Reaktiver Baustein zur Alkoholprävention in Braunschweig
Bei dem Braunschweiger Konzept „Hart am Limit“ arbeiten Kinderklinik, Gesundheitsamt, Feuerwehr, Psychosoziale Unterstützung PSU (Notfallseelsorge der Feuerwehr), Jugendschutz, Polizei und Beratungsstellen (Jugendberatung bib und die jugendspezifische Drogenberatung CLEAR) und Jugendstaatsanwaltschaft zusammen. Jugendlichen, die auf gefährliche Weise Alkohol konsumieren, soll ein Weg zu einem risikoärmeren Umgang mit Alkohol aufgezeigt werden.
Bereits im Jahr 2006 hat eine Studie des Arbeitskreises Suchtprävention gezeigt, dass ein Viertel aller Jugendlichen in 10. Klassen einen risikoreichen Alkoholkonsum praktiziert (Ergebnisse der Studie sind im Anhang einzusehen). Gleichzeitig hat sich in der Kinderklinik des Städtischen Klinikums die Aufnahme von schwerst alkoholisierten Jugendlichen im Vergleich zu 2002 um 40% erhöht.
„Hart am Limit“ hat das Ziel dieser Entwicklung zu begegnen.
„Hart am Limit“ ist ein reaktiver Baustein, der sich speziell an Jugendliche wendet, die bereits in ungesunder Weise Alkohol konsumieren. Angesprochen werden Jugendliche, die mit Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden oder die der Polizei im öffentlichen Raum durch übermäßigen Konsum auffallen oder die in Jugendfreizeiteinrichtungen Sozialarbeitern Sorgen bereiten. Diese Jugendlichen werden in einem ersten Schritt zu einer Beratung motiviert. Wie die Erfahrungen in anderen Kommunen zeigen, sind für einen Teil der Betroffenen Beratungsangebote über eine bis mehrere Stunden sinnvoll, während für andere eher ein Gruppenangebot (Risioko-Check) zum Selbstmanagement erfolgreich sein kann.
Das folgende Schema zeigt, wie „Hart am Limit“ bei Jugendlichen mit Alkoholvergiftung ganz praktisch umgesetzt wird:
Pro Jahr kommen etwa 150 Jugendliche unter 18 Jahren mit einer Alkoholvergiftung in das Braunschweiger Klinikum. Die Hälfte von ihnen wird stationär behandelt. Wenn die Kinder und Jugendlichen soweit stabilisiert sind, dass sie wieder entlassen werden können (oft ist das nach einer Nacht im Krankenhaus der Fall), wird unmittelbar ein Gespräch, das sogenannte Brückengespräch durchgeführt. Hierfür steht die Psychosoziale-Unterstützung (PSU) der Notfallseelsorge der Feuerwehr unterstützend zur Verfügung, um auch am Wochenende im Krankenhaus mit Eltern und Jugendlichen diesen Kontakt anzubahnen. Inhaltlich geht es um eine Reflexion des Geschehenen aber auch um die gemeinsame überlegung, ob der weitere Besuch einer Beratungsstelle (bei der Jugendberatung bib oder der jugendspezifischen Drogenberatung CLEAR) sinnvoll sein könnte. Dabei wird insbesondere auf den „Risikocheck“ der Beratungsstellen hingewiesen. Bei diesem Zugang ist eine Teilnahme selbstverständlich freiwillig. Die Schweigepflichtsentbindung wird nötig, damit ärzte die ehrenamtlichen Mitarbeiter der PSU oder der Jugendberatung bib informieren und zum Brückengespräch bitten dürfen.
Ziel des Risikochecks als Gruppenangebot und der Beratung ist es, Jugendliche in ihrer Entwicklung zu unterstützen, über ihr eigenes Trinkverhalten größere Kontrolle zu erlangen sowie Alternativen zu exzessivem Alkoholkonsum zu entwickeln. Die Gruppe hat sich im Bundesmodellprojekt als besonders hilfreich erwiesen. Sie bietet die Chance auch Jugendlichen, die für eine Einzelberatung wenig zugänglich sind, eine Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem eigenen Alkoholkonsum zu geben. Durch die Gruppe selbst, den geschützten Rahmen, den größeren zeitlichen Umfang, der Möglichkeit von anderen zu lernen und vielfältigen methodischen Vorgehensweisen wird die Auseinandersetzung intensiviert und die Chance auf eine Verhaltensänderung im Sinne eines besseren Selbstmanagements erhöht.
Zugänge der Jugendlichen zum Projekt:
In Braunschweig wird das Modell seit Herbst 2007 umgesetzt. Vom 1.1.2008 bis 1.10.2008 sind 58 Kinder und Jugendliche im Städtischen Klinikum Holwedestraße stationär wegen Alkoholvergiftung behandelt worden. Im gleichen Zeitraum hat es 45 Beratungsgespräche mit betroffenen Jugendlichen gegeben. Ziel: Der Anteil der über Beratungsgespräche erreichten Kinder soll stetig gesteigert werden.
In 1/4jährlichen Treffen aller Kooperationspartner wird das abgesprochene Vorgehen evaluiert und immer wieder an die neue Situation angepasst. In die öffentlichkeitsarbeit (Presse, Symposien, Schulveranstaltungen) sind alle Beteiligten involviert.