Die Jugendlichen werden dabei die Möglichkeit haben sich selbst Gedanken über Alkohol- und Gewaltprävention zu machen und so gemeinsam mit den Mitarbeiter/-innen aktiv in die Gestaltung und Konzepterarbeitung von Präventionsangeboten mitzuwirken.
Einbindung der Projektergebnisse in eine kommunale Gesamtkonzeption
Auf der Basis der Projektergebnisse wird, wie beschrieben, eine kommunale Gesamtkonzeption Innenstadt erarbeitet.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
C 1 Fragen zur gesamtkommunalen Einbindung des Wettbewerbsbeitrags
C 2 Fragen zur Konzeption und Ausrichtung des Wettbewerbsbeitrags
Erarbeitung von suchtpräventiven Ansätzen mit den betroffenen Jugendlichen
Kommune
C3 Fragen zur Umsetzung des Wettbewerbsbeitrags
AK Suchtprävention; AG Jugendkriminalität