Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Titel des Wettbewerbsbeitrags
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Nach Gründung des Arbeitskreises "Kindergarten" als -Untergruppe des Suchtarbeitskreises Weilheim-Schongau und nach einigen personellen Veränderungen bestand derselbe aus folgenden aktiven Teilnehmern:
Je ein(e) Vertreterin des Gesundheitsamts und des Amtes für Jugend und Familie, drei Erzieherinnen eines Kindergartens und eine Vertreterin der Aktion Jugendschutz Bayern.
Der Arbeitskreis traf bzw. traf sich ca. alle 3 - 4 Wochen und stellte sein Arbeitsergebnisse regelmäßig im Suchtarbeitskreis vor.
Das Projekt "Spielzeugfreier Kindergarten" basiert auf den Erkenntnissen der Suchtprävention, daß ausgebildete Lebenskompetenzen wie z.B. Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Selbstvertrauen, Frustrationstoleranz... wichtige Schutzfaktoren gegen eine mögliche Suchtgefährdung sind. Diese sollen im Projekt erkannt, gefördert, weiterentwickelt und gestärkt werden.
Der "Spielzeugfreie Kindergarten" schafft den Rahmen für alle Beteiligten, gemeinsam in einer neuen, "leeren" Situation durch zeitlich begrenzten Wegfall der gewohnten Strukturen und Angebote einen Freiraum entstehen zu lassen, der es ermöglicht, die eigenen Lebenskompetenzen und die der anderen wahrzunehmen, weiterzuentwickeln und verantwortlich zu erproben.
Bezogen auf die Fülle der Angebote und die Konsumorientiertheit im Kindergarten und zu Hause geht es also darum, wieder Spiel - Raum zu schaffen. Häufig erleben Kinder trotz oder gerade wegen des Überflusses Langeweile, haben wenig Ausdauer und sind schnell frustriert. Sie brauchen immer wieder Frei - Raum und ihre Zeit, um sich zu erfahren, selbst zu bestätigen und Selbst-Bewußtsein zu entwickeln.
Voraussetzung ist, daß vor allem die Erwachsenen zum einen bereit sind, sich auf die neue, ungewohnte und vor allem unplanbare Situation einzulassen und daß sie zum anderen sich und den Kindern das Vertrauen schenken, mit dieser Situation umgehen zu können.
In den zahlreichen dem Projekt vorangehenden Arbeitssitzungen bildeten sich die Rahmenbedingungen und Strukturen des Projektes heraus:
- Über einen Zeitraum von 3 Monaten wird aus dem Kindergartens alles Spielzeug herausgenommen.
- Werkzeuge und Materialien sollen nur auf Anfrage oder durch Anregung der Kinder hereingeholt werden.
- Die Erzieherinnen geben keine Anregungen zu Spielen oder Themen.
- Die Erzieherinnen dokumentieren ihre Beobachtungen.
- Die Erzieherinnen sollen durch eine regelmäßige Praxisberatung unterstützt werden (z.B. durch Gesundheitsamt, Jugendamt, Beratungs- oder Suchtpräventionsstelle...).
- Die Eltern müssen in den Projektablauf einbezogen werden.
- Die Eltern müssen vor Projektbeginn grundlegende Informationen über Durchführung und Ziele des Projektes erhalten
- Das Projekt soll nur in weitgehender Übereinstimmung mit den Eltern durchgeführt werden, deshalb ist es notwendig, den 1. Elternabend vor Beginn des Projektes durchzuführen.
- Insgesamt sollen 3 Elternabende in der Zeit des "Spielzeugfreien Kindergartens" durchgeführt werden, um die Grundlagen der Suchtprävention und die Zusammenhänge zum Projekt den Eltern weiter verständlich zu machen, die Reaktionen der Kinder innerhalb und außerhalb des Kindergartens zu erfahren und in einer abschließenden Bewertung mit den Eltern gemeinsam zu überlegen, welche Konsequenzen man aus den Erfahrungen der Projektzeit zieht.
- Die Eltern werden außerdem durch Fragebögen in das Projekt einbezogen.
- Großeltern können von den Enkeln eingeladen werden, um aus ihrer Kindheit zu berichten.
- Eine Dokumentation des Projektes auf Video oder durch Fotos/Dias empfiehlt sich, da sie besonders den Eltern Einblicke in den Projektalltag ermöglicht.
Weiterentwicklung des Projektes
Das Projekt "Spielzeugfreier Kindergarten" besteht seit 1992, deshalb soll aufgezeigt werden, wie sich die Arbeit daran verändert hat. Im Stadt. Kindergarten Penzberg, der die drei spielzeugfreien Monate inzwischen zur festen Einrichtung gemacht hat, und vielen anderen Kindergärten, lassen sich Langzeitauswirkungen beobachten, die belegen, daß sich die positiven Auswirkungen bei den Kindern stabilisieren. Eine wissenschaftliche Begleitstudie hierzu liegt vor (siehe Literaturverzeichnis).
Nach dem erstmaligen Erscheinen der Broschüre "Spielzeugfreier Kindergarten", im November 1993 überraschte uns zunächst die enorme Resonanz, die wohl auch aufgrund zahlreicher Artikel in Fachzeitschriften und anderen Medien zustande kam. Inzwischen wurden weitere Begleitmaterialien entwickelt und wir führen umfangreiche Multiplikatorenfortbildungen im In- und Ausland durch. Sowohl der Umfang dieser erfreulichen Resonanz als auch die Heftigkeit einiger Kritiker lassen Nachdenklichkeiten aufkommen: Sind in unserer Gesellschaft die Überhäufung mit Konsumartikeln und die Unfähigkeit elementare Bedürfnisse wahrzunehmen schon so selbstverständlich geworden, daß es zur Sensation wird, wenn man für eine (begrenzte) Zeit diesen Zustand ändert und den Kindern Zeit und Raum schafft, um zu sich zu kommen und "Gegenerfahrungen" zu machen? Haben wir den Kindern so wenig zu geben, daß käufliche Waren einen Mangel an Zuwendung und an ernsthafter Auseinandersetzung mit kindlichen Bedürfnissen immer mehr ersetzen müssen? Sind Hetze, die Suche nach dem permanenten "Kick", nach dem Sensationellen im Leben, der Zwang, immer effizient funktionieren zu müssen auch schon so sehr Bestandteil der frühen Kindheit, wenn es so ungewöhnlich erscheint, sich einmal wieder Zeit zu lassen, einmal nichts zu tun, "Muße" und Langeweile zuzulassen?
Der Gedanke, daß unsere Konsum- und Wachstumsgesellschaft mit ihrer permanenten Sucht nach mehr Konsum, nach dem Tollsten, Neuesten, Sensationellsten auch in eine Sackgasse führen kann und nicht nur die Umwelt, sondern auch die Menschen zerstören kann, ist ja nicht so neu. Was ist so verblüffend daran, daß wir Konsequenzen daraus ziehen und in die Erziehungspraxis umsetzen? Immerhin gibt es Signale aus verschiedenen Bereichen, daß über diese Problematik verstärkt nachgedacht wird, so war z.B. im Wirtschaftsteil (!) einer Schweizer Tageszeitung zu lesen: "Wir sehen, daß die Überflußgesellschaft nicht nur die Umwelt belastet, sondern auch zur psychischen Gefährdung vieler Menschen beiträgt. Konsum ist für manche zum Selbstzweck geworden, Drogensucht ist Konsumrausch in seiner extremsten Form". (Tagesanzeiger, Zürich, 25. 07. 94) Natürlich gibt es gelegentlich auch Widerspruch und kritische Stimmen zum Projekt, so wird der Zusammenhang des Projektes mit präventiven Zielen nicht nachvollzogen oder der Ansatz als zu provozierend empfunden, vielleicht gelegentlich auch dadurch, weil nicht immer gewünscht ist, daß Kinder einen eigenen Willen haben und diesen auch zeigen. Gelegentlich entstand das Mißverständnis, daß behauptet würde, Spielzeug sei ein Suchtmittel. Das Projekt richtet sich jedoch nicht gegen irgendeine Art von Spielzeug. Die zeitlich begrenzte Herausnahme desselben und das Wegfallen der Angebote ist eine Methode, um eine Situation zu schaffen, in der Kinder ihre Lebenskompetenzen als Schutzfaktoren erproben und weiterentwickeln können. Der Wert des Spielzeugs wird dadurch für die Beteiligten nicht gemindert.
Durch unsere Zusammenarbeit mit zahlreichen Kindergärten sowie durch Erfahrungsberichte und Rückmeldungen, die uns erreichen, haben sich wesentliche Hinweise für die praktische Durchführung des Projektes ergeben. Grundsätzlich sollte das Kindergarten-Team bereit sein, sich auf das Projekt intensiv vorzubereiten und sich damit auseinanderzusetzen. Das bedeutet, sich Zeit zu lassen für die Integration des Projektes in den eigenen pädagogischen Ansatz. Auch muß es möglich sein, verschiedene Standpunkte hierzu im Team zu akzeptieren. Die Begleitung durch eine externe Fachkaft ist vor allem für die erstmalige Projektdurchführung wichtig. In der Zusammenarbeit mit Eltern ist es entscheidend, sie von Anfang an zu informieren, in die Entscheidung über die Durchführung einzubeziehen sowie selbstverständlich die pädagogische Konzeption transparent zu machen.
Konzeptionell haben die Erfahrungen ebenfalls Auswirkungen; so hat sich gezeigt, daß in Kindergärten, die das Projekt zum regelmäßigen Bestandteil seines Jahresablaufs gemacht haben, die Zahl der Elternabende reduziert werden kann, da viele Eltern aus den Vorjahren bereits ausführlich informiert sind. Eine sehr erfreuliche Erkenntnis für uns ist, daß sich durch die Öffentlichkeitswirkung der Gedanke der Prävention bei den Eltern verdeutlicht hat und sie dadurch als Multiplikatoren wirken. Die Diskussionen über das Projekt bei den Elternabenden wird wesentlich gelassener und weniger kontrovers und Eltern machen eigene Vorschläge zur Projektdurchführung: So regten sie z.B. an, daß das Projekt im Penzberger Kindergarten in der Weihnachtszeit zusätzlich durchgeführt wird, da die Themen Konsum und Besinnung besonders in dieser Zeit für sie naheliegend und schwierig sind.
Möglicher Ablauf der "spielzeugfreien Zeit"
Der "Spielzeugfreie Kindergarten" sollte nach den vorgegebenen Projektbedingungen durchgeführt werden. Es ist uns wichtig, nochmals zu betonen, daß das gesamte Spielzeug aus dem Gruppenraum entfernt wird, d.h. daß auch Materialien wie Stifte, Papiere, Scheren, Werkzeuge usw. nicht mehr greifbar sind. Die Kinder werden durch ausführliche Vorgespräche, Rollenspiele o.a. vorbereitet. Einige Gruppen räumen zusammen mit den Erzieherinnen das Spielzeug in einen Nebenraum o.ä, andere finden zu Beginn des Projektes die ausgeräumten Gruppenräume vor. Nur auf Anregung der Kinder und nach gemeinsamer Abklärung können benötigte Materialien und Werkzeuge geholt werden, nicht aber vorgefertigte Spielzeuge. Die Erzieherinnen geben keine Anregungen, Spielideen oder Themen vor.
Aus den zahlreichen Projektdokumentationen von Kindergärten wird zwar die Ähnlichkeit vieler grundlegender Erfahrungen deutlich (wie z.B. die Zunahme der Kommunikation, bessere Integration von Außenseitern...), die Ausgestaltung der Situationen durch die Kinder ist jedoch äußerst unterschiedlich und vielfältig.
Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
- den Einstieg in den Konsum von Suchtmitteln zu verhindern bzw. hinauszuzögern
- einen suchtmittelfreien Lebensstil zu fördern
- Förderung von Lebenskompetenzen als Schutzfaktoren gegen Sucht
ja, Förderung von Lebenskompetenzen wie - Kommunikationsfähigkeit, Frustrationstoleranz, soziales Lernen, Handlungs- und Verantwortungsfähigkeit, Beziehungsfähigkeit, Lösungskompetenz, Selbstwahrnehmung und Selbstvertrauen
- Verwaltung
ja, folgendermassen: Beobachtungen der Kinder im Kindergartenalltag, Befragung der Kinder zu ihren Lebens- und Konsumgewohnheiten, zu ihren Wünschen und Bedürfnissen
1. Notwendigkeit einer frühzeitigen Primärprävention 2. Mangel an ursachenorientierten und langfristig angelegten Konzepten im Kindergartenbereich 3. Ziel einer verhaltens- und verhältnisorientierten Prävention, die Einfluss auf Kindergartenkonzeptionen im primärpräventiven Sinne hat
1. Langfristige und umfangreiche Information der Zielgruppen (Kinder, Eltern, Personal, Träger) 2. Das Projekt wird mit der Zustimmung der Eltern und Kinder durchgeführt 3. Die Dauer des Projektes sichert zum einen die Effekte und zum anderen die intensive Auseinandersetzung damit 4. Intensive Schulung und Vporbereitung des Kindergartenpersonals 5. Praxisbegleitung durch die Präventionsfachkräfte 6. Den Kindern macht das Projekt Spaß
Am Bedürfnis der Kinder, ihre Lebensfähigkeiten altersentsprechend zu erkennen, zu erproben, zu entfalten und zu stabilisieren
- Eltern (Mütter/Väter) (Schwerpunkt)
- Erzieher / Erzieherinnen (Schwerpunkt)
- Fachöffentlichkeit
- Gleichaltrige / Peers
- Sozialpädagogen / Sozialpädagoginnen
nein
- Erzieherischer Kinder- und Jugendschutz (Schwerpunkt)
- Gesundheitsförderung
- Kindergärten und Kindertagesstätten (Schwerpunkt)
- Gesundheitsamt
- Jugendamt (federführend)
- Freie Träger
- Institutionen bzw. Fachkräfte der Suchtprävention
- Kindergärten / Kindertagesstätten
- Aktion Jugendschutz
- Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit
- Freistaat Bayern
- Land
- Landesarbeitsstelle Bayern
- Regierung von Oberbayern
- Staatliche Einrichtungen
- Fallweise Kooperation im Bedarfsfall
- Herausgabe von Begleitmaterialien und Öffentlichkeitsarbeit durch die Aktion Jugendschutz
1991
1992
Das Projekt ist auf 3 Monate begrenzt, sollte aber von den Kindergärten jährlich durchgeführt werden, um Kontinuität und Langfristigkeit zu gewährleisten
offen
ja, Primäre Suchtprävention im Kindergarten durch die Stärkung der Lebenskompetenzen von Kindern. In einem langfristig angelegten Projekt unter Einbeziehing aller Beteiligten (Kinder, Eltern, ErzieherInnen)
ja, Kindergartenkinder, Eltern, ErzieherInnen
Gemeinsame Fortbildungen für Eltern und Kindergartenpersonal, Regelmäßige Praxisbegleitung eines langfristigen Projektes, Intensive Elternarbeit zum Thema Suchtprävention, Eltern als Multiplikatoren
nein
ja, Notwendigkeit der Primärprävention im Kindergarten
- Konzept der Gesundheitsförderung
- Konzept der Lebenskompetenzförderung
- Konzept des sozialen Lernens
- Protektive Faktoren
1.Projektdokumentation 2.Leitfäden (für a Kindergartenpersonal, b Praxisdbegleitung) 3. Elterninfo in verschiedenen Sprachen (Deutsch, Englisch, Russisch, Serbisch, Türkisch, Kroatisch, Griechisch) 4.Wissenschaftliche Begleitstudie 5.Videodokumentation 6.Pressespiegel 7. Buchveröffentlichung zum Spielzeugfreien Kindergarten, div. Fachartikel
Zahlreiche und umfangreiche, z.T. mehrtägige Fortbildungen für Multiplikatoren und Eltern
ja, 3 Jahre und mehr
500