Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Titel des Wettbewerbsbeitrags
Beschreibung des Wettbewerbsbeitrags
Ein Angebot für süchtige Personen mit bedingter Gesundheit als Weg von der Tertiär- zur Primärprävention: DAS ARBEITSPROJEKT 2000
Im Beratungsangebot für Personen mit süchtigem Verhalten wird der Aspekt der Primärprävention in der Regel vernachlässigt. Analog zur Primärprävention von Infektionskrankheiten ist anzunehmen, dass neben der allgemeinen Gesundheitsförderung einschließlich der Immunisierung gesunder Personen der Sanierung von Infektionsquellen eine große Bedeutung zukommt. Gelingt es, Drogenabhängige nachhaltig zu verantwortlichem Handeln zu bewegen, so wird dies neben dem gesundheitlichen Gewinn für die Betroffenen auch primärpräventive Wirkungen auf seine Angehörigen und andere Personen seiner Umgebung haben.
Süchtige sind Teile unserer Gesellschaft, sie bewegen sich allerdings häufig, mehr oder weniger freiwillig, in einer Subkultur. Gelingt ihre soziale Stabilisierung und ein höherer Grad der Reintegration in die Gesellschaft, dann werden sie auch verantwortungsvoller im Sinne der Primärprävention mit ihrer Sucht und gegebenenfalls auch ihren Infektionskrankheiten (Hepatitis C, HIV u.a.) umgehen.
Beim Gesundheitsamt landen, wenn das Beratungsangebot entsprechend ausgerichtet ist, die vom übrigen Hilfesystem nicht erreichten schweren Fälle von Drogenabhängigkeit, die "Übriggebliebenen", insbesondere wenn sie akut Hilfe brauchen. Die klassischen Angebote öffentlicher Gesundheitsfürsorge, beispielsweise für Alkoholiker, Infektionskranke (Tbc-, Geschlechtskranke etc.) und andere Gesundheitsgefährdete beinhalten immer auch den primärpräventiven Ansatz der Allgemeinbevölkerung.
Entstehung des Arbeitsprojektes 2000
Ende der 80er Jahre wurde ein niedrigschwelliges Angebot mit aufsuchender Kontaktaufnahme in Szenetreffpunkten und Streetwork von einem erfahrenen Sozialarbeiter des Gesundheitsamtes gestartet. Primäre Zielgruppe waren zunächst Personen mit HIV-Risiko, das sich allerdings häufig aus Drogenkonsum ergab.
1988 wurden mit den kontaktierten Personen der Augsburger Selbsthilfeverein e.V. (ASV) gegründet, satzungsgemäß sollte der Vorstand des Vereins überwiegend aus HIV-Betroffenen bestehen. Von der Stadt wurden in einem Altbau Räume zur Verfügung gestellt, die eine Übernahme von Mitverantwortung durch die Betroffenen zuließ, z.B. die Einrichtung eines selbst organisierten Mittagstisches, lange Öffnungszeiten zum Aufenthalt und zur Entwicklung von Sozialkontakten. Der Sozialarbeiter hatte dabei organisatorische Aufgaben und vor allem konkrete Betreuungsarbeit wie Hilfe bei Wohnungssuche, Kontakt zu Ämtern und Gesundheitsdiensten bis zur Organisation häuslicher Pflege bei HIV-Kranken zu leisten. 1995 hatten ca. 200 Personen aus schwierigsten sozialen Verhältnissen, eingeschränkt durch gesundheitliche Belastungen mit Abhängigkeitserkrankungen, psychischen Erkrankungen sowie Infektionen mit HIV und Hepatitis Kontakt zu der Beratungsstelle, in die auch ein ärztliches Beratungsangebot integriert wurde.
Der längerfristige Kontakt mit einer Gruppe verhältnismäßig junger Menschen, die aber wegen ihrer bedingten Gesundheit, d.h. insbesondere ihrer Beschädigung durch süchtiges Verhalten, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keinerlei Chance hatten, verdeutlichte die Ziel- und Hoffnungslosigkeit ihrer Situation ebenso wie die Grenzen kommunaler sozialer Beratungsarbeit.
Soziale Stabilisierung einschließlich der zeitlichen Strukturierung von Tagesabläufen durch Übernahme von Verantwortung gelingt durch Teilhabe an Arbeit einschließlich deren Gratifikation. Dies gilt im Prinzip auch für Personen, die nur über eine stark eingeschränkte Arbeitsfähigkeit verfügen, deren Verwertbarkeit zudem wegen Einkommen aus Sozialhilfe oder Minirenten durch Regelungen des Sozialrechts auf ein demotivierendes Niveau eingeschränkt ist.
In dieser Situation und mit durchaus nicht neuer Erkenntnis wurden 1995, u.a. nach Rücksprache mit dem Sozialreferat der Stadt, kleinere Aufträge in der Stadt übernommen, z.B. Hecken schneiden, Reinigungsarbeiten u.ä. Zur organisatorischen und finanziellen Abwicklung solcher Arbeitsaufträge wurde die Hilfe eines 1992 gegründeten Betreuungsvereins in Anspruch genommen. Die an der Arbeit beteiligten Personen erhielten aus einer Tageskasse eine "soziale Unterstützung gegen Unterschrift", allerdings in Abhängigkeit von ihrer Leistung, besser gesagt, ihrer zeitlichen Beteiligung an der Arbeit. Jeder beteiligte sich, sofern Aufträge vorhanden waren, soweit und so gut er konnte. Bei Außenaufträgen werden pro Stunde 10 DM bezahlt, für Innenaufträge 5 DM pro Stunde bzw. 2,50 DM als Anerkennung für kaum bewertbare Leistungen.
Stand des Projektes
Das Arbeitsprojekt, in dem jeder freiwillig die ihm mögliche Leistung einbringen konnte, hatte überraschend großen Erfolg. Die Aufträge sind in der Tabelle 1 dargestellt.
Das Projekt wurde in den folgenden Jahren ohne aktives darauf hinarbeiten immer größer. Es zeigte sich, dass bei den Betroffenen ein hoher Bedarf besteht. Hauptsächlich durch "Mundpropaganda" kommen überwiegend aus der Drogenszene weitere Interessenten in das Projekt. Bis 1999 wurden namentlich 246 Personen erfasst, bis Ende 2000 waren es 463, hinzu kommt eine Anzahl von Teilnehmern, die den freiwillig auszufüllenden Fragebogen nicht ausfüllten. Täglich sind zwischen 10 bis 20 Arbeiter im Einsatz. Inzwischen konnten wir 2 Mitarbeiter, die früher auch zur Gefährdetengruppe zählten, fest einstellen. Der große Bedarf ist am Wachstum der Umsatzahlen zu lesen, diese betrugen 1996 40.000 DM und 1999 465.000 DM. Die individuellen bzw. sozialen Erfolge des Projektes sind in Tabelle 2 zusammengefasst.
Im Januar 2001 wurde speziell für das Projekt der gemeinnützige Verein "Arbeitshilfe 2000 e.V." gegründet. Laut Satzung ist die Zielsetzung des Vereins, Menschen, die gesundheitlich und/oder sozial geschädigt sind, Hilfen zur Resozialisierung zu vermitteln. Dies wird erreicht durch "Schaffung von einfachen Arbeitsmöglichkeiten" für den obengenannten Personenkreis. Die Angebote sollen kurzfristig umsetzbar und ohne bürokratischen Aufwand durchführbar sein. Bei den Arbeitseinsätzen ist darauf zu achten, dass auch Menschen mit schweren körperlichen und/oder seelischen Schädigungen zum Einsatz kommen. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der §§ 51 bis 68 Abgabeordnung.
Die Gründung eines eigenständigen Vereins war notwendig, um in dem immer schwieriger werdenden Umgang mit dem Arbeitsamt, der Steuerbehörde, den Einrichtungen der Sozialversicherung inhaltliche und rechtliche Positionen zu verdeutlichen. Es kommt darauf an, den sozialen Gewinn und den Gewinn an individueller Lebensqualität durch aktivierende Integration schwer Geschädigter in gesellschaftliche Normen, d.h. in Rechte und Verantwortung, gegen die Bewertung ihrer Leistung nach den Normen des allgemeinen Arbeitsrechts abzugrenzen, wie sie für den freien Arbeitsmarkt gelten. Eine Vielzahl von Hürden durch rechtliche Regelungen stehen hier einer effektiv aktivierenden und nachhaltigen Sozialarbeit im Wege. Trotzdem zeigt das Projekt Arbeitshilfe 2000 neue Aspekte in der Bewertung von Arbeit für die Lebensqualität für Menschen mit bedingter Gesundheit.
Alltägliche Probleme
Von den vielen Projektarbeitern besitzen nur wenige noch einen Führerschein. Jeden Tag entsteht das Problem, dass fest zugesagte Termine nicht eingehalten werden. Bei einzelnen Aufträgen kommt es zu Problemen wie z.B. dass ein anderer Farbton beim Malen genommen wird, da der Arbeiter diese Farbe lieber mag, eine Tür wird samt Glasfüllung gestrichen, es wird ein falscher Bodenbelag verlegt, es entstehen Sachbeschädigungen beim Umzug usw. Am Monatsende kommen viele und möchten arbeiten, am Monatsanfang stehen nur wenige Arbeiter zur Verfügung, da sie offensichtlich erst das sonstige Einkommen verbrauchen.
Bewertung und Ausblick
Das Projekt Arbeitshilfe 2000 zeigt, dass soziale Integration auch bei sozial und gesundheitlich stark beschädigten Personen erfolgreich möglich ist und dass ein Arbeitsprojekt auch mit diesem Klientel nach geeigneten Starthilfen und mit einem relativ geringen Zuschussaufwand weiter kostendeckend arbeiten kann.
Die Erfolge bei Einzelnen haben unsere Erwartungen weit übertroffen. Die Dringlichkeit des Projektes wurde spätestens klar, als aufgrund zahlreicher Probleme einzelne Behörden anfingen, das Projekt als ein reguläres gewinnorientiertes Unternehmen zu behandeln, woraus sich Fragen wie Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Sozialabgaben, Unfallversicherung, Rückzahlung von ABM-Mitteln usw. stellten und zeitweise an eine Schließung des Projektes gedacht wurde. Zu einem Teil konnten die Probleme zwischenzeitlich gelöst werden.
Während des bisherigen Verlaufes wurde stets darauf geachtet, dass Klienten, die sozial stabil geworden sind, die "normalen Wege" weitergehen und sich nicht weiter in dem Projekt aufhalten, denn für diese war das Projekt erfolgreich verlaufen, und sie sollen sich in die "normale Welt" integrieren.
Die längerfristige Mitarbeit in dem als betreute Selbsthilfe organisiertem Projekt Arbeitshilfe 2000 befähigt die Teilnehmer bereits während ihrer Mitarbeit und vor allem nach erfolgreichem Ausscheiden auch zu verantwortungsvollerem Verhalten gegenüber der Gesellschaft im Sinne der Primärprävention.
Tabelle 1: Aufträge im Projekt "Arbeitshilfe 2000" | |
Auftraggeber: |
Ämter der Stadt (Hauptamt, Sozialamt) gesetzliche Betreuer sozial eingestellte Bürger |
Innenaufträge: (im Projekt) |
Cafe-Betrieb, Mittagstisch kleinere Renovierungen Reparaturen Büroreinigung Artikel für Flohmarkt herrichten |
Außenaufträge: |
Umzüge Renovierungen Wohnungsauslösungen (oft stark verwahrlost und vermüllt) |
Tabelle 2: Erfolge im Projekt "Arbeitshilfe 2000" |
Erworbene Fähigkeiten der Klienten:
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Fragen zum Wettbewerbsbeitrag
- den frühzeitigen Ausstieg aus riskanten Konsummustern zu fördern
- Förderung von Lebenskompetenzen
- einen suchtmittelfreien Lebensstil zu fördern
ja, Lebenserhaltung
- Verwaltung
nein
Konsequente Weiterführung einer mit Streetwork begonnenen niederschwelligen Sozialarbeit
Attraktive Angebote (bezahlte Arbeitsleistung, Mittagstisch, Selbsthilfe-Cafe, Waschmöglichkeit u.ä.) mit qualifizierter ärztlicher und sozialpädagogischer Begleitung.
soziale Grundbedürfnisse (finanzielle Besserstellung, soziale Absicherung, verbesserte Lebensqualität, Stärkung des Selbstwertgefühls, soziale Kontakte)
- Fachöffentlichkeit
- Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnen (Schwerpunkt)
nein
- Gesundheitsförderung (Schwerpunkt)
- Unterstützung der Selbsthilfe
- Sonstige Freizeitaktivitäten
- Gesundheitsamt
- Sozialamt (federführend)
- Arbeitshilfe 2000 e.V. (Träger)
- Justizbehörden (Zuweisung von Menschen mit richterlich angeordneten Arbeitsauflagen)
- Die Arbeitshilfe 2000 e.V. ist für die organisatorische Durchführung, das Gesundheitsamt für die ärztliche und sozialpädagogische Begleitung zuständig.
1995
1996
ständiges Angebot
wahrscheinlich gesichert
ja, Konkrete und bezahlte stundenweise Arbeitsangebote, je nach Gesundheitszustand und Fähigkeiten.
ja, Das Angebot ist sehr niederschwellig und damit für Personen offen, die bisher nicht erreicht wurden.
1. Optimierung der Zusammenarbeit des Trägervereins mit dem Gesundheitsamt unter Ausschöpfung der spezifischen Möglichkeiten.
2. Schaffung von Arbeitsmöglichkeiten für schwerst geschädigte Personen
3. Finanzierung sozialer Arbeit durch Abrechnung von Arbeitsaufträgen
ja, 2001
nein, der Bedarf wurde im Rahmen der langjährigen Streetworkarbeit festgestellt.
- Förderung von Alternativen zum Substanzmissbrauch
- Konzept der Lebenskompetenzförderung
- Konzept der Gesundheitsförderung
- Konzept des sozialen Lernens
- Protektive Faktoren, Steigerung des Selbstwertgefühls, Erlernen soziale Fähigkeiten, Teamfähigkeit, Erhöhung der Frustrationstoleranz.
- Gemeinde, Anerkennung statt Ausgrenzung, Verstärkung der Toleranz gegenüber Suchtkranken.
- Andere Ansatzpunkte, Neuorientierung im Suchtverhalten mit Entwicklung von Verantwortung im sozialen Umfeld, u.a. auch im Sinne der Primärprävention
- Risikofaktoren, Herauslösung der Menschen aus der Drogenszene, Vermeidung von Gefährdungssituationen durch Bereitstellung von Aufenthaltsmöglichkeiten
entfällt
Praktikum für Sozialpädagogik, Kongressbeitrag, Fortbildung für Präventionsfachkräfte
ja, 3 Jahre und mehr
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