Stadt Delmenhorst

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Foto von der Preisverleihung durch Prof. Dr. med. Heidrun Thaiss (BZgA) an die Stadt Delmenhorst © BZgA, Foto: Christoph Petras/pr bild
Preisverleihung durch Prof. Dr. med. Heidrun Thaiss (BZgA) an die Stadt Delmenhorst © BZgA, Foto: Christoph Petras/pr bild

Auszug aus der Wettbewerbsdokumentation

Kommune und Wettbewerbsbeitrag im Überblick

Einwohnerzahl 77.6071
Bundesland Niedersachsen
Titel des Beitrags Durchgehende schulische Suchtprävention in Delmenhorst – Von der Kita bis zur BBS
Schwerpunkt des Beitrags Schulische Suchtprävention im Rahmen eines systematischen und aufeinander aufbauenden Modulansatzes. Der altersmäßige Schwerpunkt liegt im Bereich der Primarstufe (6./7. Klasse sowie 8./9. Klasse). Die Suchtprävention beginnt jedoch bereits in den Kindertagesstätten und Grundschulen und setzt sich bis in die 10./11. Klasse sowie die Berufsbildenden Schulen fort.
Einzelprojekte drop & hop
Aktionstag Durchblick
Kontakt Dr. Helge Schumann
Stadt Delmenhorst
Fachdienst Gesundheit
Fachdienstleiter und Amtsarzt
Lange Str. 1a
27749 Delmenhorst
Tel.: +49 4221 99-1131
E-Mail: Helge.Schumann@Delmenhorst.de
1 Die Einwohnerzahlen der prämierten Kommunen wurden den folgenden Quellen entnommen: Gemeindeverzeichnis-Online sowie "Daten aus dem Gemeindeverzeichnis.Kreisfreie Städte und Landkreise nach Fläche, Bevölkerung und Bevölkerungsdichte. Statistisches Bundesamt, 2019". Beide Quellen beziehen sich auf den Stichtag 31.12.2018.

Anlass und Ausgangssituation

Präventionsmaßnahmen sollen frühzeitig beginnen, um Gesundheitsressourcen zu fördern, die für das spätere Gesundheits- und Krankheitsverhalten eine wichtige Rolle spielen. Diese Maßnahmen sollen empirisch und theoretisch fundiert sein. Zudem sollte Suchtprävention zielgruppenorientiert und entwicklungsbegleitend angelegt sein. Zunehmend zeigt sich, dass Prävention sogar schon im Kitaalter beginnen sollte. Zentrales Setting ist allerdings die Schule, in der junge Menschen unabhängig vom sozialen Status mit Präventionsmaßnahmen erreicht werden können, in einem Alter, in dem Suchtmittelkonsum oft beginnt. Es zeigt sich allerdings auch, dass sich der Einstieg in den Substanzgebrauch in die höheren Jahrgänge verschiebt. Auffällig ist hierbei, dass besonders Jugendliche und junge Erwachsene an den Berufsbildenden Schulen einen erheblichen Bedarf an suchtpräventiven Maßnahmen zeigen.

Vor dem Hintergrund dieser „Regeln“ und Erfahrungen hat Delmenhorst eine durchgehende schulische Suchtprävention aufgebaut, die früh, nämlich bereits in der Kita, beginnt und Angebote bis hin zu den Berufsbildenden Schulen umfasst. Diesen Weg geht Delmenhorst seit Beginn der 2000er-Jahre. Ausgangspunkt für die systematische Präventionsarbeit an den Delmenhorster Schulen war 2003 die Gründung des Bündnisses „Rauchfreie Schulen in Delmenhorst“, das die Tabakprävention in den Mittelpunkt seiner Arbeit stellte. In Reaktion auf einen entsprechenden Bedarf kamen 2008 die Präventionsthemen Alkohol- und Cannabiskonsum hinzu. Das Bündnis wurde in Aktionsbündnis „Riskanter Konsum in Delmenhorst“ umbenannt. 2012 wurde exzessive Mediennutzung als weiteres Schwerpunktthema aufgenommen, da es in der Präventionsarbeit zunehmend wichtiger wurde.

Konzeption und Ziele

Grundlage der Bedarfsermittlung sind regelmäßige Schülerstudien, die von der Hochschule Emden/Leer durchgeführt werden. Seit 2008 werden die Schüler*innen aller weiterführenden Schulen in Delmenhorst alle zwei bis drei Jahre im Rahmen einer Vollerhebung zum Konsum von legalen und illegalen Drogen, Glückspielverhalten und exzessivem Internetkonsum befragt. Als Ergebnis der regelmäßigen Schülerstudien wurden nicht nur die inhaltlichen Schwerpunkte der Präventionsarbeit kontinuierlich erweitert, sondern auch Zielgruppen ergänzt: Nachdem die Schülerstudien einen deutlichen Anstieg des Einstiegsalters in den riskanten Konsum sowie einen besonderen Informationsbedarf bei Berufsschülern ergeben haben, wurden zusätzliche Präventionsangebote für die Berufsbildenden Schulen entwickelt.

Das zugrunde liegende Suchtpräventionskonzept ermöglicht eine an allen Delmenhorster Schulen einheitliche und systematische Suchtprävention, die die Schülerinnen und Schüler entwicklungsorientiert und nachhaltig über ihre Schullaufbahn begleitet. Aufgrund der Schulpflicht können alle Kinder und Jugendlichen aus allen sozialen Schichten über einen längeren und zudem entwicklungsprägenden Zeitraum systematisch erreicht werden.

Bei allen Maßnahmen der Suchtprävention in Delmenhorst wird auf Kontinuität und Langfristigkeit gesetzt, neue Projekte werden nach erfolgreicher Projektphase verstetigt und in die bestehenden Maßnahmen zur Suchtprävention und Gesundheitsförderung integriert. Die Koordination der schulischen Präventionsangebote erfolgt zentral. Die auf kommunaler Seite eingebundenen Akteure kommen dazu behörden- und ressortübergreifend in der AG Schule des „Kommunalen Präventionsrats“ (KPR) zusammen, dessen Vorsitzender der Oberbürgermeister ist. Mit dem Aktionsbündnis „Riskanter Konsum in Delmenhorst“ erfolgt darüber hinaus ein Zusammenschluss der an der Umsetzung der Präventionsarbeit beteiligten vielfältigen Akteure. Dazu zählen neben der Stadt die Schulen, Suchtberatungsstellen, Wohlfahrtsverbände, Polizei, Einrichtungen der Jugendarbeit, eine Kinder- und Jugendklinik sowie Sponsoren und Stiftungen.

Vorgehen und Umsetzung

Im Vordergrund steht die systematische Suchtpräventionsarbeit, die insbesondere in den weiterführenden Schulen durchgeführt wird. Mit einem Schwerpunkt in den Klassenstufen sechs bis neun werden vielfältige Präventionsprojekte und -ansätze in Bezug auf Tabak-, Alkohol- und Cannabiskonsum sowie übermäßigen Medienkonsum kombiniert und aufeinander aufbauend eingesetzt. Die inhaltlichen Schwerpunkte und methodischen Zugänge werden dabei in den Altersgruppen unterschiedlich gewählt. In der Altersgruppe der 6./7. Klassen liegen überwiegend noch keine Konsumerfahrungen vor, und der präventive Fokus wird entwicklungsorientiert auf die Vermittlung von Lebenskompetenzen und Schutzfaktoren gelegt. Diese sollen die Kinder dabei unterstützen, selbstbestimmt zu handeln und alterstypische Probleme emotional bewältigen zu können. In der Altersgruppe der 8./9. Klassen gibt es dagegen bereits Erfahrungen mit Suchtmitteln, teilweise erfolgt ein regelmäßiger und riskanter Konsum. Die präventiven Schwerpunkte liegen bei dieser Altersgruppe auf der Vermittlung von „Partykompetenzen“ und der Aufklärung über Wirkung und Folgen von Alkohol- und Cannabiskonsum.

Als ergänzende Einzelprojekte werden die Projekte „drop & hop“ und der Aktionstag „Durchblick“ vorgestellt. Das Präventionsprojekt „drop & hop“ wurde in Delmenhorst entwickelt. Es legt den Schwerpunkt der Präventionsarbeit auf die 6. und 7. Klassen und vermittelt in vier Bausteinen altersgerechtes Wissen über die verbreitetsten legalen und illegalen Drogen sowie deren Wirkung und Gefahren. Es betrachtet die rechtlichen und gesetzlichen Dimensionen von Drogen und zielt auf eine Stärkung der Persönlichkeit und die Befähigung, einem möglichen Gruppendruck standzuhalten. Mit dem Aktionstag „Durchblick“, der in den 8. oder 9. Klassen stattfindet, werden das im Rahmen von „drop & hop“ erworbene Wissen aufgefrischt und erweitert sowie die Lebensumstände von jungen Jugendlichen einbezogen. Die Stationen des Aktionstages umfassen ein interaktives, suchtpädagogisches Theaterstück zum Thema Alkoholismus, einen Workshop zum Thema Cannabis, Suchtbiografie-Gespräche mit jugendlichen Patient*innen einer Suchtklinik, einen Rauschbrillen-Parcours sowie einen Glücksspiel-Workshop zu den Themen Sportwetten und Automatenspiel. Darüber hinaus kommen das Projekt Net-Piloten (Prävention von exzessivem Computerspiel- und Internetgebrauch) und der Klarsicht-Koffer der BZgA zum Einsatz.

Begründung der Prämierung

Delmenhorst überzeugt mit seiner langjährigen und wirkungsvollen Arbeit in der Suchtprävention für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die in den ganzen Jahren kontinuierlich und bedarfsbezogen angepasst und erweitert wurde. Sie basiert auf einem strukturierten und schlüssig aufeinander aufbauenden Konzept, das für unterschiedliche Altersgruppen verschiedene und entwicklungsgemäße Ansätze wählt. Die Ziele und Zielgruppen der Präventionsprojekte werden detailliert festgelegt. Die Kinder und Jugendlichen werden im Verlauf ihrer Schulzeit mehrfach durch jeweils altersgerechte Präventionsangebote angesprochen. Dabei werden vielfältige und abwechslungsreiche Zugangswege genutzt, um möglichst viele Schüler*innen zu erreichen. Ausgangssituation und Entwicklung werden durch die regelmäßigen Schülerstudien extern – es gibt eine langjährige Zusammenarbeit mit der Hochschule Emden/Leer – und wissenschaftlich analysiert und damit gleichzeitig die Präventionserfolge evaluiert.

Das Präventionskonzept und die Präventionsarbeit sind kommunalpolitisch und innerhalb der Verwaltung sehr gut verankert. Der Oberbürgermeister ist Vorsitzender des „Kommunalen Präventionsrats“ (KPR), es gibt einen Ratsbeschluss „Gesund aufwachsen in Delmenhorst“ sowie einen Maßnahmenplan des KPR zur Suchtprävention.

Es gibt eine erfolgreiche Netzwerk-Arbeit zur Umsetzung des durchgehenden Präventionsangebots: Die AG Schule des „Kommunalen Präventionsrats“ hat sich für die Arbeit an den weiterführenden Schulen als sehr effektive Struktur erwiesen; für die Grundschulen wurde mit der AG Grundschule ein vergleichbares Netzwerk geschaffen. Darüber hinaus wirkt eine breite Vielfalt externer Akteure, die im Aktionsbündnis „Riskanter Konsum in Delmenhorst“ zusammengeschlossen sind, an der Umsetzung der Präventionsprojekte mit.

Die Präventionsarbeit ist auf Dauer und Kontinuität angelegt. Bewährte Bausteine des Konzepts werden verstetigt, neue Bausteine werden nach einer positiven Testphase in die bestehenden Maßnahmen zur Suchtprävention und Gesundheitsförderung integriert. Dauerhafte Strukturen sind über das Aktionsbündnis und den „Kommunalen Präventionsrat“ gesichert, eine kontinuierliche externe Zusatzfinanzierung ist durch den Lions Club gewährleistet.

Die Arbeit in Delmenhorst wirkt auch in die Region hinein. Ein Transfer des Konzepts sowie auch der zugrunde liegenden Schülerstudien innerhalb der Region ist bereits erfolgt.

Zum Originalwettbewerbsbeitrag der Stadt Delmenhorst.